von Judith Schuck, 03.05.2023
Erfüllt sich ein Traum zum 30. Geburtstag?
Eine alte Idee mit neuen Mitteln umsetzen – so beschreibt Christian Hunziker das Projekt «Multidimensionaler Vermittlungssteg beim Seemuseum». (Lesezeit: ca. 4 Minuten)
Im Projektkorb der TKB-Millionen schaffte es der Multidimensionale Vermittlungssteg beim Seemuseum unter den 13 ausgewählten Kleinprojekten immerhin auf Platz 7. In 5 Themenmodulen soll der Steg auf abwechslungsreiche und spielerische Weise Wissen zu Schifffahrt, Fischerei sowie Ökologie und Landschaftsgeschichte näherbringen.
Als 1993, vor genau 30 Jahren, das Seemuseum in der alten Kornschütte im Seeburgpark eröffnet wurde, träumten die Beteiligten bereits von einem Seezugang. Die Kornschütte war bis in die 1960er Jahre mit dem See verbunden. Dann wurde durch das Auffüllen des Parks mit Bauschutt eine neue Uferlinie geschaffen, die das heutige Museum 50 Meter weit vom Wasser entfernte. Seit 2003 ist eine Steganlage beim Seemuseum bereits im Richtplan der Stadt Kreuzlingen vorgesehen. Erbaut werden soll der Vermittlungssteg auf Höhe des See-Burgtheaters, also einer relativ belebten Parkecke, in der tierische Parkbewohner:innen kaum gestört würden.
«Wir haben im Archiv geschaut, welche Ideen es schon gab»
Christian Hunziker
Blick auf beide Ufer, ins Wasser und ins Museum
«Land in Sicht» ist ein für den Steg vorgesehenes Themenmodul, das sich mit Hilfe von Augmented Reality und einem festinstallierten Fernrohr dieser spannenden Ufergeschichte annehmen soll. «Vor Anker gehen» heisst ein weiteres Modul, das einen alten Wunsch aufnimmt. «Wir haben im Archiv geschaut, welche Ideen es schon gab», sagt Christian Hunziker, Leiter des Seemuseums, der sich schon vor seinem eigentlichen Amtsantritt mit dem Thema beschäftigte.
Einen historischen Hafen hätten einige gerne beim Museum gesehen. Gemeinsam mit seiner Vorgängerin Ursula Steinhauser habe er sich aber auf die realisierbaren Ideen konzentriert. Am Ende des Stegs ist eine Plattform geplant, die auch als Anlegestelle für Boote dienen könnte. Nicht für Ausflugsboote, wie Hunziker betont, sondern um die Idee eines historischen Hafens ins Konzept aufzunehmen und neben Fischerei und Ökologie auch der Schifffahrt gerecht zu werden. Dort könnte über die Sommermonate jeweils ein historisches Boot aus dem Museum vor Anker liegen und für besondere Anlässe genutzt werden.
U-Boot vice versa
In der ursprünglichen Skizze ist der Steg mit 25 bis 30 Metern Länge veranschlagt. Die endgültigen Masse stehen allerdings noch nicht fest. Angedacht ist, dass er so weit ins Wasser hineinragen muss, dass aus einer gewissen Tiefe hineingeschaut werden kann. «Blick unter Wasser» heisst nämlich Modul 3, bei dem mit einem umgedrehten Periskop – einem Sehrohr, das von U-Booten genutzt wird, wenn sie unter Wasser sind – die Unterwasserwelt beobachtet werden könne, wodurch das Verständnis für das Ökosystem See geschärft werden soll.
Bei «Blick über die Grenze» wird via Fernrohr das deutsche Ufer ins Visier genommen. Mittels Modell soll hier der Trajektverkehr zwischen Schweiz und Deutschland spielerisch nachgestellt werden. Eine Schauvitrine ist schlussendlich dafür vorgesehen, den «Blick ins Museum» zu gewähren und gluschtig zu machen auf die Vertiefung der Themen.
Mit Freude in die nächste Runde
Für das Seemuseum soll mit dem Vermittlungssteg ein Lernort unter freiem Himmel entstehen, «ein Mehrwert für den Seeburgpark und die Bevölkerung von Kreuzlingen, Konstanz sowie die Touristen von ausserhalb», erläutert Hunziker, der gemeinsam mit seinem Team jeweils freudig beobachtete, wenn der Vermittlungssteg in der Auswahl der TKB-Millionen wieder eine Runde weitergekommen war.
Das 2020 eingereichte Konzept entstand aus einem Ideenspiel zwischen Stiftungsratspräsident Markus Thalmann, Betriebskommissionspräsident und Architekt Ueli Wepfer, der alten und der neuen Museumsleitung Ursula Steinhauser und Christian Hunziker sowie Kulturvermittler Julian Fitze.
Würde das Projekt angenommen, müssten noch diverse Bewilligungen eingeholt, ein Architekt ins Boot geholt und eng mit dem Naturschutz zusammengearbeitet werden. Bereits frühere Abklärungen haben ergeben, dass der Seeboden an dieser Stelle aus künstlich aufgeschüttetem Material besteht, weshalb das Vorhaben als vertretbar befunden wurde.
Ressource «Bodensee» näherbringen
Bei der Projektgestaltung hätten sie von Anfang an die verschiedenen Bedürfnisse versucht, im Blick zu halten. Parkbesucher:innen, Naturschutz, Tourismus – der Steg soll als barrierefreier, generationenübergreifender Erlebnis- und Lernort dienen, der die Ressource «Bodensee» veranschaulicht.
«Sie verstellt nicht nur den freien Blick auf den See und auf das gegenüberliegende Ufer, sondern füllt eine Zone des Sees mit neuer Aktivität, die bis jetzt dem Naturschutz und der Erholung diente»
Zitat aus einem Leserbrief von Ursula Homburger, Kreuzlinger Zeitung 2019
Der Seeburgpark gilt als grösste Parkanlage am Bodensee. Auf Veränderungen reagiert die Bevölkerung meist sensibel, bietet der Park doch Raum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Beim Bau einer Holzschaukel in der Nähe des Yachthafens, die eigentlich für einen entspannten Blick auf den See angedacht war, empörten sich vereinzelt Bürger:innen in Leserbriefen, dass sie die Landschaft störe und einen ungehinderten Blick verstelle.
Podium zur Zukunft des Seeburgparks
«Seit Inkrafttreten des Richtplans sind 20 Jahre vergangen, die Stadt und Gesellschaft habe sich verändert», sagte Elina Müller, Gemeinde- und Kantonsrätin sowie Architektin, bei der Podiumsdiskussion «Seeburgpark – wie nutzen und schützen?» im vergangenen Frühjahr. Im Vorfeld führte ihre Partei, die SP, dazu eine Umfrage durch, welche ergab, dass Ruhe und Naturschutz einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung einnehmen.
Bewährt habe sich eine Mischung aus Naturschutz und Nutzung, sagte der ehemalige Stadtrat Guido Leutenegger an dieser Diskussion. Er war 2003 massgebend am Richtplan beteiligt. Grundtenor des Abends war, dass eine publikumsintensivere Nutzung eher für Kleine Venedig angedacht sei.
Lernen statt Baden
Christian Hunziker erinnert sich gut an das Podium. Es habe schon Rückfragen gegeben, was da passiert, wenn der Steg gebaut würde. Heikles Thema im Seeburgpark ist das Baden. In den Sommermonaten füllt sich das Seeufer mit Badegästen, vor allem an den Wochenenden. Dabei ist das feuchtfröhliche Vergnügen dort nur geduldet. Mit den groben Wackersteinen, die beim Einstieg schon ein bisschen Geschick erfordern, soll es den Badenden nicht zu einfach gemacht werden.
Für die Abkühlung ist eigentlich die Badi-Hörnli vorgesehen, und nicht der Seeburgpark. Darum wird Christian Hunziker auch nicht müde, zu betonen, dass es sich bei ihrem Vorhaben um einen Vermittlungssteg handele – am Hörnli gebe es schliesslich bereits einen Badesteg, von dessen Erfahrungswerten beim Bau das Seemuseum allerdings profitieren könne.
Erst bei Annahme geht die Planung richtig los
Was der Bau letztlich kosten würde, sei schwierig abzuschätzen. Ursprünglich waren 842 000 Franken veranschlagt. Für eine Förderung durch die Gelder der TKB-Millionen legte die Auswahlkommission aber speziellen Wert darauf, dass Eigen- und Drittmittel in das Projekt investiert werden. 180 000 Franken müsste demnach das Seemuseum an Drittmitteln auftreiben, knapp 40 000 Franken wurden als Eigenleistung veranschlagt. 625 000 Franken steuert bei Annahme der Kanton bei.
Auf lange Sicht solle der Vermittlungssteg integrierter Bestandteil des Seeburgparks werden, «sowie der Amphibienweiher oder der Vogelbeobachtungsturm», sagt Christian Hunziker. «Wenn das Projekt angenommen wird, sehen wir das als Geschenk zum 30-Jahr-Jubiläum.» Die eigentliche Arbeit fängt dann erst an.
Von Judith Schuck
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