von Inka Grabowsky, 15.02.2024
Geschichten für die Ohren
Ein neues Hörspiel erzählt die Geschichte der Entstehung des Schlosses Frauenfeld. Im Rahmen des Jahresthemas «Frau & Bau. Geburt einer Hauptstadt» im Historischen Museum Thurgau wird den Besuchern eine neue Audiotour angeboten. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Die Nutzung der Audiotour ist denkbar einfach: Man meldet sich am Empfang im Schloss Frauenfeld an, zahlt fünf Franken und erhält ein Gerät ähnlich einem Smartphone mit Kopfhörern und Umhängekordel. Es gibt eine Laut- und Leise-Taste, ansonsten ist keine weitere Bedienung erforderlich. Um die Geschichte fortzusetzen, drückt man einfach auf den «Play»-Pfeil auf dem Touch-Screen. Die freundliche Mitarbeiterin empfiehlt, die Jacke anzubehalten, da das Schloss von aussen erklärt wird und dies etwa 15 Minuten dauert.
Die Schwierigkeiten liegen wie so oft im Detail. Wenn man nicht aufpasst und die nächste Erklärungsstation verpasst, kann man sich schnell in der Geschichte verirren. Zum Glück gibt es auf dem Bildschirm Karten und Grafiken zur Orientierung. Immer wenn man das Krächzen einer Krähe im Kopfhörer hört, lohnt sich ein Blick auf den Bildschirm, denn dort gibt es zusätzliche Informationen.
«Bei unserer ersten Audio-Tour 'Ach du Scheibe' zur Glaskunst verbinden sich die Geräte an bestimmten Punkten im Haus automatisch mit dem Standort des Besuchers», erklärt Dominik Streiff, Kurator des Museums und Autor des Drehbuchs von «Steine versetzen». «Diesmal muss man selbst darauf achten, wohin man geht.»
«Wir möchten Geschichten über die Geschichte erzählen. Es soll unterhaltsam sein, damit man sich hineinversetzen kann.»
Gabriele Keck, Direktorin des Historischen Museum Thurgau
Als Erzähler der Geschichte tritt «Knecht Konrad» auf. Er erklärt uns, wo wir uns befinden (im Jahr 1230 auf der Baustelle der Burg) und was wir gerade sehen. Der neugierige kleine Grafensohn Adrian stellt stellvertretend für die heutigen Besucher Fragen, zum Beispiel warum das obere Fenster im 19 Meter hohen Turm grösser ist als das untere.
Konrad erklärt, dass es sich dabei nicht um ein Fenster handelt, sondern um einen Eingang, der über eine Holztreppe erreichbar ist. «In kriegerischen Zeiten, in denen alle Dynastien um die Macht kämpfen, muss man sich schützen.» Und warum sind die Findlinge in der Wand unbehauen, während die Türfassungen glatt sind? Das liegt daran, dass sie aus weichem Sandstein bestehen und nicht aus hartem Granit, Basalt oder Kalk, bei denen die Meissel nicht ausreichen würden. Logisch. Das hätte man auch selbst herausfinden können.
Alte Bekannte
Die fiktiven Figuren Konrad, Adrian, Köchin Elsi und Kammerjungfer Barbara bevölkern das Schloss Frauenfeld bereits seit 2015. Jeder von ihnen bringt eine andere Perspektive ein. «Aus Gründen der Nachhaltigkeit wollten wir sie gerne weiterleben lassen», sagt Museumdirektorin Gabriele Keck. «Und um niemanden auszuschliessen, sprechen sie Hochdeutsch. Viele unserer Gäste kommen nicht aus der Schweiz.»
Die Audioguides haben sich mittlerweile etabliert. «Allerdings gibt es unter den Besuchern zwei Lager. Einige sind begeistert, andere fühlen sich durch das Hören und Schauen überfordert oder stören sich an den Kopfhörern.» Die Museumsleitung wollte keinen klassischen Audioguide, der nur Wissen vermittelt. «Wir möchten Geschichten über die Geschichte erzählen. Es soll unterhaltsam sein, damit man sich hineinversetzen kann.»
Mit eigenen Ressourcen
Während die Audiotour zur Glaskunst in Zusammenarbeit mit einer spezialisierten Agentur erstellt wurde, fungiert dieses Mal Dominik Streiff als Autor. «Als Kurator ist es meine Aufgabe, Wissen mithilfe von Geschichten zu vermitteln. Aber ein Audioguide gehört zu den anspruchsvollsten Medien im Museum. Schliesslich muss man das Publikum auch noch anleiten und von Ort zu Ort führen.»
Die Hörstücke sind wie Kurzfilme zusammengeschnitten. Es galt jeweils abzuwägen, wie viel Text und wie viel Bild an einem bestimmten Ort angemessen sind. Die Produktion ist so aufwendig, dass man nicht jedes Jahr eine neue Tour zusammenstellen kann. «Die Forschung hat jedoch die meiste Zeit in Anspruch genommen», sagt Streiff.
«Wir haben Quellen und Literatur intensiv studiert, um den aktuellen Forschungsstand präsentieren zu können. Es gibt immer noch viele unbekannte Fakten über die Entstehung des Gebäudes. Sogar wer Anfang des 13. Jahrhunderts den Auftrag zum Bau gegeben hat, ist nur Gegenstand von Vermutungen.» Zusammen mit einem Bauforscher hat Dominik Streiff überprüft, wie plausibel die überlieferten Informationen zur Geschichte der Burg sind.
25.000 Jahre in 5 Minuten
Im Rahmen des Hör-Spaziergangs besucht man auch die neue 3D-Animation im Gerichtssaal. Innerhalb von fünf Minuten kann man beobachten, wie aus den Findlingen, die seit der letzten Kaltzeit vor 25.000 Jahren im Thurgau herumliegen, eine Burg entsteht. Auch hier führte Streiff Regie und achtete darauf, dass die Grafiken dem aktuellen Forschungsstand entsprechen.
Es gehe jedoch nicht darum, dass alle Details korrekt sind, betont der Historiker. Aufgrund der Quellenlage könne man sie nicht einzeln rekonstruieren. «Die Mühle steht logischerweise an der Murg, aber befand sie sich auf der Nord- oder Südseite? Das hat uns zum Beispiel beschäftigt. Und wie sahen die Häuser der entstehenden Siedlung neben der Baustelle aus? Die Findlinge waren aufgebraucht. Aber bestanden die Häuser nur aus Holz oder hatten einige bereits Steinsockel? Die Animation zeigt eine plausible Annahme.»
Historisches Museum Thurgau
Schloss Frauenfeld
Rathausplatz 2
Eintritt frei
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 13–17 Uhr
Von Inka Grabowsky
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