von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 12.12.2019
Abtauchen ins #neuland
Auf dem Weg ins digitale Zeitalter: Das Seemuseum Kreuzlingen ist Teil der Engagement-Migros-Initiative „digitorials.ch". Ziel dabei ist es vor allem, die Inhalte des Museums digital ansprechender zu vermitteln.
In Museen mangelt es oft nicht an spannenden Geschichten. Was eher fehlt sind Vermittlungsformate, die diese Inhalte so interessant erzählen, dass sie auch ein Publikum finden. Das ist ein Punkt an dem die Initiative „digitorials.ch" von Engagement Migros ansetzt - sie will Museen helfen, ihre Geschichten besser zu erzählen und setzt dabei voll auf digitale Vermittlungsformate, um die Museen ins #neuland namens Internet zu führen. Diese so genannten Digitorials (zusammengesetzt aus den Begriffen Digital und Editorial) sind im Wesentlichen hübsch gestaltete Websites mit multimedialen Inhalten, die auch leicht über sozialen Medien geteilt werden können. Sie sollen das Publikum vor dem Museumsbesuch einstimmen und ihm danach als Nachschlagewerk dienen. Kürzer als ein Ausstellungskatalog, aber eben auch interaktiver.
Neben dem Kunstmuseen Basel, Luzern, Bern, dem Kunsthaus Zürich und dem Museum der Kulturen Basel, wurde auch das kleine Seemuseum Kreuzlingen für das drei Jahre dauernde Projekt aus mehr als 40 Bewerbern ausgewählt. Aus dem Kanton Thurgau hatte sich auch das Napoleonmuseum Arenenberg beworben, wurde aber nicht berücksichtigt. „Für uns ist es eine Auszeichnung in diesem illustren Kreis dabei zu sein. Es adelt das, was wir hier in den vergangenen Jahren aufgebaut haben“, sagt Museumsleiterin Ursula Steinhauser im Gespräch mit thurgaukultur.ch
Wenn Theorie und Praxis zusammenkommen
Innerhalb des Projektes sind verschiedene Dinge geplant. „Es geht uns darum, die Museen dabei zu unterstützen, den digitalen Wandel aktiv zu gestalten. Das funktioniert nicht nur in der Theorie, sondern muss in der Umsetzung konkreter Projekte praktisch gelebt werden“, sagt Britta Friedrich, Projektleiterin Engagement Migros zu den Hintergründen.
Neben viel strategischer Arbeit hinter den Kulissen wird das Publikum dies vor allem anhand eines noch zu entwickelnden Digitorials für das Seemuseum Kreuzlingen bemerken. „Wir wollen uns hierbei auf die Geschichte des Dampfschiffes ‚Jura‘ konzentrieren“, sagt Julian Fitze, zuständig für die Vermittlung von Inhalten am Seemuseum. In der Ausstellung werde dazu zwar schon einiges zusammengetragen, das Digitorial soll die Geschichte für die Besucher aber noch greifbarer und spannender machen. Zur Erinnerung: Die Jura war 1864 nach einer Kollision mit einem anderen Schiff vor Bottighofen gesunken. Drei Menschen kamen damals ums Leben. Das Schiffswrack liegt heute noch immer auf dem Grund des Bodensees. Es gilt als eines der besterhaltenen Wracks eines Dampfschiffes.
Das Seemuseum will die Geschichte der ‚Jura‘ aufbereiten
Ziel der Digitorials ist es, dass sich die Menschen schon vor ihrem Besuch mit den Inhalten beschäftigen können. Wie das aussehen könnte, zeigen Beispiele des Frankfurter Städelmuseums und des Kunstmuseum Luzern. „In der Ausstellung können wir einzelne Exponate zeigen, wir können aber nicht die ganze Geschichte erzählen. In einem Digitorial können wir diesen Rahmen erläutern. Über kluges storytelling in Texten, Bildern und Videos wollen wir die ‚Jura‘ an die Oberfläche holen“, sagt Ursula Steinhauser. Mit solchen Werkzeugen könnten die Museen ihrem Bildungsauftrag auch im digitalen Zeitalter nachkommen, ist die Museumschefin überzeugt.
In der Ausstellung selbst soll der Fokus auf den physischen Exponaten bleiben. „Es geht uns nicht um Digitalisierung um jeden Preis, die Besucherinnen und Besucher sollen nicht nur noch alles durch ihr Smartphone betrachten. Wir wollen vor allem eine zeitgemässe Form finden, wie wir die all die wissenswerten Geschichten um die ‚Jura‘ auch für kommende Generationen erhalten“, erklärt Ursula Steinhauser. Wenn alles gut läuft, soll das erste Digitorial des Seemuseums im Sommer 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Video: Unterwasseraufnahmen von der Jura (Andrew Haller)
Hintergründe zum Projekt „Digitorials“
Das Digitorial® ist eine Marke der Frankfurter Museen SCHIRN, Städel und Liebieghaus und wurde als kostenloses, digitales Vermittlungsangebot von den drei Frankfurter Häusern konzipiert und vielfach realisiert. Laut Selbstbeschreibung der Entwickler bietet das Digitorial „Hintergründe und Informationen zum kunst- und kulturhistorischen Kontext. Mit ihm erhalten Besucherinnen und Besucher schon vor ihrem Ausstellungsbesuch spannende Einblicke in die Themen, die mit innovativem Storytelling und einer explorativen Userführung leicht zugänglich aufbereitet sind.“
Für die Schweiz wurde das Projekt nun mithilfe des Förderfonds Engagement Migros adaptiert. Der Förderfonds ermöglicht „Pionierprojekte im gesellschaftlichen Wandel, die neue Wege beschreiten und zukunftsgerichtete Lösungen erproben“, heisst es in einer Medienmitteilung. Der wirkungsorientierte Förderansatz verbinde finanzielle Unterstützung mit coachingartigen Leistungen. Engagement Migros wird von den Unternehmen der Migros-Gruppe mit jährlich circa 10 Millionen Franken ermöglicht und ergänzt seit 2012 das Migros-Kulturprozent. Im Internet: https://digitorials.ch
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter
- In acht Schritten zum eigenen Kunstraum (21.11.2024)
- Alte Mauern, neue Gedanken (11.11.2024)
- Auf Kinderaugenhöhe (21.10.2024)
- Was hält uns zusammen? (16.10.2024)
- «Falsch gespart»: Kritik am Sanierungs-Stopp (15.10.2024)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Wissen
Kommt vor in diesen Interessen
- Kulturvermittlung
- Geschichte
- Archäologie
- Digital
- Technik
- Bodensee
Ähnliche Beiträge
In acht Schritten zum eigenen Kunstraum
Wer einen eigenen Ort für künstlerische Arbeit sucht, steht erstmal vor vielen Fragen. Wir geben eine Anleitung, wie es leichter werden kann. mehr
Wissen macht glücklich
«Wie wir arbeiten» (2): Kaum jemand schreibt schon so lange für uns wie Inka Grabowsky. Für sie ist das Gefühl, wenn der Groschen fällt, unbezahlbar. mehr
Schauplätze des Zweiten Weltkriegs im Thurgau
Die Frauenfelder Sonderausstellung «Fliegeralarm – Konfliktarchäologie im Thurgau» begibt sich auf Spurensuche. mehr