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von Tobias Rüetschi, 08.07.2018

Auf dem Weg zum HipHop-Erlebnispark

Auf dem Weg zum HipHop-Erlebnispark
Ausverkauft: Das Openair Frauenfeld war in diesem Jahr mit 180 000 verkauften Tickets restlos ausverkauft. An den Haupttagen kamen jeweils 50 000 HipHop-Fans auf das Gelände. | © Openair Frauenfeld

4 Tage Festival, 180 000 verkaufte Tickets und ganz viel HipHop-Kulisse: Warum das Openair Frauenfeld aufpassen muss, nicht zur HipHop-Erlebniswelt zu verkommen.  

Es ist Samstag-Nachmittag am Openair Frauenfeld, der Schlamm ist getrocknet und die Gummistiefel sind wieder den weissen Sneakers gewichen. Es herrscht verschlafene Stimmung, man trifft sich im Schatten vor den zwei Main-Stages oder beim Public Viewing in der überdachten Feldschlösschen-Bar. Diejenigen, die sich vom Eminem-Konzert am Freitagabend schon wieder erholt haben, wippen im Takt zum Triolen-Rap, der mit Acts wie Ty Dolla $ign oder Denzel Curry an diesem Nachmittag das Programm dominiert. Es ist kaum zu glauben, dass sich gerade rund 50'000 Gäste auf dem Gelände befinden sollen. Doch das Festival ist mit 180'000 verkauften Tickets an den vier Veranstaltungstagen restlos ausverkauft. Grund dafür ist das Line-Up, bei dem die Veranstalter Szenegrössen aus der ganzen Welt nach Frauenfeld verpflichten konnten.

Werbespots im Endlos-Loop

Seit rund zehn Jahren setzt das Openair Frauenfeld nun auf Hip-Hop und Rap und ist so zum grössten europäischen Openair dieser Szene herangewachsen. Besucher aus der ganzen Welt pilgern jährlich für ein Wochenende nach Frauenfeld, um drei Tage lang ihre Lieblingsacts abzufeiern. Auf der Frauenfelder Allmend steht für das diesjährige Festival eine Bühnendeko aus riesigen Hochhäusern, um der Pferderennbahn ein etwas urbaneres Flair zu geben, als man es von einer Stadt mit nur 22'000 Einwohner gewohnt ist. Auf den riesigen Stoff-Skyscrapern prangern Flat-Screens, auf denen über mehrere Bildschirme streng choreographierte Werbespots im Endlos-Loop laufen. Man kommt sich ein bisschen vor wie am Times Square, und die weiteren Deko-Elemente wie die New Yorker-Strassenschilder oder das amerikanische Polizeiauto sollten wohl absichtlich dieses Gefühl verstärken. Lässt man aber den Blick schweifen, so lässt der Kontrast zur thurgauerischen Land-Idylle rund um das Gelände dieser Illusion ziemlich schnell die Luft ausgehen und das Ganze wirkt dann eher wie eine Europapark-Erlebniswelt als eine pulsierende Millionenstadt.

Bilderstrecke vom Festivalauftakt (alle Bilder: Openair Frauenfeld)

Urbanes Flair ist fehl am Platz

Die Idee hinter dieser Deko nimmt ganz klar Bezug auf New York, wo der HipHop in den späten Achtzigern entstanden ist. Die Strassen der Bronx und der Konflikt zwischen Polizei und afroamerikanischen Jugendlichen in der Millionenstadt waren jahrzehntelang grosse Themen im Rap und wurden so zu wichtigen Teilen der Hip-Hop Kultur. Auch heute sind diese Themen immer noch aktuell und der Diskurs, der damit ausgelöst wird, wichtig. Die Idee hinter der Deko scheint aber nicht ein politischer Gedanke zu sein, sondern eher nur ein Spiel mit der „urbanen“ Ästethik. Sie reduziert die Strasse, den Geburtsort des Hiphops, auf eine Kulisse und spielt mit extrem vorbelasteten Elementen wie dem Polizeiauto um eine „coole“ und „urbane“ Atmosphäre zu schaffen.

Vor allem bei modernen Rappern wie Lil Xan oder Lil Uzi Vert und auch dem österreichischen Kunst-Rapper Yung Hurn, die zu einer neuen Generation gehören, wirkt die Deko fehl am Platz. Diese jungen Rapper bemühen sich oft darum, ihren Texten einen eher introspektiven und nachdenklichen Charakter zu geben, weshalb ihre Musik auch als „Emo-Rap“ oder „Cloudrap“ bezeichnet wird. Sie sind weit von der „Street Culture“, die die Kulisse zu imitieren versucht, entfernt. Mit ihrer Musik sprechen sie ein jüngeres Publikum an, was sich an ihren Konzerten am Frauenfelder Openair auch zeigt: Im Gegensatz zum Konzert der Berliner Aggro-Legenden Sido und Kool Savas, wo grösstenteils Mitte 20 bis anfangs 30-Jährige lautstark die Texte des ehemals maskierten Rappers auswendig mitrappen und ihm mit ihren Händen im Takt des Beats Luft zu wedeln, sind es bei den Cloudrappern eher die Teenager, die sich im Publikum im Minutentakt Joints weiterreichen, um sich gleich in den sonst eher für Rockkonzerte üblichen Moshpits auszutoben. Das tut dem Genre aber gut. Neue, experimentierfreudige Rapper bringen frischen Wind in ein Genre, das nun auch schon seit dreissig Jahren als Soundtrack jugendlicher Rebellion gilt und so in Gefahr läuft, immer radiotauglicher zu werden.

Bilderstrecke Auftritt Eminem (alle Bilder: Jeremy Deputat)

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Neue Veranstalter aus der USA

Auch auf organisatorischer Ebene bläst ein anderer Wind: Das Festival wurde in diesem Jahr zum ersten Mal von Live Nation organisiert, einem amerikanischen Riesenunternehmen. Rund ein viertel des 15-Millionen Budgets ist dabei für Künstlergagen draufgegangen. Das merkt man auch: Nebst einigen angesagten jungen Rappern konnten die Veranstalter dank ihrem Netzwerk an internationalen Acts auch Eminem und N.E.R.D verpflichten, zwei dicke Fische der alten Garde.

Am Openair selber spürt man aber von diesem Veranstalterwechsel nichts. Das Festival hat bereits ein treues Stammpublikum, dass auch mit dem diesjährigen Programm problemlos abgeholt wurde. Die typischen Openair Frauenfeld-Gänger unterscheiden sich aber von den Festivalgängern der anderen Schweizer Openairs. Dies zeigt sich in ihrem Auftreten: Statt auf zweckorientiertes Camping-Outfit wird hier auf Stil gesetzt. Keine Wanderschuhe, keine Strohhüte, keine Bauchtaschen – der Jutebeutel wird durch die schicke Handtasche ersetzt und das Bandshirt weicht dem Sixpack, der auch fleissig auf der Pump-Station auf dem Festival-Gelände gepflegt wird.

Das Openair Frauenfeld ist wohl auch das einzige Festival, bei dem die Gäste länger für den festivaleigenen Kleiderladen anstehen als für den Bierstand.

Trotzdem ist die Stimmung ausgelassen und es geht zu und her wie auf jedem anderen Openair. Schlussendlich sind Festivals ja auch immer gleich: Orte, an denen eine gewisse Musikrichtung und die damit verbundene Subkultur gefeiert wird. Und gefeiert wird am Frauenfelder - auch wenn das „urban feeling“, das die Veranstalter heraufbeschwören wollen, künstlich und verstaubt wirkt und Hip Hop auf etwas reduziert, dass eigentlich nur szenefremde Leute noch darin sehen. Für alle, die wiederkommen möchten: Das Openair Frauenfeld 2019 findet vom 11. bis 13. Juli 2019 statt.

Bei Sido und Kool Savas füllt sich das Gelände.
Bei Sido und Kool Savas füllt sich das Gelände. Bild: Tobias Rüetschi

 

Die Pump-Station auf dem Gelände lockt Muskelprotze und Schaulustige.
Die Pump-Station auf dem Gelände lockt Muskelprotze und Schaulustige. Bild: Tobias Rüetschi

 

Am Openair Frauenfeld wird viel gekifft, vor und auf der Bühne.
Am Openair Frauenfeld wird viel gekifft, vor und auf der Bühne. Bild: Tobias Rüetschi

 

 

 

 

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