von Tobias Rüetschi, 31.07.2017
Gartenfest statt Openair
Oft erfährt man als Leser nur, wie dem Publikum ein Festival gefallen hat. Aber wie geht es eigentlich den Musikern auf der Bühne? Ein etwas anderer Bericht vom Out in the Green Gardens in Frauenfeld
Von Tobias Rüetschi
Ziemlich genau vor einem Jahr hatte ich die Ehre, mit meiner Band Obacht Obacht am Out in the Green Garden Festival in Frauenfeld zu spielen. Das Gratis-Openair fand zum ersten Mal am neuen Standort im Murg-Auen Park statt und damals war mir noch nicht bewusst, dass durch diese Ausgabe Gemüter in der ganzen Stadt erregt werden sollten. Durch den neuen Standort (früher fand das Festival im botanischen Garten statt) war das Gelände grösser als je zu vor, und dank dem Line-Up mit einem Headliner wie den jamaikanischen Reggae-Legenden Inner Circle wurden mit rund 3000 Gästen alle Besucherrekorde der vorhergehenden Jahre gebrochen. Ein voller Erfolg, könnte man meinen. Doch leider wurde die Freude des OK und der Besucher ziemlich schnell gedämpft: die Lärm-Emissionen des Festivals und der darauffolgenden Bildhauerwoche verärgerte Anwohner des Parks und neue Auflagen der Stadt führten dazu, dass eine Durchführung des Festivals in diesem Jahr zu einem Ding der Unmöglichkeit wurde.
Aber ein Sommer ohne Kulturangebot kommt für die Organisatoren des Festivals nicht in Frage, also schaffen sie für dieses Jahr eine Alternative: das „Out in the Green Gardens“, eine Wanderung von Privatgarten zu Privatgarten, in denen je ein Konzert stattfindet. Das Programm setzt sich zusammen aus den Frauenfelder Jamco, Valentin Baumgartners Despina Corazza Duo, King Contradiction aus Winterthur und auch ich darf mit meiner Band wieder ein Konzert zum besten geben.
Feiner Einstieg: Despina Corazza und Valentin Baumgartner sorgten für einen gelungen Start des Out in the Green Gardens. Bild: Tobias Rüetschi
Da die Route des Festivals sich durch die ganze Stadt zieht, fängt das erste Konzert schon um zwei Uhr Nachmittags an. Während Valentin Baumgartner jazzige Klänge aus seiner akustischen Gitarre zaubert, die Perkussion mit Küchenutensilien improvisiert und Despina Corazza mit ihrer Stimme begeistert, erfreuen sich die ersten Gäste an kalten Getränken, hausgemachtem Glace und dem Grün des lauschigen Gartens. Schon beim zweiten Stopp verdoppelt sich die Besucherzahl, die Gäste geniessen sowohl den Schatten als auch den akustischen Grunge-Rock von King Contradiction. Die Frauenfelder Band Jamco begeistert beim dritten Stopp das Publikum mit Funk und Freestyle-Rap, bei dem es schwer ist, still stehen zu bleiben.
Die Stimmung in den vier Gärten ist immer ausgelassen. Die fehlenden Bühnen lassen die Musiker auf Augenhöhe mit dem Publikum sein und das Wandern zwischen den Konzerten schweisst die Besucher zusammen. Es kommt Gartenfest-Stimmung auf, aber auch Erinnerungen ans Festival vom letzten Jahr werden wach. Besonders als ich beim Konzert meiner Band einen Blick ins extrem durchmischte Publikum werfe, kommt bei mir Out in the Green Garden-Stimmung auf. Die Atmosphäre während dem Konzert und das grosse Publikum lässt mich fast vergessen, in einem Privatgarten zu sein.
Nach dem letzten Konzert zieht es einen grossen Teil der Gäste weiter ins Vereinshaus des KAFF, wo der Überraschungsgast Sektor C das musikalisch sehr abwechslungsreiche Programm um ein weiteres Genre ergänzt und die Terrasse in einen Freiluft-Rave verwandelt. Bis zum Ende des Abends bleibt auch das Vereinshaus gut gefüllt, und es zeigt sich, dass nicht nur das OK des Out in the Green Garden-Festivals auf Freiluftkultur im Sommer keinesfalls verzichten will.
Akustischer Grunge-Rock: King Contradiction aus Winterthur spielte an der zweiten Station des Gartenfestivals. Bild: Tobias Rüetschi
Jamco überzeugten mit HipHop und Reggae-Klängen. Bild: Michael Lünstroth
Willkommen beim Out in the Green Gardens 2017! So wurden die Besucher bei der ersten Station empfangen. Bild: Michael Lünstroth
Von Tobias Rüetschi
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