von Inka Grabowsky, 13.10.2017
Was bewegt den Menschen?
Die Kreuzlinger Performerin und Musikerin Micha Stuhlmann bereitet gerade ihre vierte Ensemble-Produktion vor. Dieses Mal schickt sie ihre Darsteller an Bord eines Schiffes auf eine imaginäre Reise.
Von Inka Grabowsky
Einen „Kunstentwurf zwischen Theater, Tanz und Film“ nennt Micha Stuhlmann ihr jüngstes Stück, das sie wie den Vorgänger „Im Dunkelwasser fischen“ mit ihrem inklusiven Ensemble, dem Filmer Raphael Zürcher, dem Musiker Marc Jenny, dem Techniker Christian Schäppi und der Kostümbildnerin Ellen Finus realisiert. „Es ist kein Schauspiel“, begründet sie die ausweichende Kategorisierung. „Und der Begriff Performance ist mir ein wenig zu abgegriffen.“ Inhaltlich setzt sich Micha Stuhlmann mit menschlichen Schwächen und Zielen auseinander. Zu dem Zweck versetzt sie ihre Figuren an Bord eines alten Schiffes und lässt sie aufeinander los. Die 600 Jahre alte Tradition des „Narrenschiffes“ lässt grüssen. Von aussen betrachtet gehört die Reisegesellschaft zusammen, in ihrem Innern jedoch grenzen sich die Einzelnen deutlich voneinander ab. „Ich überlege, wer steht wo in unserer Gesellschaft“, so die Regisseurin. „Wir als Künstler haben uns freiwillig in unsere Nische begeben, um die Welt zu betrachten. Ich arbeite hier aber mit Menschen, die zum Teil wegen ihrer Andersartigkeit von der Gesellschaft in eine Nische gedrängt worden, aus der sie lieber heraus möchten.“
Philosophische Reise
Der Titel des Stücks „Beine baumeln himmelwärts“ lädt zum Perspektivwechsel ein. Er soll – passend zur Schiffsreise – auch daran erinnern, die Seele baumeln zu lassen. „Eine Reise gibt dem Leben einen Sinn“, so Micha Stuhlmann. „Man wird bewegt.“ Dafür müsse es nicht immer eine Kreuzfahrt sein. Die Idee der Zimmerreise, auf die sich Stuhlmann auch bezieht, erlaubt Expeditionen auf engstem Raum. „Dabei lernt man, aus dem Gegebenen etwas zu machen und erlebt eine Faszination für das, was vor unseren Füssen liegt.“ Genau das macht auch die Arbeit der Künstlerin mit ihrem Ensemble aus. „Wir fangen jedes Mal bei Null an und entwickeln gemeinsam aus dem Vorhandenen das Stück.“
Politisch inkorrekt
Die neun Darsteller mit und ohne Behinderungen spielen, singen und tanzen – live und auf drei Leinwänden, die den Bühnenraum begrenzen. Die Videosequenzen nehmen jeweils eine Figur aus dem Ensemble heraus und zeigen sie in ihren Wünschen oder Problemen. Die Truppe auf der Bühne reagiert dann darauf. Das kann ganz schön böse sein. Moni Guelat will eine Gesangsdiva sein – und wird gnadenlos ausgebuht und ausgelacht. In der närrischen Übertreibung erkennt der Betrachter die Gemeinheit der Ablehnung. Gerda Löw, die halbseitig gelähmt ist, arbeitet sich am Anlegen eines BHs ab und scheitert dabei mit Würde. Sie stellt sich selbst bloss. Wer Tobias Schmidli und Lilli Stuhlmann beim Essen zusieht und – dank technischer Verstärkung - zuhört, erkennt darin alle Stufen von Appetit, Hunger, Genusssucht und Gier. Aus dem Abendessen mit weisser Tischdecke wird eine chaotische Party. „Das ist doch das Grossartige an unserer inklusiven Truppe: wir müssen uns nicht politisch korrekt aufführen. Wir können uns das leisten“ Für einmal sollen die Zuschauer genau hinsehen, wo sie sonst aus falsch verstandener Rücksichtnahme wegschauen.
Video: Einblick in die Probenarbeit
Alle Termine im Überblick
Premiere am Sonntag, 29.10. 2017 um 18 Uhr. In der Shedhalle im Eisenwerk Frauenfeld. Reservation unter Micha@ko-koo.com
Weitere Termine:
26.11.17 um 19 Uhr Lokremise St. Gallen
27.1.18 um 19 Uhr im Alten Zeughaus Herisau
16.2. 16 um 20 Uhr im Neubad in Luzern
24. und 25. 2. 18 Spiegelhalle Konstanz
23- und 24. 3. In Schaffhausen
19. und 21 4. 18 um 20 Uhr auf dem Kulturmarkt Zürich
8. und 9. 6. 18 in Kreuzlingen
Video unter
Von Inka Grabowsky
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