von Manuela Ziegler, 08.09.2025
Bühne frei für Mundart-Kompositionen

Das Fest der Chöre in Frauenfeld geht ab 12. September in die zweite Runde. Erstmals wurde ein Text- und Kompositionswettbewerb ausgerufen. Bekannte Thurgauer Autor:innen habe Ihre Arbeiten eingesandt. Der Musiker und Komponist David Lang und Christina Schäfer, Organisatorin, initiieren das Festival. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Im Grunde gab das Corona-Virus den Auslöser für das erste„Fest der Chöre“. 2020 sei das kantonale Gesangsfest, das nur alle fünf bis zehn Jahre stattfindet, unter anderem wegen zu wenig teilnehmender Chöre im Zuge der Pandemie abgesagt worden, erinnert sich Christina Schäfer, Organisatorin von Bühnenproduktionen und Chor-Events. Sie und David Lang, Musiker und Komponist, beschlossen, ein schlankeres Format zu lancieren, um die Vernetzung zwischen den Singenden aufrecht zu erhalten.
Rund 20 Chöre waren also 2021 nach Frauenfeld zum ersten Fest der Chöre gekommen. „Die zwei Tage standen im Zeichen des gemeinsamen Singens, was ein stärkendes Erlebnis ist“, meint Lang. „Direkt am Tag nach dem Festival trat das Impfzertifikat in Kraft, was eine Durchführung unmöglich gemacht hätte, weiss Schäfer noch genau. Die Pandemie bedeutete für viele Chöre das Aus. Doch das Singen liege laut Statistiken wieder im Trend, die Talsohle der Chöre hält der Musiker für durchschritten.
In unserer instabilen Zeit gäbe das Singen grosse Kraft. Durch die digitale Kommunikation würden der analoge Austausch und das gemeinsame Erleben wieder wichtiger, nennt er verschiedene Gründe für die Trendwende. Doch neue Konzepte sind gefragt. „Viele Menschen singen zum Beispiel lieber projektbezogen, statt sich jahrelang in Vereinen zu verpflichten.“
Mut zur Mundart
Der künstlerische Leiter Lang möchte mit dem Fest der Chöre die Entstehung neuer Chorliteratur fördern, Chöre vernetzen und den Chorgesang erlebbar machen. Deshalb hat er für den diesjährigen Anlass bereits im Herbst vergangenen Jahres einen Kompositionswettbewerb für Chormusik ausgerufen. Ostschweizer Autorinnen waren eingeladen, Mundart-Texte zur Vertonung einzusenden.
Inspiriert wurden er und seine Frau vom rätoromanischen Chorgesang aus dem Bündnerland. Es gäbe dort eine Fülle von PoetInnen, die Gedichte schrieben, meint Lang. „Ich möchte den hiesigen Autorinnen Mut machen, ebenfalls in Mundart zu dichten“, meint er. Seine Idee erntete begeisterte Reaktionen. „Wir haben 35 Texte erhalten“, sagt der Musiker. Unter anderem haben die Schweizer Grand Prix Literaturpreisträgerin Zsuzsanna Gahse, und in der Ostschweiz bekannte Schriftsteller:innen wie Eva Maria Hux, Tanja Kummer, Michelle Minelli, Tabea Steiner und Daniel Badraun ihre Arbeiten eingesendet.
Das Spektrum ist mit Slam-Poetinnen wie Martina Hügi und Piera Cadruvi, dem Musical-Texter Roman Riklin und Willi Tobler, dem Dichter und Leiter des Adolf-Dietrich-Haus in Berlingen, durchaus recht breit.
Hohe Qualitätsstandards sichern
Für die Texte gab es nur die Auflage, dass sie in hiesiger Mundart gesungen werden können. „Berndeutsch ist ein anderer Singsang“, meint Lang. Manche Texte wurden gleich mehrfach vertont, andere gar nicht. Die eingesandten Kompositionen hat eine dreiköpfige Jury aus etablierten Musikexpert:innen bewertet. Das Verfahren erfolgte anonym. „Die Jury legte sehr viel Wert auf Innovation und handwerklich solide Basis der Werke“, so der Komponist Lang.
23 Kompositionen wurden eingereicht, aber nicht alle Preise vergeben. Daher kommt es, dass in den drei verschiedenen Chorgattungen Frauen-, Männer-, und Gemischtchor, nicht immer erste, zweite und dritte Ränge ausgezeichnet wurden.
Bereits vor einem Jahr luden Lang und Schäfer die Autor:innen zum Texten ein. Ende Februar diesen Jahres war dann Einsendeschluss für die Kompositionen und im Mai wurden die Noten an die Chöre verschickt. „Es ist wichtig, dass am Ende genug Zeit bleibt, damit die von uns angefragten Chöre, das Stück innert angemessener Zeit einüben können“, weiss der Musiker. Zu hören sind die Werke nun am Prämierungskonzert am Freitagabend.
Eine Bühne für Profis und Laien
In diesem Jahr werden knapp 30 Chöre und um die 700 SängerInnen dabei sein - nicht nur aus dem Thurgau, sondern auch aus den Kantonen St. Gallen, Schaffhausen, Zürich und dem Wallis. Jeder Chor hat 12 Minuten Zeit, seine Lieder vor Publikum und Expert:innen vorzutragen und darf entscheiden, ob eine Bewertung und/oder Rückmeldung der Expert:innen gewünscht ist.
„Es ist bemerkenswert, dass auch ein Austausch zwischen weltlichem und geistlichem Gesang stattfindet,“ meint Lang. Zum Beispiel wird der Frauenfelder Oratorienchor mit dabei sein. Mit Schul- und Jugendchören seien zudem Teilnehmende aller Generationen vertreten. Die Organisatorin Schäfer legt auch Wert darauf, die hiesige Gastronomie bei der Verköstigung und Unterbringung der Chöre mit einzubinden. So kommt es immer wieder auch zu spontanen Singeinlagen in den Gaststuben. „Und es ist jedes Mal ein sehr ergreifendes Erlebnis, wenn alle aufstehen und das Thurgauerlied anstimmen“, sagt die Mitverantwortliche Schäfer über das Platzkonzert mit der Stadtmusik Frauenfeld am Samstagmittag.
Am Samstag- und Sonntagabend sind alle Interessierten zum offenen Singen in der Stadtkirche eingeladen. Lang plant diesmal eine dreistimmige Improvisation. Frauenfeld habe sich als Austragungsort bewährt, die Zuganbindung in die Schweizer Regionen sei optimal.
Gute Planung ist fast alles
Etwas mehr als ein Jahr Vorbereitungszeit liegt hinter Schäfer und Lang. Bleibt nur noch, dass sie ihr Gastro-Equipment in zwei LKWs verstauen, und zur Bewirtung rund um die Kirche mitbringen. Durch ihre jahrelange Erfahrung mit der Organisation der Musicals „Bühne Mammern“ sei auch ein gewisser Bekanntheitsgrad und Vertrauen in die Arbeit beider geschaffen worden.
Das helfe bei der Suche nach öffentlichen wie auch privaten Sponsoren, ohne die ein solcher Grossanlass finanziell nicht zu stemmen wäre, weiss Schäfer. Auch habe sie das Ereignis wieder bewusst zeitgleich mit dem Herbst- und Erntefest organisiert, das schaffe Synergien etwa in der Infrastruktur.
Nun sind alle gespannt auf die Uraufführung. „Es ist auch für die KomponistInnen ein berührender Moment, wenn sie zum ersten Mal Ihr Stück hören“, weiss Lang.

Von Manuela Ziegler
Weitere Beiträge von Manuela Ziegler
- Kulturförderung unter der Lupe (27.10.2025)
- «Wir sind abhängig von den Eingaben» (27.10.2025)
- Durchbrennen mit Opa (14.07.2025)
- Im Wasser zuhause (02.05.2025)
- Wie ein Abend unter Freunden (03.04.2025)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Musik
Kommt vor in diesen Interessen
- Vorschau
- Chormusik
Kulturplatz-Einträge
Ähnliche Beiträge
Thurgau, dein Kammermusik-Universum
Die Kammermusikformate „Klassik im Schloss“ und „Ittinger Sonntagskonzerte“ starten ihre Saison am 26. Oktober. Eine Übersicht, was beide Programme auszeichnet. mehr
Gesang der Zeitenwende
Ein klug konzipiertes Konzertprogramm, edle Töne und dazu die passende Stimmung: Der Oratorienchor Kreuzlingen und Gäste begeisterten das Publikum mit Mozart, Bruckner und Mendelssohn. mehr
Im Auge des Jazz
Abgespeckt, dafür mit einem ausgesucht coolen Programm: Das diesjährige Generations Jazz Festival in Frauenfeld verspricht ein sattes Sound-Erlebnis. Los geht es am 26. September. mehr

