von Inka Grabowsky, 06.08.2025
20 Jahre später: Ein eingelöstes Versprechen

Die drei Musketiere: Die Theaterwerkstatt Gleis 5 nimmt sich für ihr jährliches Freilichttheater im Greuterhof Islikon eines Stoffes an, der seit 1844 das Publikum begeistert. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
2005 holten Simon Engeli und Giuseppe Spina den Stoff um die Garde von König Louis XIII. zum ersten Mal hervor. Sie nahmen noch Noce Noseda mit ins Boot. Die Theaterwerkstatt gab es damals noch nicht. «Gewählt hatten wir das Stück, weil es einfach eine gute Geschichte ist», sagt der Regisseur Noce Noseda.
«Dumas konnte es einfach: Er trifft einen Nerv. Die Mischung aus Intrigen und Heldentaten ist ein faszinierender Geniestreich. Und dass ein Neuling sich beweisen muss, ist auch interessant.» Dieses Topos ist nicht umsonst weit verbreitet – von Karl May über «Herr der Ringe» bis Harry Potter: Das Erfolgsrezept bleibt gleich.
Aufräumen als Auslöser
Am Ende der damaligen Inszenierung sagt Simon Engeli in der Rolle des Erzählers: «Viele Jahre später, 20 Jahre später, sollten sich die vier Freunde wiedersehen, doch für den Moment lassen wir sie etwas ausruhen.» Dieser Moment ist vorbei: Giuseppe Spinas gute Vorsätze im Haushalt gaben den Auslöser. Er sei beim Aufräumen des Kellers auf einen Camcorder mit der Aufnahme gestossen und habe die Steilvorlage nicht verstreichen lassen wollen, meint er.
Tatsächlich ist er damit in guter Gesellschaft: Auch Alexandre Dumas hat eine Fortsetzung «Zwanzig Jahre danach» geschrieben – und dazu noch einen dritten Band, der wiederum zehn Jahr später spielt und als «Der Mann mit der eisernen Maske» durch die zahlreichen Verfilmungen (die letzte aus 1998) noch relativ geläufig ist. «Ich habe die Bücher natürlich gelesen», so Noce Noseda. «Der Gedanke diesen Stoff zu nutzen war da. Aber es ist womöglich das schlechteste Sequel aller Zeiten.»
Stattdessen bleibt die Theaterwerkstatt bei ihrer sehr eigenen Fassung der Musketier-Geschichte und bettet sie in die Rahmenhandlung eines Wiedersehens ein. Teile der damaligen Schauspieltruppe treffen sich, getreu ihres Versprechens zwanzig Jahre zuvor. «Es ging uns primär immer um die Themen Komplizenschaft und Freundschaft«, sagt Noseda. «Das passt für die Musketiere genauso wie für die Schauspieltruppe.»
Schlecht gealterte Witze
Nicht alles von 2005 ist wiederverwertbar. Das gilt zum Beispiel für die Kostüme: «Tatsächlich waren die Kleider damals schon Second Hand aus der Brockenstube», lacht Noce Noseda. «Giuseppe hat eine der verbliebenen Hosen anprobiert und ja, sie hätte noch gepasst, aber sie war so verschlissen, dass wir sie trotzdem ersetzt haben.»
Die Wiederaufnahme gibt den Kreativen vor allem die Gelegenheit, sich mit ihren 20 Jahre alten Witzen auseinanderzusetzen – nicht immer ein Vergnügen: «Wir haben uns ebenso verändert wie die Gesellschaft», meint der Regisseur. Simon Engeli ergänzt: «Die Frage, wie wir heute zu manchen Klischees von damals stehen, öffnet ein weites Feld.»
Konkret geht es beispielsweise um Engelis Rolle als Rochefort, die als Karikatur eines Homosexuellen angelegt war. Die Lösung: «Wir zeigen es noch einmal, thematisieren es aber bewusst», so Noseda. «Im neuen Stück wird reflektiert und diskutiert. Und weil wir uns selbst nicht ernst nehmen, erlauben wir uns den Spass, nicht immer politisch korrekt zu sein.»
Alt und neu kombiniert
Spass hatte bei den Proben auch das Leitungstrio aus Guiseppe Spina, Simon Engeli und Noce Noseda. «Wir hatten das Stück damals zusammen entwickelt, und für uns drei war alles noch präsent. Guiseppe kannte noch alle Texte, Simon die Musik. Und die beiden Neuen - Georg Melich unter anderem als D‘Artagnan und Moira Albertalli unter anderem als Aramis – haben sich schnell integriert.»
Statt der Musiker von damals greift die Truppe auf den Akkordeonisten Goran Kovačević zurück, der scheinbar spontan einspringt. «Es muss nicht glaubwürdig sein», so Noseda. «Auch das Zwanzig-Jahr-Versprechen bleibt ein Vorwand, um das Thema Freundschaft wieder hervorzuholen.»
Nicht für Insider geplant
Die Theaterwerkstatt verspricht für die neue Variation: «Spass trifft Wehmut, Dramatik, Romantik, Liebe und Pathos.» Vorkenntnisse braucht man nicht, um Freude an den «Drei Musketieren» zu haben, verspricht der Regisseur. «Es wird durchaus lustig für diejenigen, die das Stück vor zwanzig Jahren gesehen haben, aber nötig ist es nicht. Wer spontan am Greuterhof vorbei kommt und völlig unvorbereitet noch eine Restkarte ergattert, der soll es genauso geniessen.»
Tickets und Aufführungstermine
Die drei Musketiere, frei nach Alexandre Dumas
Kammertheater unter freiem Himmel (mit gedeckter Zuschauertribüne) im Greuterhof, Islikon
14. bis 29. August 2025, jeweils 20.15 Uhr.
Tickets 49 Franken. Reservationen sind hier möglich.

Von Inka Grabowsky
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