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von Anabel Roque Rodríguez, 21.08.2019

Auf den Spuren von Martha Haffter

Auf den Spuren von Martha Haffter
Selbstbildnis von Martha Haffter; Sammlung Genossenschaft Guggelhürli | © Anabel Roque Rodriguez

Marta Haffter (1873-1951) ist eine Künstlerin mit einer grossen Liebe zu Paris, die aber stets aus der Metropole in ihre Frauenfelder Heimat zurückgekommen ist. Der Fokus der Ausstellung im Kunstverein Frauenfeld liegt auf der Auseinandersetzung der Künstlerin mit ihrer Heimatstadt. Die Ausstellung vereint nun rund 90 Gemälde und Zeichnungen sowie bisher unveröffentlichte Skizzen und Dokumente und gibt Einblicke in das künstlerische Schaffen. Es sind überraschende Einblicke und man fragt sich unweigerlich, wie die Künstlerin den Spagat zwischen der Bohème in Paris und dem ländlichen Frauenfeld ausgehalten hat.

Milena Oehy, die Gastkuratorin der Ausstellung, beschreibt den Fokus der Ausstellung als «eine Spurensuche in Frauenfeld, die aber auch den Anschluss nach Paris sucht» und startete Anfang des Jahres einen Aufruf, in denen sie Privatsammler aus der Region gebeten hat sich mit Werken der Künstlerin zu melden. «Wir hätten unsere Räume mehrfach füllen können». Der Kunstverein zeigt nun viele Werke, die zum ersten Mal in der Öffentlichkeit ausgestellt werden.


Einblick in die Ausstellung, mit zahlreichen Werken, die zum ersten Mal der Öffentlichkeit ausgestellt sind; Bild: Anabel Roque Rodriguez


Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden Werke mit Frauenfelder Motiven, es gibt nur drei kleinformatige Arbeiten, die Pariser Szenen zeigen, aber einige Skizzen und Werke, die in der französischen Metropole entstanden sind. Auf den Werken tauchen Stadtszenen auf, Aktskizzen geben Einblicke in ihr Studium und ein ganzer Raum ist der Badanstalt Frauenfeld gewidmet, einer ihrer Lieblingsorte. Häufig tauchen Kinder auf ihren Werken auf.


Beliebter Ort von Martha Haffter: Badeanstalt Frauenfeld; Kunstmuseum Thurgau, Kartause Ittingen

Eigens für die Ausstellung hat die Kuratorin Skizzen digitalisieren lassen und zeigt diese im Dialog mit den Werken aus dem Louvre Museum, für das Martha Haffter eine Erlaubnis erworben hat, um in der Sammlung Werke Zeichnen zu dürfen. Paris wird für die Künstlerin eine Quelle der Inspiration und ermöglicht ihr, das künstlerische Handwerk auszubauen. Sie besucht regelmässig Abendkurse in privaten Akademien für das Akt- und Kostümzeichnen und übt sich in Croquis à cinq minutes (Fünf-Minuten-Skizzen). Dabei verändert ein Modell in einem Rhythmus von etwa fünf Minuten die Stellung wechselt und zwingt den Zeichner zu einer schnellen Reaktion. Die Künstlerin hat durchaus künstlerischen Ehrgeiz und legt ihre Arbeiten, auch jene die in Frauenfeld entstanden sind, regelmässig zur Kritik bei Lehrkräften vor. Die Begabung der Schweizerin wird anerkannt, zum Durchbruch kommt es jedoch nie. «Ihre Zurückhaltung und bescheidene Art haben sie vielleicht am Erfolg gehindert» mutmasst Milena Oehy.


Original und Skizze: Martha Haffter hatte die Erlaubnis im Pariser Louvre zeichnen zu dürfen.

Eine Künstlerin und die Konventionen jener Zeit

Wenn wir über Künstlerinnen der klassischen Moderne sprechen, dürfen wir nicht vergessen, dass der künstlerische Weg für Frauen damals noch stark eingeschränkt war. So blieb Frauen bis etwa in die 1920er Jahren der Zugang zum Studium an den Kunstakademien verwehrt. In Ausnahmefällen erhielten sie Sondergenehmigungen, die mit bestimmten Einschränkungen versehen wurden. Eine künstlerische Ausbildung, ähnlich den akademischen Ausbildungsmöglichkeiten für Männer, war meist nur im Rahmen privater Ausbildungsstätten möglich. Dazu gründeten sich vielerorts private Malschulen, die allerdings sehr kostspielig sein konnten. Mit Beachtung dieses Kontexts überrascht es kaum, dass Martha Haffter als Tochter eines Regierungsrates aus gutem Hause ihren künstlerischen Weg verteidigen und ihren eigenen Weg finden musste.

Im Jahr 1900, mit knapp 27 Jahren, ging sie für ein Jahr die Damenakademie des Münchner Künstlerinnenverbandes und anschliessend für ein weiteres Jahr an das neu eröffnete Damenatelier des Porträtisten Fritz Burger nach Basel. Mit Anfang 30 beginnt ihre Liebe zu Paris, wo sie von 1902 bis 1905 an der Académie Julian unter Marcel André Baschet und François Schommer Kurse besucht. Ihr Leben lang inspirierte sie die Pariser Metropole, kehrte aber stets in ihr Elternhaus in Frauenfeld zurück.

«Man kann im Werk von Martha Haffter nicht sehen, dass sie das Zeitgenössische verarbeitet hat», sagt Milena Oehy, «aber man fragt sich, warum sie den Sprung in die Moderne nicht geschafft hat oder nicht schaffen wollte.» Ihre in Sütterlinschrift verfassten Tagebücher und ein Teil ihres privaten und künstlerischen Nachlasses wird im Thurgauer Frauenarchiv aufbewahrt. Im Umfang der Ausstellung hat es nicht mehr gereicht alle ihre Schriften zu studieren, sagt die Kuratorin ehrlich, aber dort würde man vermutlich einige Antworten auf die Fragen finden. Es gibt also durchaus noch Potenzial bei der Künstlerin neue Seiten zu entdecken.

Vielleicht gibt es auch Antworten auf die Frage, wie es zu dem Porträt einer dunkelhäutigen Frau kam, das ist der Ausstellung heraussticht. «Wir wissen nicht, wie es entstanden ist, aber es ist klar, dass es in Paris entstanden sein muss», sagt Oehy.


Gastkuratorin Milena Oehy; Bild: Anabel Roque Rodriguez

Bis zum Schluss eine Impressionistin

Im Frühling 1939 reist Martha Haffter zum letzten Mal nach Paris und wird bedingt durch die politischen Ereignisse nicht erneut zurückkehren. Sie lebte bis zum Schluss zurückgezogen in ihrem Elternhaus «Zum Nussbaum» in Frauenfeld mit der Familie ihrer jüngeren Schwester Elsa Wartenweiler.

Die Pariser Künstlerströmungen jener Jahre finden sich nicht im Werk von Martha Haffter, stattdessen bleibt sie bis zum Schluss ihrem impressionistischen Malstil treu. In Bleistift, Pastell, Aquarell, Kreide und Öl dokumentiert sie die Orte in denen sie sich aufhält. Sie orientiert sich dabei an der Pleinairmalerei aus dem 19. Jahrhundert, malt also vielfach draussen vor Ort und gehört mit ihrer Staffelei bald zum Stadtbild zum Frauenfeld. Ihr Pinselstrich ist mutig, frei und zeigt ihr handwerkliches Können.


Gehörte mit ihrer Staffelei schon fast zum Stadtbild: Martha Haffter draussen vor Ort.

Es gibt der Ausstellung eine gewisse Intimität, dass die Werke der Ausstellung von vielen lokalen Privatsammlern zur Verfügung gestellt wurden. Die Floristin Heidi Huber findet für den Spagat von Martha Haffter ein stimmungsvolles Bild. Für die Ausstellung zeigt sie zwei Tische, die an eine klassische Interieuransicht erinnern. Auf den beiden Tischen befinden sich je ein Blumenarrangement, einmal in voller Blüte und einmal verwelkt. Ein Bild, das dafür steht, dass Marta Haffter nie an beiden Orten gleichzeitig sein konnte und in der Zeit in der sie in Frauenfeld war Paris in den Hintergrund trat. Blumenstillleben haben eine lange Tradition in der Kunstgeschichte über Vergänglichkeit zu sprechen und geben der gelungenen Ausstellung eine weitere persönliche Note.


Eines der beiden Arrangements der Floristin Heidi Huber. Bild: Anabel Roque Rodriguez

Der Bezug zur Stadt Frauenfeld wird auch mit dem ausgebauten Rahmenprogramm unterstrichen. So ruft der Kunstverein zum Urban Sketching auf und die Orte an denen die Künstlerin selbst gemalt hat, aus heutiger Sicht umzusetzen. Bis zum 21. September können Werke in A4 beim Kunstverein eingereichten werden, wo es zum Kulturtag Frauenfeld am 28. September nochmal eine kleine Vernissage mit den ausgewählten Werken geben wird.

 

Umfangreiches Begleitprogramm

Die Ausstellung läuft noch bis zum 6. Oktober 2019 im Bernerhaus in Frauenfeld. Zur Ausstellung gehört eine Reihe von Begleitveranstaltungen wie Event-Porträtzeichnen, Urban Sketching,  Stadtrundgang, Ausstellungsführung, Blumen im Dialog mit Kunst, Kunstvermittlung für Schulklassen. Für Informationen zu den Begleitveranstaltungen klicken Sie hier.

 

Urban Sketching

An ausgewählten Standorten in Frauenfeld, an denen Martha Haffter viele ihrer Werke vor Ort skizzierte oder auf Karton festhielt, können Kreative die eigene Motivwelt umsetzen.
Die eigenen Kunstwerk können beim Kunstverein eingereicht werden. Eine Auswahl der eingelieferten Werke wird am Frauenfelder Kulturtag (Sa 28. September) im Bernerhaus ausgestellt.
Weitere Informationen und Anleitungen dazu auf den Plakatständern an beiden Enden der Promenade, auf dem Rathausplatz und beim Sauren Winkel, sowie in der Ausstellung.

 

 
Dauer der Aktion:
Sa 17. August - Sa 21. September 2019.

 

 

 

 

 

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