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von Manuela Ziegler, 09.09.2024

Gemeinsam Druck machen

Gemeinsam Druck machen
Typorama: Idyllisch an der Thur gelegen, eingebettet ins Ensemble der Papierfabrik | © Manuela Ziegler

Nachwuchs dringend gesucht: Wie das Typorama Bischofszell künftig auch junge Menschen und Künstler:innen einbinden will, um das Museum zu erhalten. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Entlang eines Seitenarms der Thur führt der Industrielehrpfad zum Areal der ehemaligen Papierfabrik Laager in Bischofszell. Auf diesem historischen Gelände hat auch das Typorama, Museum für Satz und Druck, in den Nullerjahren sein neues Zuhause gefunden.

Seine Ursprünge liegen in der einstigen Privatsammlung des Gossauer Schriftsetzers und Korrektors Paul Wirth, der im Jahr 1979 mit dem Kauf einer Linotype Ideal aus dem Jahr 1912 den Grundstein für eine Ausstattung gelegt hat, welche heutzutage die Entwicklung von hundert Jahren Setzmaschinenbau zeigt.

Produktionsstätte in Betrieb

„Wirth wollte die Technik des maschinellen Bleisatzes für die Nachwelt erhalten, aber nicht nur zum Anschauen, sondern als aktive Produktionsstätte“, erklärt Hanspeter Mühlethaler, gelernter Drucker und seit 25 Jahren ehrenamtliches Mitglied im Förderverein Typorama, zum Auftakt des Gesprächs. Mit der Sammlertätigkeit von Wirth entstand eine komplette Buchdruckerei, von deren Erträgen er sein Einkommen bestreiten konnte.

Um die Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und das Platzproblem von immer mehr Maschinen zu lösen, wurde 1997 der Förderverein gegründet. Bald darauf zügelte die Sammlung von St. Gallen auf das Gelände der weitgehend denkmalgeschützten Papierfabrik. Die Stadt habe das Areal nicht kaufen wollen, stattdessen erwarb es die Baufirma Koch und vermiete nun die Liegenschaften, weiss Mühlethaler.

 

Hans Mühlethaler, pensionierter Buchdrucker, und ehrenamtlicher Mitarbeiter zeigt ein Modell der Gutenberg-Druckpresse. Bild: Manuela Ziegler

 

Viele Fronstunden stecken im neu renovierten Büro und Eingangsbereich. Bild: Manuela Ziegler

Historisch gewachsene Struktur

Der Erhalt des historischen Ensembles sei auch ein Glücksfall für das Typorama. Im Blick auf die Zukunftssicherung hat sich dessen Organisationsform immer wieder verändert. Seit 2011 gebe es die Stiftung gleichen Namens als Besitzerin der Einrichtungen und Maschinen, die auch Fördergelder, Spenden und Legaten verwalte. Der Gründungsvater Paul Wirth war 2019 zurückgetreten. Deshalb wurde die GmbH gegründet, deren Geschäftsführer Percy Penzel ist. Er finanziere seine Stelle vor allem selbst durch Eintritte, Druckaufträge und die Reparatur von Buchdruckmaschinen europaweit. 

GmbH, Stiftung und Förderverein müssen zusammenspannen, damit es läuft. Dafür hat auch Penzel schon einiges investiert. Während sechs Jahren hatte er sich ins Metier eingearbeitet und auch den Beruf des Schriftsetzers erlernt. Seine „Gautsche“, das Bad im Brunnen, das den Lehrling nach bestandener Abschlussprüfung erst zum Gesellen macht, hängt als Foto an der Wand neben vielen Urkunden von Druckern und Schriftsetzern. Penzel ist leider ferienhalber abwesend und so amtet Ehrenamtler Mühlethaler im Gespräch statt seiner. „In der jüngeren Zeit hat sich unser Schwergewicht verlagert von dem Geschäft mit der Druckerei, hin zur Museumsarbeit“, bilanziert der gelernte Buchdrucker. 

Das berge viele neue Herausforderungen, was die Einarbeitung in museale Tätigkeiten wie Führungen und Workshops angeht. An fünf Tagen die Woche sei das Museum geöffnet, das geht nur mit Frondienstlern.

Video: arttv.ch über das Typorama (2020)

Liebhaber-Objekte der Schwarzen Kunst 

Nicht ohne Stolz zeigt der leidenschaftliche Mitarbeiter den mithilfe vieler Fronstunden renovierten Eingangsbereich mit Ausstellungsvitrinen, Bibliothek, Büro, und der Küche des Hauses. Es seien glücklicherweise im letzten Jahr noch Lotteriefondsgelder für den Umbau gesprochen worden.

Geht man weiter hinein in die große Halle, fühlt man sich in der Zeit um ein Jahrhundert zurückversetzt. Linksseits stehen nach Baujahr aufgereiht, die ersten Zeilensatz- Maschinen, so genannte Linotypes. Seit einiger Zeit sind die Exponate beschriftet und mit QR-Code ausgezeichnet, so dass sich Besucher:innen auch selbst zurechtfinden können. Den größten Teil des Raumes nehmen jedoch die acht Handsetzgassen ein, Setzkastenschränke mit Hunderten von Schriftgarnituren.

„So ein Schrank ist in den Fünfzigerjahren 11‘000 Franken wert gewesen. Damals musste ein Schriftsetzer 1500 Zeichen in der Stunde setzen, um seine praktische Abschlussprüfung zu bestehen“, weiss der Fachmann und zieht eine der Schubladen mit den Bleilettern des Alphabets auf. Anschliessend nimmt er einen großen Ordner aus dem Schuber und öffnet ihn, um die gedruckte Schriftart zu zeigen. Der „Schriftenreigen Band II“, ein Schriftenverzeichnis von Bleisatzlettern, welches Wirth während zehn Jahren erstellt habe, sei bereits wieder überholt, weil neue Schriften hinzugekommen seien.

 

Hier wird „gegautscht“: Der Schriftsetzer-Lehrling wird buchstäblich zum Gesellen getaucht.

 

Blick in ein der Handsetzgassen, in der früher auch ein Art Akkord geleistet wurde. Bild: Manuela Ziegler

Druckerzeugnisse mit Charakter

Bei den Druckmaschinen verlief die Entwicklung anders. Im angrenzenden Maschinensaal sind die Druckpressen, angefangen von einer Kniehebel-Handpresse ähnlich wie auch Gutenberg sie verwendet hat, ausgestellt. Mühlethaler demonstriert deren Funktionsweise mit und ohne Handanlage, manuell oder elektrisch betrieben.

Der Druck habe sich zweispurig entwickelt, erläutert der Fachmann. Für Kleindrucksachen wie Post-, Einladungs- und Visitenkarten dienen die Tiegelpressen, für grosse Formate wie Tageszeitungen und Bücher die Schnelldruckpressen. Immer stärker seien die gestanzten oder geprägten Karten auf verschieden dicken Papieren gefragt: In Zeiten von schnelllebigen, austauschbaren Digitaldrucken stehen sie für Individualität, Beständigkeit und sind als Kunstprodukt auch zum Aufbewahren schön. „Die zukünftigen Potentiale liegen unter anderem im Perforationsdruck für selbstklebende Folien“, meint der Frondienstler an einer Maschine stehend.

Erbe im Ehrenamt bewahren

Seit fünf Jahren arbeitet der 75-jährige Pensionär aktiv mit, bietet Führungen durchs Museum, sowie Buchbinde- und Druckworkshops an. „Ich habe mir das Wissen um die Entstehung der Sammlung im Lauf der Jahre angeeignet“, sagt er. Fachliches Know-how brachte er aus seinem Beruf als Drucker mit, und hat sich das Buchbinden in seiner Freizeit beigebracht.

„Hans, was machsch in Zukunft?“, fragte er sich selbst nach seiner Pensionierung. Die Antwort war schnell gefunden. In seinem eigenen offenen Atelier fertigt er selbst schon länger Holz- und Linoldrucke und beliefert auch den Museumsshop mit von Hand gedruckten Karten. So haben alle der rund 20 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen ihre Steckenpferde. Die meisten seien von Haus aus gelernte Drucker oder Setzer oder auch Quereinsteiger, beseelt von der Idee, ein traditionsreiches Erbe vor dem Vergessen zu bewahren. Und das sei nicht so einfach.

 

Von Hand gemacht: Eine Beispielseite des „Schriftenreigens“, einem Verzeichnis aller Schriften im Haus. Bild: Manuela Ziegler

 

Setzkasten mit Bleilettern: Der Wertverfall des Schranks innert knapp hundert Jahren ist riesig. Bild: Manuela Ziegler

Vermittlung weiter stärken

Der Förderverein zähle rund 300 Mitglieder, aber die Zahl schrumpfe und zur aktiven Mitarbeit könnten die wenigsten gewonnen werden. Ein Phänomen das viele Vereine heimsucht. Das Vermittlungsangebot reicht mittlerweile von den Führungen und Workshops für Gruppen und Schulklassen bis hin zu speziellen Kursen wie Buchbinden, Linotype, und Linolschnitt. „Wir als Ehrenamtler möchten wegkommen vom Scheuklappendecken, dass nur brancheninterne Fachleute bei uns arbeiten können, sondern uns öffnen für alle Interessierten, vor allem junge Menschen, Praktikanten, Künstler, und ihnen die Besonderheiten des Handwerks beibringen, denn sonst kann irgendwann niemand mehr mit diesen Maschinen umgehen“, meint er.

Wer also neugierig ist auf eine sinnlich erfahrbare Arbeitsweise mit klopfenden und knatternden Geräuschen, wie es sie kaum mehr gibt, und wer sich die Hände schmutzig machen möchte, um später beglückt sein eigenes Druckerzeugnis in Händen zu halten, ist hier also goldrichtig.

 

Der etwas andere Maschinenraum für kleine und grosse Drucksachen, die hier noch produziert werden. Bild: Manuela Ziegler

 

Das Typorama - ein lebendiger Lernort

Mit Handsetzerei, Setz- und Druckmaschinen aus dem 19. Und 20. Jahrhundert wird das traditionelle Fachwissen mit Bleisatz und Buchdruck bewahrt und gefördert. Im Typorama Bischofszell lässt sich erfahren, dass das Drucken vor sechshundert Jahren von Johannes Gutenberg erfunden wurde. Seine Verwendung beweglicher Lettern revolutionierte ab 1450 die herkömmliche Methode der Buchproduktion (die Handabschrift). Diese Druckart wird im Typorama noch heute verwendet. Auf Bestellung werden auch spezielle Druckwerke nach eigenen Wünschen hergestellt. In der Ausstellung sind 13 verschiedene Typen Bleisetzmaschinen einsatzbereit. Im Maschinensaal stehen knapp 20 Pressen von der handbetriebenen aus dem 15. Jahrhundert über Tiegel-Schnellpressen bis hin zu Automatenpressen des 20. Jahrhunderts als der Offsetdruck einsetzte. Jeden ersten Sonntag im Monat finden öffentliche Führungen statt.

 

Das Museum im Internet: https://typorama.ch/

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