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von Barbara Camenzind, 13.11.2024

Schläft ein Lied in allen Dingen

Schläft ein Lied in allen Dingen
Dj-Musik aus Bettfedern und Plastikschläuchen: Max Castlunger und seine „Techno Spring Drum“, daneben der „Tubophon Octaver“. | © Barbara Camenzind

Der Südtiroler Vollblut-Musiker Max Castlunger entwickelt mit Hingabe und Witz Musikinstrumente aus Zivilisationsrückständen. „Upcycling Music“ ist eine Ausstellung und ein brückenbauendes Projekt zwischen den Generationen. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Die Antwort auf die Frage:„Was war zuerst da? Die Melodie oder der Rhythmus?“, kam wie selbstverständlich. Natürlich der Rhythmus. Tag und Nacht, Wiederholungen im Balzruf der Vögel, unser Herzschlag. Für Max Castlunger, Perkussionist und Musiker aus Leidenschaft, scheinen alle Dinge, denen er begegnet, beseelt von Klang und Klangstruktur zu sein. Der Südtiroler, ladinische Muttersprache, Sohn eines Schmieds, scheint früh gelernt zu haben, mit wachen Sinnen durchs Leben zu gehen. Und mit Ohren, Bauch und Händen zu fühlen. Alles hat für ihn einen klingenden Ursprung, ähnlich wie im Gedicht von Joseph von Eichendorff „Schläft ein Lied in allen Dingen“.

So begann seine Führung im Thurgauer Naturmuseum (das Projekt ist eine Gemeinschaftsproduktion mit dem im selben Haus sitzenden Museum für Archäologie) auch passend mit dem sonoren Buuuh eines Muschelhorns. Sein Lithophon, ein Schlagwerkinstrument aus Südtiroler Schiefer, verzauberte seine Gäste sofort. Die dann flugs mit Tanzrasseln mitspielen mussten, aus Pflanzenhülsen - oder aus Computertastatur, die Journalistin habe ja viel zu tippen.

Max Castlunger schenkt seinen grossen und kleinen Besucherinnen basale Musikerfahrungen und er schafft es herzlich routiniert, sich sofort auf die Ebene der Kinder zu begeben, ohne sich mit ihnen anzubiedern. Das motiviert und schafft Respekt.

Video: So klingt eine nachhaltige Kalimba

Weltreisen in die Nähe

Castlunger, der einen ganzen Monat lang das schöne Haus im Herzen Frauenfelds bespielt und unter Klang setzt, scheint eine Art musikalischer Schatzsucher zu sein. Ganz, wie es Mark Riklin und Selina Ingold in ihrem Buch „Stadt als Bühne“ beschreiben, ist Max Castlunger ein musikalischer Schatzsucher.  

Einer, der in Alltagsgegenständen etwas Besonderes entdeckt. Seien es Südtiroler Weinfässer, die er zu Trommeln umbaut, oder die Felle, die vom Wild aus der heimischen Jagd stammen. Tierhaut, die heutzutage einfach weggeworfen würde, anstelle zu Ranzen, den Tiroler Trachtengürteln verarbeitet, wie er erklärte. Mit viel dolomitenromanischem Mutterwitz und Poesie versehen, bekamen auch alle seine Instrumente schöne Namen. Wie die grosse Trommel „Löna“, wie Mond auf ladinisch heisst.

Liegengebliebene Leitungsrohre und Flipflops als Schläger ergaben eine wunderbare Marimba, die zusammen mit dem Drumset aus Bettfedern „Techno Spring Drum“ getauft wurde. Vergesst die teure Lounge am Strand mit der Clubmusik, wenn man diese mit dem Zivilisationsschrott am Strand gleich selber machen kann.

 

Grausiges Dolomitengespenst. Max Castlunger und seine Spina de Mül. Bild: Barbara Camenzind

Nachhaltigkeit und Tiefgang

Max Castlungers Biografie zeugt von grosser Neugier an der Musik der Welt, mit Fokus Perkussion. Hörte man ihn auf seinen Instrumenten spielen, war den Zuhörenden sofort klar, der Mann beherrscht vom indischen Tabla-Spiel bis zur japanischen Kodo-Drum-Kunst weltläufiges Perkussionshandwerk und vernetzt es mit seiner ureigenen Lust am Experiment.

Wie sein Landsmann Herbert Pixner, der die steirische Ziehharmonika zum Weltmusikinstrument adelte, zauberte Max vor seinen staunenden Gästen aus einer Satellitenschüssel die fein verstärkten Töne einer Kalimba. Sie, die Schüssel, habe ihr Leben lang so viel empfangen, nun, als Musikinstrument, dürfe sie nun schöne Töne ausstrahlen, erklärte er schlicht. Ein alter Schminktisch wurde zum persischen Santur, einer Urform des Hackbretts. Und immer wieder schenkte er an diesem Nachmittag Kindern und Erwachsenen die Möglichkeit, mitzuspielen, indem er sie behutsam, aber auch präzise anleitete. Takt halten sei wichtig, sowie der taktvolle Umgang mit den Instrumenten, auch wenn ihre Bauteile vom Schrottplatz stammen.

Die grausige Spina de Mül, ein Sagenwesen aus den Dolomiten schrie aus einem bearbeiteten Metallblech, das mit Gummibesen in Schwingung versetzt wurde, um vom Schlüsselkarussell „Bella Schlauch“, welches das Lied „Bella Ciao“ klimperte, wieder beruhigt zu werden. Die Schweizer hätten die Drehorgel erfunden, die Südtiroler das Schlüsselkarussel. Se non è vero è ben trovato, Meister Castlunger.

Video: Zauberhaftes Schlüsselkarussel

Hingehen lohnt sich! 

Wer sich für Urmusik, Perkussion, Klangerlebnisse und Klangerzeugung interessiert, für den ist die Ausstellung im Naturmuseum Frauenfeld fast ein Muss. Gerade für Schulklassen ab Zyklus 2 eignet sich die Musizierstunde mit Alltagsgegenständen perfekt.

Der Künstler hat sehr viel Erfahrung im Umgang mit Schulkindern, baut sofort eine gute Beziehung zu ihnen auf und strukturiert sein Erlebnis altersgerecht. Cool ist auch die Kombi mit dem Angebot des Naturmuseums, Musik, Rhythmus und Melodie sind natürliche Grunderfahrungen aller Lebewesen auf der Erde. Und Nachhaltigkeit ist unsere Zukunft.  

Max Castlunger ist noch bis 1. Dezember im Naturmuseum Thurgau in Frauenfeld zu erleben, weitere Informationen zu seinen Angeboten und Workshops, sowie den Angeboten für Schulklassen (Unkostenbeitrag Fr. 80.- für die ganze Klasse)  findest du hier

Video: So klingen die Techno Spring Drums

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