von Zora Debrunner, 20.04.2018
Wie die Musikschule Weinfelden ihren 50. Geburtstag feiert
Mit einer grossen Jubiläumswoche feiert die Musikschule Weinfelden ihr 50-jähriges Bestehen. Wie geht es der Schule heute? Wir sprachen mit dem Schulleiter, einer Lehrerin und einem Schüler
Von Zora Debrunner
Die Musikschule Weinfelden feiert ihr 50-jähriges Jubiläum. Ernst Klarer gründete am 18. November 1968 die Ernst-Klarer-Stiftung und schaffte damit die finanzielle Basis für die Gründung der Musikschule. Seither ist viel Wasser Thur und Giessen heruntergeflossen, aber die Idee ist immer noch dieselbe: Jeder und Jede kann Musik machen – wenn man es denn will. Aber wie sind die Menschen an dieser Musikschule?
Im Gespräch mit Andreas Schweizer, dem Leiter der Musikschule, wird einem sehr schnell klar: Hier hat man es mit einem für Musik begeisterten Menschen zu tun. Er setzt sich seit 1999 als Schulleiter für seine Schülerinnen und Schüler ein. Schweizer beschreibt, wie die Musikschule 2007, nach 28 Jahren in der Falkenstrasse 2, in das jetzige Gebäude an der Ringstrasse umziehen konnte. „Die Gemeinde Weinfelden hatte vor 11 Jahren die Chance, diese Liegenschaft zu erwerben. Sie hat eine sensationelle Lage am Verkehrsknotenpunkt und ist deshalb auch für unsere Gäste und Partner sehr begehrt.“ Heute gehen wöchentlich zwischen 2500 und 3000 Menschen in der Musikschule ein und aus.
Andreas Schweizer, Leiter der Musikschule: „Der Thurgau ist Taktgeber bei der Begabtenförderung!“ Bild: Zora Debrunner
Musik als kulturelle Basisbildung
Vertragspartner der Musikschule, das sind ca. zehn Gemeinden, tragen den Verein. Es kommen jedoch aus 43 Gemeinden Schülerinnen und Schüler nach Weinfelden. Damit hat die Musikschule Weinfelden das grösste Einzugsgebiet des Kantons. Das liegt einerseits am grossen, qualifizierten Lehrkörper, aber auch dem speziellen Angebot, das sowohl aus breiter Zusammenarbeit mit der Basis als auch der Begabtenförderung besteht. Schweizer sieht den Erfolg der Musikschule Weinfelden im Konzept namens Pflege der Pyramide: „Ohne Breitenförderung gibt es keine Spitze. Und ohne Begabtenförderung keine Breitenförderung.“
Als Andreas Schweizer vor fast 20 Jahren seine Stelle als Schulleiter antrat, besuchten 400 Schüler die Musikschule Weinfelden. Heute sind es über 2000. „In den letzten Jahren gab es immer wieder ehemalige Musikschüler, die Kulturförderungsbeiträge des Kantons Thurgau erhalten haben. Dies geschah aber nicht unbedingt in den Kunstrichtungen Musik und Tanz, sondern beispielsweise als Videokünstler.“ Er weist damit auf die wichtige Rolle der Musikschule im Bereich der allgemeinen, kulturellen Basisbildung hin und spricht auch den Lehrplan 21 an. Das ist eine riesige Herausforderung und die Ziele sind hierbei sehr hoch gesteckt, so Schweizer. Die Musikschule Weinfelden bietet ergänzenden Unterricht und Freifächer an – und sei ein Kompetenzzentrum in Sachen Integration, durch die musikalische Bildung für Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder mit Migrationshintergrund.
Fehlende Wahrnehmung ist ein Problem
Die Musikschulen seien wichtige Kulturträger in der Region, aber auch Kulturveranstalter. „Es ist manchmal schade, dass wir noch zu wenig als Kulturpartner wahrgenommen werden“, gibt Andreas Schweizer zu bedenken. Er fragt sich auch, ob der jetzigen Kulturförderung bewusst ist, welche Leistungen an der Musikschule erbracht werden. Er nennt als Beispiel das Jugendorchester Thurgau, welches nun nach Neubrandenburg eingeladen wurde. Vor einigen Wochen spielte das gleiche Orchester drei Mal Brahms 4. Symphonie. „Wahnsinn“, sagt Schweizer, „nehmen die Entscheidungsträger wahr und ernst, was im Thurgau in Sachen Kultur passiert?“
Auf die Frage, warum es eventuell nicht wahrgenommen wird, lächelt Schweizer. „Vielleicht liegt es ja am Thurgauer Mittelmass? Böse Zungen sagen, es hängt damit zusammen, dass der Thurgau bis 1803 Untertanengebiet war.“ Dabei sei der Thurgau Taktgeber bei der Begabtenförderung, das Modell der Musikschule Weinfelden bei anderen Kantonen hoch angesehen.
Besseres Spiel durch Technik
Alois spielt seit 4 Jahren Klavier und Percussion. Er bestand vor anderthalb Jahren die Prüfung zur Begabtenförderung und spezialisiert sich nun auf Marimba, das man mit vier Schlägern spielt. Vorher lernte er in Frauenfeld, jetzt in Weinfelden. Er schwärmt vom angenehmen Unterricht. Die Lehrer seien nett, er lerne Instrumentaltechnik und könne so grundlegend besser werden. „Am Marimba gefällt mir, dass es ähnlich wie das Klavier klingt – und auch so zu spielen ist.“ Wir fragen ihn nach seinen Zukunftsplänen. Zuerst will Alois an die pädagogische Maturitätsschule Kreuzlingen und die Matura machen. Er weiss aber noch nicht, ob er tatsächlich Berufsmusiker werden will oder dann doch etwas anderes studieren wird.
Alois, seit anderthalb Jahren im Begabtenförderungsprogramm, spezialisiert sich auf Marimba. Er schwärmt vom angenehmen und lehrreichen Unterricht an der Musikschule Weinfelden. Bild: Zora Debrunner
Förderung mit Augenmass
Joelle Neagu arbeitet seit 11 Jahren an der Musikschule, seit zehn Jahren in der Funktion als Leiterin Tanz. Sie unterrichtet Ballett; ab 3 Jahren gibt es das Angebot „kreativer Kindertanz“. Hierbei lernen die Kinder, ihren Fantasien freien Lauf zu lassen. Schon ab 4 können die Kinder in Weinfelden auch mit klassischem Ballett beginnen. Sie lernen die Grundpositionen, machen Rhythmusübungen und finden sich durch Koordination im Raum zurecht. Joelle Neagu machte ihre Ausbildung in München, hatte eine eigene Schule in Frauenfeld. Warum arbeitet sie nun ausgerechnet an der Musikschule Weinfelden? „Es macht mir einfach unheimlich viel Spass“, sagt sie. An der Musikschule gäbe es die Möglichkeit, viele Projekte mit Livemusik zu machen. Neagu kann hier ihre kreative Ader ausleben und Programme auf die Beine stellen. „Diese Möglichkeiten hat man nicht an vielen Orten.“
Joelle Neagu, Leiterin Tanz: „An der Musikschule gibt die Möglichkeit, viele Projekte mit Livemusik zu machen.“ Bild: Zora Debrunner
Neagu findet ihre persönlichen Highlights in den Produktionen mit Schülerinnen und Schülern, der Möglichkeit, dass diese sich in Bühnenauftritten üben können. Sie erwähnt aber auch die Begabtenförderung, die sie ebenfalls unterrichtet. „Das ist Tanz auf einem hohen Niveau, das es sonst im Kanton nicht gibt.“Joelle Neagu beschreibt aber auch, dass die heutigen Kinder gewisse Bewegungen nicht mehr beherrschen und anatomische Abläufe üben müssen. Es vollziehe sich ein Wandel. Sie findet es beängstigend, wie sich dies verändert hat. Eltern, die ihren Kindern Tanzunterricht ermöglichen wollen, rät sie, dass die Freude an der Bewegung und die Lernbereitschaft das wichtigste ist. „Es ist alles lernbar!“ Schwierig werde es jedoch, wenn die Eltern wollen – aber das Kind nicht. Damit tue man dem Kind keinen Gefallen.
In der Jubiläumswoche vom 23. bis 29. April fällt der Unterricht an der Musikschule Weinfelden aus. Die ganze Bevölkerung ist eingeladen, Workshops, Konzerte und den Konzertmarathon am Freitag zu besuchen. Die grossen Jubiläumsaufführungen „Eine Weinfelder Musikgeschichte“ im Thurgauerhof am Samstag und Sonntag bilden den Abschluss der Festwoche.
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