von Inka Grabowsky, 24.02.2025
Ein Aussenseiterkünstler kehrt zurück
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Vor rund 110 Jahren verbrachte Antonio Ligabue in Egnach einen Grossteil seiner Kindheit. Erst nach seiner Ausweisung nach Italien entwickelte er sich zum erfolgreichen Art-brut-Künstler. Am 1. März veranstaltet der Egnacher Kulturklub «Wanderbühne» einen Theaterabend zum verlorenen Sohn. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Der Zürcher Schauspieler Marco Michel hat sich bereits vor zehn Jahren mit Antonio Ligabue auseinandergesetzt. Er studierte das Stück «Ein Kuss» von Mario Perrotta ein und tourte damit durch die Welt – nicht übertrieben: Er spielte es auf Englisch auch in New York. Dass er jetzt damit in Egnach, dem früheren Zuhause von Ligabue, gastiert, ist einem Zufall zu verdanken.
Im August 2023 fand sich Michel aus privatem Interesse bei der Aufführung des Dramas «Lydia» in Egnach ein. «Als ich die Harfenistin, die wir für das Rahmenprogramm engagiert hatten, am Ende des Abends zum Bahnhof fahren wollte, bat einen Mann um eine Mitfahrgelegenheit. Er müsse auch zurück nach Zürich», erzählt Alfi Bissegger aus dem Organisationskomitee der «Wanderbühne».
«Wir kamen ins Gespräch, und er erzählte, dass er Schauspieler sei. Da habe ich schon mal aufgehorcht.» Als dann noch herauskam, dass der Mime in einer seiner aktuellen Produktionen einen Künstler mit Egnach-Bezug verkörpert, war das OK sofort interessiert: «Das war natürlich noch besser. Also bin ich nach Zürich, habe das Stück angeschaut und Marco Michel danach engagiert.»
Video: Trailer zum Theaterstück
Wanderbühne will das Kulturleben in Egnach bereichern
Der Kulturverein Wanderbühne hat sich seit seiner Gründung im Dezember 2016 der Belebung des Kulturlebens in Egnach verschreiben. «Wir hatten das Gefühl, es läuft kulturell zu wenig», sagt Alfi Bissegger. «Kultur sorgt doch auch für Zusammenhalt, schon einfach dadurch, dass man sich trifft.» Vier Aktive planen die Angebote: Christina Holzer als Vereinspräsidentin, ausserdem Pascal Leuthold, Alfi Bissegger und Roland Kauderer.
Rund hundert Mitglieder hat der Klub. Ihre Jahresbeiträge (hundert Franken pro Einzelperson oder 150 pro Paar) geben die finanzielle Basis für kulturelle Aktivitäten. Förderungen zum Beispiel durch den Kulturpool Oberthurgau sorgen für den Rest. Roland Kauderer ist als Praktiker dazugestossen. «Vor Kultur verstehe ich nicht unbedingt viel, aber ich weiss, wie man Parkplätze für eine Veranstaltung organisiert», lacht er.
Wieder ernsthaft betont er, dass es dem Kulturverein «Wanderbühne» darum ginge, die Vielseitigkeit in der Gemeinde zu zeigen. «Es hat mehr bei uns als nur einen Turn- und einen Musik-Verein. Deshalb organisieren wir Lesungen, Theatervorstellungen, Konzerte oder Ausstellungen – und vorm Schwingfest auch mal einen Schwinger-Talk.» Konkret sind in diesem Jahr noch am 24. Mai eine Disko, am 18. Juni eine Lesung mit Usama al Shamani und im November eine Lichtinstallation geplant.
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Was der Name Wanderbühne bedeutet: Immer an anderer Stelle
Vielfältig sind auch den Veranstaltungsorte. «Wanderbühne» heisst der Verein ja nicht einfach so. «Egnach ist mit 18,5 Quadratkilometern eine wirklich grosse Gemeinde», erklärt Roland Kauderer. «Da gibt es viele spannende Plätze zu entdecken.» Für das Theaterstück «Ein Kuss» braucht es dieses Mal die Aula, also die alte Turnhalle in Neukirch.
«Das Stück ist technisch anspruchsvoll, was zum Beispiel die Beleuchtung anbelangt.» Je nach Anlass kommen zwischen fünfzig und zweihundert Besucher, Einheimische ebenso wie Auswärtige. Gut, dass die Aula genügend Platz bietet.
Anregende Unterhaltung garantiert
Kauderer und Bissegger räumen freimütig ein, dass ihnen der Name «Antonio Ligabue» früher nichts gesagt hat. «Er war wohl ein schwieriger Mensch», so Alfi Bissegger. «Trotzdem ist es tragisch, was ihm widerfahren ist.» Das Stück von Marco Michel sei insofern durchaus etwas bedrückend. «Aber mit dem Rahmenprogramm wird es bestimmt ein guter Abend», ist er überzeugt.
Die Wanderbühne zeigt Clips aus dem Film von Giorgio Diritti, hängt Plakate mit Bildern von Ligabue auf, informiert über sein Leben und kocht «Ribollita semplice» – Gemüsesuppe aus der Armenküche passend zum armen Künstler. Dazu gibt es Chianti aus der strohummantelten Fiasco-Flasche und Biera Moretti. An Gesprächsstoff über den Egnacher Künstler und den Umgang der Gesellschaft mit ihm wird es auch nicht mangeln.
Die Aufführung
Marco Michel: «Ein Kuss», Einpersonenstück über den italienisch-schweizerischen Maler Antonio Ligabue von Mario Perrotta
Samstag, 1. März 2025, 19 Uhr Start Rahmenprogramm, 20 Uhr Vorstellungsbeginn.
35 Franken Eintritt, Mitglieder frei.
Aula Neukirch-Egnach, Amriswilerstrasse 8a.
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