Seite vorlesen

von Barbara Camenzind, 27.03.2025

Amerikas bunte Klangseite

Amerikas bunte Klangseite
Haben zusammen ein tolles Konzert auf die Beine gestellt: Swing Kids und das Jugendorchester Thurgau. | © Barbara Camenzind

Dai Kimotos Swing Kids und das Jugendorchester Thurgau vereint in einer Konzertreihe: Das klingt nach ganz viel Spass für alle, die dabei waren in der vollen katholischen Kirche Weinfelden. Auf der Bühne. Und davor. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Nat King Cole, Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Dean Martin, die Andrews Sisters… jede, die ein bisschen dem alten Hollywood, oder dem Broadway nach-schmachtet, wurde an diesem Frühlingssonntag sofort abgeholt. Und das in der knalligen Hallenakustik der katholischen Kirche, die so gar nicht nach Club klingt. Dirigent Gabriel Estarellas Pascual, im schicken blauen Blazer vor seinem Orchester in bunten Outfits, dirigierte locker flockig durch die schicken Harmonien in „April in Paris“ von Vernon Duke - und durchs ganze Konzert.

Die Zusammenarbeit mit den Swing Kids und ihrem „Dixie-Meister“ mit japanischen Wurzeln ist eine Premiere. Eine gelungene, wie das Publikum schnell feststellen konnte. Dai Kimoto lebt für diese Musik, das war spürbar. Er war auch der charmante Conférencier, der durchs Programm führte und durch herzige Anekdoten da und dort ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

Er spielte sogar selber mit, da ein Trompeter seiner Band ausgefallen war. Da der gerade eine Zahnspange bekommen hatte, wie er augenzwinkernd erklärte. Krass schön, wie gut seine Kids bei „Sing, Sing, Sing“ intonierten. Und das mit einem Schlagzeugsolo, welches Benny Goodmans  Gene Krupa zur Ehre gereichte, anno 1936.

 

Gefühlvolle Interpretin von Gershwins Melodien: Sängerin Isabelle Nahrstedt. Bild: Barbara Camenzind

Musikalischer Schmelztiegel

In diesem Crossover-Konzert setzte nicht nur die junge Bigband Massstäbe, auch das Jugendorchester liess sich nicht lumpen. Jazz Pizzicato von Leroy Anderson lieferte das Neue-Welt-Feeling vom ersten gezupften Ton an. Und dann kam George Gershwin und lud ein zur blauen Stunde. Sängerin Isabelle Nahrstedt lag der von Dai Kimoto liebevoll arrangierte Evergreen „Summertime“ wunderbar in der Kehle.  Gross, zart und voller Sehnsucht: Das Leben ist leicht. Egal was ist.

Das klug zusammengestellte Konzert bestach durch seine Bandbreite: Mit Aaron Coplands „Hoe Down“ stand ein amerikanischer Klassiker auf dem Programm, der musikantische Dreingaben der Einwanderer aus Irland und Schottland, dem Square-Dance mit dem Puls der grossen Metropole verband. Anthony Plog, der mit seinem Nocturne für Horn und Streichorchester symphonische Grösse in den Abend brachte, bekam in Solist Janik Engl einen geschickten, feinsinnigen Interpreten für seine grossen Linien.

Swing ist ein Guerilla-Kämpfer

Es ist nicht nötig, seine Nase all zu tief in ein Geschichtsbuch zu stecken, um das zu begreifen. Swing, der Jazz an sich, war immer eine Antithese zu den Diktaturen. Im 20. Jahrhundert ganz besonders, er war der Sound der freien Welt. An diesem Abend sang ein Musiker mit japanischen Wurzeln, zusammen mit einem Jugendorchester und einer Bigband aus der Schweiz, George David Weiss‘ „What a Wonderful World“. Die Komposition eines jüdischen Musikers. Der Song, mit dem Louis Armstrong, ein Vertreter der People of Color, weltberühmt wurde.

Das war Gänsehaut pur, weil auch so selbstverständlich und fliessend musiziert wurde. Der Jazz, vor allem der Swing, ist ein Guerilla-Kämpfer. Ein subversiver. Er setzt auf Flexibilität, auf Freiheit,  ist frech und gleichzeitig elegant wie ein massgeschneiderter Anzug. Diese Musik ist ein Geschenk in dieser Gegenwart, beherrscht von Poltergeistern in schlecht sitzenden Jacketts, die glauben, die Welt gehöre ihnen. Die Komponisten dieses Abends, sie vertreten das bunte, elegante Amerika, eben diese freie Welt.

 

„What a Wonderful World“ Dai Kimoto berührt mit seiner Darbietung des Jazz-Klassikers. Bild: Barbara Camenzind

Viel Applaus bei den Solos

Dai Kimotos eigene Stücke, „Gracias Jeremias“ und „Julia my Hope“ passten formvollendet zu den swingenden Klassikern. Bei Leroy Andersons „Plink Plank, Plunk“, zeigten die jungen Bläserinnen und Bläser, was sie drauf haben und kassierten viel Applaus bei den Solos. Der Spass auf dem Podium übertrug sich auf die Zuhörenden, die das Konzert mit Standing Ovations honorierten.

Eines ist klar: Wir brauchen in solchen Zeiten definitiv wieder mehr Swing. Danke dafür!

 

Weitere Termine

Das Frühlingskonzert des Jugendorchester Thurgau mit den Swing Kids wird am 29. und 30. März erneut aufgeführt. Zunächst in Beringen, dann in Romanshorn.

 

Kommentare werden geladen...

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Musik

Kommt vor in diesen Interessen

  • Kritik
  • Jazz
  • Blues
  • Swing
  • Blasmusik

Werbung

Der Kulturpool: Highlights aus den Regionen

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

Kultur für Klein und Gross #24

Unser Newsletter mit den kulturellen Angeboten für Kinder und Familien im Thurgau und den angrenzenden Regionen bis Ende Mai 2025.

Kulturplatz-Einträge

Kulturelle Bildung, Kulturschaffende

Jugendorchester Thurgau

8586 Riedt bei Erlen

Ähnliche Beiträge

Musik

Konstante Veränderungen

Am 27. März spielt das transatlantische Quartett emitime im Rahmen der Release-Tour zu ihrem neuen Album «morfosis» im Kult-X in Kreuzlingen. Für den Schlagzeuger Samir Böhringer ein Heimspiel. mehr

Musik

Drei Orchester, zwei Konzerte, ein Klang

Gemeinsam stärker: Der Musikverein Tägerwilen, das Orchester Divertimento und das Campus Orchestra haben sich für besondere Konzerte am 29. und 30. März zusammen getan. mehr

Musik

Mehr Platz für Musik

Nach langer Suche haben Jugendmusik und Symphonisches Blasorchester Kreuzlingen eine neue Heimat gefunden: Seit Januar proben beide Ensembles im Kirchgemeindehaus.  mehr