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von Linda Lengler, 19.05.2023

Ein Schaufelraddampfer für den Untersee

Ein Schaufelraddampfer für den Untersee
Modell des Schaufelradddampfers des Vereines „Pro Dampfer“. |

Der Verein „Pro Dampfer“ will mit einem technisch innovativen und nachhaltig betriebenen Schaufelraddampfer den Untersee befahren. Mit den Geldern der „TKB-Millionen“ könnte der Verein seinem Ziel einen Schritt näherkommen.

Stell dir vor: Es ist ein sommerlicher Tag, die Sonne scheint und es ist angenehm warm. Du sitzt am Hafen von Ermatingen, das Bodenseewasser glitzert und dort hinten schwimmen Haubentaucher, Blesshühner und Enten umher. Und plötzlich taucht da ein Raddampfer auf, seine Schaufeln drücken sich durch das Wasser. Das Schiff sieht aus, wie jene von früher und du fühlst dich kurz in das beginnende 20. Jahrhundert zurückversetzt, als diese Art von Schiffen noch gebaut wurde.

Der Verein „Pro Dampfer“ möchte dieses nostalgische Gefühl in die heutige Zeit zurückbringen und setzt sich für einen entschleunigten Tourismus am Untersee ein. Wie sie das schaffen wollen? Mit einem Schaufelraddampfer der technisch auf dem neusten Stand ist, nachhaltig fährt und trotzdem den Flair der alten Schiffe in sich trägt.

Der Verein wurde 2012 in Stein am Rhein gegründet und zählt inzwischen 2280 Mitglieder:innen. Seit dem 1967 der letzte Raddampfer vom Untersee verschrottet wurde, fahren dort nur noch Motorschiffe. „Um diesen historischen Fehler zu korrigieren und den Tourismus in der Ostschweiz und Südbaden sinnvoll zu stärken, bezweckt unser Projekt den stilvollen Neubau eines authentischen Seitenraddampfers“, heisst es auf der Webseite des Vereins.

 

Am Modell zeigt der Präsident des Vereins „Pro Dampfer“ Raimund Hipp die unterschiedliche Energiedichte von Holzpellets und Erdöl. Bild: Linda Lengler

 

Raddampfer werden heute hauptsächlich für touristische Zwecke genutzt und verbrauchen in der Regel zwei- bis dreimal so viel Treibstoff wie vergleichbare Dieselmotorschiffe.

Die hohen Betriebskosten und Treibhausemissionen sind nicht mehr zeitgemäss – deshalb werden Raddampfer nur noch wenig eingesetzt. Auf dem Bodensee fährt der österreichische Raddampfer mit dem Namen „Hohentwiel“. Das Schiff bedient den Ober- und den Überlinger See.

Ein besonderer Raddampfer

Und was ist mit dem Untersee? Die Schweizerische Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein (URh) fährt mit Dieselschiffen von Kreuzlingen bis Schaffhausen und sieht sich aber zunehmend Schwierigkeiten ausgesetzt: der niedrige Wasserstand ist für die Schiffe im Untersee besonders problematisch.

Untiefe Brücken, zum Beispiel die Rheinbrücke Diessenhofen-Gailingen, fordern einen besonderen Schiffsbau. Vor allem Corona hat der Schiffsindustrie am Bodensee fehlende Besucher:innen und damit Löcher in den Kassen beschert.

 

Die Rheinbrücke verbindet die Ufer von Diessenhofen (CH) und Gailingen (D). Bild: zVg

 

„Pro Dampfer“ möchte diesen Problemen mit innovativer Technik und ökologisch nachhaltigen Ideen entgegentreten. Mit einer maximalen Tiefe von einem Meter und einem einfahrbaren Mast, sollen tiefe Brücken und niedrige Wasserstände beim neuen Schaufelraddampfer kein Problem mehr sein. So ist zumindest das Ziel. „Wenn wir es schaffen, den Tiefgang auf einen Meter zu reduzieren, könnten wir 1,5 Monate länger fahren als die Schiffe momentan“, sagt Raimund Hipp, Präsident vom Verein „Pro Dampfer“.

Der Raddampfer würde nicht mit Diesel, sondern mit Kesselfeuerung mit einheimischen Holzpellets betrieben werden. So verspricht der Verein einen CO2-neutralen Antrieb, da es sich um nachwachsende Brennstoffe aus der Region handelt. Das Problem: Holzpellets haben eine grössere Energiedichte als Erdöl und brauchen dementsprechend mehr Platz.

Die Technik bringt also beispielsweise auch mit sich, dass nur 300 Passagiere Platz haben. Bei den anderen Schiffen auf dem Untersee sind es im Schnitt 500 Passagiere. Mit eigenem Strom soll unter anderem das Bordbistro versorgt werden. „Es kann nicht sein, dass wir CO2-neutral fahren, und dann ein Aggregat mit Diesel für Strom brauchen. Wir gewinnen unseren eigenen Strom“, erklärt Raimund Hipp weiter.

Worauf warten sie noch?

Bisher hat der Verein ungefähr ein Drittel dessen eingenommen, was sie für die Finanzierung ihres Schiffes benötigen. Der Verein rechnet mit Gesamtkosten von bis zu 12 bis 14 Millionen Franken. 3,13 Millionen Euro Franken sollen aus dem TKB-Topf kommen.

Die weitere Finanzierung steht noch auf wackeligen Füssen. Der Verein nimmt durch seine Mitglieder:innen ca. 67.000 Franken im Jahr ein und gibt diese für die Anstellung der Geschäftsleitung und den Techniker auch aus.

Neben dem Verein gibt es seit 2016 auch die Pro Dampfer AG. Die Aktionäre der Pro Dampfer AG sind Dampferfans aus der ganzen Schweiz, denen viel an einer attraktiven regionalen Entwicklung und einem sanften, ökologisch sinnvollen Tourismus liegt. In der Aktiengesellschaft liegen ungefähr eine Million Franken.

Suche nach Sponsoren startet

Der „1000er Club“ ist eine Ansammlung von Menschen, die für den eigenen Namen auf einer Schiffstafel 1000 Franken an den Verein gespendet haben. Dadurch kamen 200.000 Franken zusammen, die inzwischen in die Maschinendimensionierung und Konstruktion eines Modellbaus investiert wurden.

Als nächsten Schritt möchte der Verein nach Sponsoren oder Stiftungen suchen. Bevor „Pro Dampfer“ aber in See und Rhein sticht, fehlt es nicht nur an Millionen, sondern auch an Menschen, die dieses innovative Schiff fahren können und der Rhein ist ein hochkomplexes System, das nicht jeder befahren kann. Ausserdem fehlt dem Verein noch eine Kooperation mit Schiffsbetrieben. „Das Problem ist, dass wir noch keinen Betreiber gefunden haben, der sagt: ‚Jawoll, wir machen das‘“, sagt Raimund Hipp.

Schweizerische Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein hält sich bedeckt

Der Hauptadressat für den Verein ist die URh, denn sie hat Erfahrung im Revier. Wäre die Finanzierung gesichert, die URh würde als Kooperationspartner einsteigen und das Schiff könnte gebaut werden, dann wäre die nächste Hürde, dass Schweizer und europäische Werften derzeit keine Kapazitäten haben. Es ist also noch ein langer Weg.

Bei Raddampfern sind die Anfragen für Charterfahrten oder auch im Normalbetrieb um 20 bis 50 Prozent höher als bei Motorschiffen. Wieso ist die URh dann nicht Feuer und Flamme für das Projekt? „Die URh hat kurz vor Corona das erste Mal schwarze Zahlen geschrieben und saniert. Dann kam Corona, Niedrigwasserphasen. Sie haben wirklich andere Probleme, als über unser Modell zu diskutieren“, erklärt Hipp verständnisvoll. Trotz mehrfacher Anfrage möchte sich die URh nicht zum Sachverhalt äussern.

Wenn sie scheitern

Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass das Projekt scheitert und die Gelder des Kantons, der Aktionäre und der Spender:innen nicht ausreichen. Die vom Kanton gesprochenen Gelder aus den TKB-Millionen würden dann zurück an den Kanton fliessen.

Ein Versuch ist es dennoch wert. Denn zu zeigen, dass das, was früher gebaut wurde, auch heute CO2-neutral funktionieren kann, ist, selbst wenn das Projekt nicht zustande kommt, eine ehrenwerte Idee.

 

Der Blick auf Steckborn vom Wasser aus.

 

 

Die Serie zum „127-Millionen-Paket“

In den nächsten Wochen bis zur Abstimmung am 18. Juni werden wir bei thurgaukultur.ch die Projekte mit Kulturbezug in einer redaktionellen Serie detaillierter vorstellen. Alle Beiträge bündeln wir im dazugehörigen Themendossier. Bereits erschienen sind Beiträge zu:

 

Stiftung Drachenburg und Waagturm Gottlieben (2 Millionen Franken)

Die Projektidee umfasst den Kauf, die Renovation, den Umbau und die Modernisierung der historischen Gebäude Drachenburg, Waaghaus und Rheineck in Gottlieben, um diese und deren Umgebung wirtschaftlich zu beleben und als touristischen und gastronomischen Ort zu erhalten.

 

Schloss Luxburg (1 Million Franken)

Ziel hier ist die Sanierung des denkmalgeschützten Schlosses Luxburg in Egnach, um einen öffentlichen Ort für Aufenthalt und Begegnung im Sinne der regionalen Nachhaltigkeit zu schaffen

 

Vermittlungssteg Seemuseum Kreuzlingen (630.000 Franken)

Das Seemuseum Kreuzlingen möchte einen Vermittlungssteg bauen, um die Identifikation mit dem Lebensraum Bodensee zu stärken, das Verständnis für die Umwelt rund um den Bodensee zu fördern und um als generationsübergreifender Freizeit- und Lernort zu dienen.

 

Wasserschloss Hagenwil Sanierung (1,44 Millionen Franken)

Mit den Geldern soll die Sanierung des Wasserschlosses Hagenwil unterstütz werden, um den Erhalt dieses Kulturdenkmales auf Jahrzehnte hinaus zu sichern.

 

Schaufelraddampfer (3,13 Millionen Franken)

Bau eines eleganten, ökologischen und klimaneutralen, mit Pellets befeuerten Schaufelraddampfers für Untersee und Rhein. Damit will der Verein «Pro Dampfer» die Freizeit- und Ferienaktivität in dieser Region bereichern.

 

Es folgen bis zum 18. Juni noch:

 

Thurgauer Kultur- und Erlebniszentrum Weinfelden (10 Millionen Franken aus dem TKB-Topf angefordert)

Ziel ist es ein Kultur- und Erlebniszentrum für den Thurgau zu schaffen. Mit einem Markt für Nahrungs-, Genuss- und Heilmittel aus dem Thurgau sowie einer Eventhalle für
kulturelle, wirtschaftliche und sportliche Anlässe für die Thurgauer Bevölkerung.

 

Markt Thurgau Frauenfeld (20 Millionen Franken)

Hier geht es um die Umnutzung des Kasernenareals in Frauenfeld. Dort soll der so genannte Markt Thurgau eingerichtet werden. Mit den Geldern aus dem TKB-Topf sollen nicht nur die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude als bauliche Monumente erhalten, sondern vor allem auch der öffentliche Zugang sichergestellt und der Ort für den ganzen Kanton belebt werden. Es sollen Betriebe angesiedelt und die frei werdenden Räume, Flächen und Plätze möglichst kostengünstig an Startups, Vereine, Marktbetreibende, Kleingewerbe und Veranstaltende sowie kreative Gastronomen abgegeben werden.

 

Kloster Fischingen Sanierung (20 Millionen Franken)

Die baudenkmalerische Substanz soll erhalten und belebt werden. Das Kloster soll ein Begegnungsort mit einem attraktiven Besucherzentrum und einer neuen Gartenanlage werden, die weit über den Kanton hinausstrahlen.

 

Pier 8590 Romanshorn (2 Millionen Franken)

Diese Idee beinhaltet die Erstellung eines Piers mit einer Plattform oder einem offenen Pavillon über dem Flachwasserbereich als Abschluss des Hafenboulevards, um den Oberthurgau und den öffentlichen Raum am Hafenbecken aufzuwerten.

 

Zur gesamten Botschaft des Regierungsrats für die Abstimmung am 18.Juni geht es hier.

 

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