von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 03.11.2017
«Ich lache nicht so viel»
Er ist Clown, Schauspieler, Regisseur, Menschenfänger: Am 15. November bekommt Olli Hauenstein den Thurgauer Kulturpreis. Grund genug, mit ihm die eine grosse Frage zu besprechen: Was ist eigentlich guter Humor?
Interview: Michael Lünstroth
Herr Hauenstein, kennen Sie einen guten Witz?
Gute Frage. Ich kenne aber leider keinen. Ich höre zwar Immer welche, vergesse die dann aber auch schnell wieder. Ich bin, ehrlich gesagt, ein furchtbar schlechter Witzeeerzähler.
Worüber können Sie lachen?
Ich bin kein Mensch, der überdurchschnittlich viel lacht. Meine Frau lacht zum Beispiel viel mehr als ich. Aber ich lache gerne. Pannen finde ich zum Beispiel lustig. Schadenfreude ist eine grosse Freude für mich. Das ist bei einem Clown auch immer wieder Futter für gute Gags.
Gibt es etwas, das Sie gar nicht lustig finden?
Es gibt im Fernsehen viele Sachen, die sehr populär unter dem Label Comedy daherkommen, wo ich nicht lachen muss. Wenn man nur die Geschichten aus den Medien reproduziert, dann ist mir das zu wenig. Diese Alltagscomedy arbeitet mit populär aufbereitetem Journalismus. Da versuche ich einen anderen Weg. Mein Bestreben war es immer, im Humor auch eine stilisierte Kunstform darzustellen.
Hand aufs Herz: Was ist guter Humor?
Puh, grosse Frage. Jeder Mensch hat sein ganz eigenes Verständnis von Humor. Auch international gibt es grosse Unterschiede. Dramatiker haben es da leichter: Leid und Schmerz ist international, aber Humor ist es eben nicht. Türkische Komiker oder chinesische Komiker verstehen etwas anders unter einem Witz, als ich jetzt zum Beispiel. Das ist das andere, was den Humor vom Schmerz unterscheidet. Das andere ist: Ich glaube, Schmerz ist nicht so detailbehaftet wie der Humor. Eine traurige Geschichte ist immer berührend, egal wie ich sie erzähle. Bei einem Witz ist aber die Pointe und das Timing ganz entscheidend.
Ist Leid da universeller als Freude?
Hm. Freude ist nochmal was anderes. Man müsste eher Lachen und Weinen vergleichen. Und da finde ich schon, dass Weinen universeller ist als Lachen. Wir trauern eher um die gleichen Sache, aber wir lachen kaum über die gleichen Dinge. So vielleicht.
Was macht denn für Sie persönlich guten Humor aus?
Für mich muss guter Humor vor allem überraschend sein und geistreich.
Ist das die Essenz Ihres Humors?
Ich weiss nicht, aber mir ging und geht es auch immer um Poesie. Ich möchte stilisiert bleiben und Alltag nicht so wiedergeben, wie die Kabarettisten das machen. Das ist auch das Geheimnis zumindest meines Humors. Dass nicht der Witz vorbei ist, wenn man die Pointe kennt, sondern, dass man auch geniessen kann die Szenen wiederzusehen, obwohl man weiss, was passiert. So ergibt sich auch eine gewisse Zeitlosigkeit. Und das kann man nur erreichen, wenn man es kunstvoll anrichtet.
Wie schafft man das?
Kunstvoll ist etwas für mich, wenn man etwas mehrmals anschauen kann. Als Kind haben mich die Bilder von den guten Clowns immer wieder fasziniert. Dieses Gesicht! Wie der mich anguckt! Das konnte ich immer wieder anschauen. Ich erfreue mich auch immer wieder an Videos von Charlie Chaplin, da würde ich nie überdrüssig. Das ist für mich wie Spaghetti Pesto, das kann ich immer wieder essen und es schmeckt immer toll.
Video: Bilder einer Karriere
Gab es einen Moment in Ihrem Leben in dem Sie gemerkt haben, hey, ich bin ja lustig…?
Es gab da keinen bestimmten Moment. Das ging eher schrittweise. Es gibt Bilder von mir als kleiner Zweitklässler, auf denen ich mich als Clown produziere und komische Requisiten erfinde. Komik hat mich immer interessiert. Fantasie und Kreation war schon immer ein Bedürfnis, aber ich habe im Gymnasium auch schon andere Ideen gehabt für mein Leben, da wollte ich Biologe werden. Aber dann kam Roy Bosier und hat mich in die Welt des Theaters geführt.
Kann man Humor eigentlich lernen?
Ich glaube nicht. Ein bisschen ist das so mit dem Klavier. Man kann Klavierspielen lernen, aber deswegen ist man noch kein grossartiger Pianist. Einen gewissen Kern an Talent, oder wie man das auch immer nennen möchte, muss man mitbringen.
Ist der Kulturpreis jetzt für Sie auch eine Auszeichnung der jahrzehntelangen Arbeit an Ihrem Talent?
Ja, das empfinde ich schon so. Deshalb freue ich mich auch so über den Preis. Ist ja auch nicht ganz selbstverständlich, dass jemand wie ich mit solch einem Preis bedacht wird. Als Komiker gehört man doch eher zu den niederen Künsten…
Das klingt ein bisschen enttäuscht. Ärgert Sie die Geringschätzung von Unterhaltung in manchen Kreisen?
Nein, das ärgert mich nicht. Aber ich setze mich damit auseinander und staune immer, wie durchschnittliches Drama hoch bewertet wird und eine gute Komödie oft als oberflächlich, klamaukig oder sonstwie abwertend beschrieben wird. Oder schauen Sie sich die Verleihung des Literatur-Nobelpreises in den vergangenen Jahrzehnten an. Da denk ich, ah, schon wieder so politisch motivierte Literatur. Warum bekommt nicht Astrid Lindgren diesen Preis, dachte ich oft. Oder von mir aus Joanne K. Rowling für Harry Potter. Ich meine, was sie da hingelegt hat, hat so vielen Menschen die Welt zur Literatur geöffnet. Das ist doch eine grossartige Leistung. So im Allgemeinen ist es eben doch eher die Dramatik, die die Preise absahnt. Beim Humor hängt immer viel mehr davon ab, wer es gerade anguckt, Humor ist eben nicht international. Aber ich bin deswegen nicht verbittert. Ich mache gerne gute Unterhaltung und freue mich immer wieder darüber. Ich kann etwas machen, das ich als Kunst empfinde und erreiche trotzdem noch ein grosses Publikum. Das ist doch toll.
Video: Olli Hauenstein auf der Bühne
Zum Abschluss noch drei Fragen an den Clown in Ihnen: Die Welt ist inzwischen so verrückt geworden - Traum oder Alptraum für einen Clown?
Weder noch. Ich sehe die Verrücktheiten dieser Welt, aber sie machen mir keine Angst. Jeder kritische Mensch, der seine eigene Situation reflektiert, der reflektiert auch sein Umfeld über das Dorf hinaus in die Welt. Das mache ich sicher. Aber ich glaube nicht, dass ich das mehr mache als andere. Ich bin kein Intellektueller. Ich bin kreativ, ich habe viele Erfindungen, ich bin eher ein Tüftler. In meiner Arbeit bin ich auch gezwungen, mich zu reduzieren und mich darauf zu beschränken, was hier ist und kann nicht ständig daran denken, dass in Somalia jetzt gerade Hungersnot ist. Das geht nicht. Ich kann nicht allein die Welt retten. Das ist Aufgabe der Politik. Und da muss ich sagen: Viel wichtiger wäre es, dass die Menschen auch die richtigen Leute wählten.
Manche sagen, im Weissen Haus regiere mittlerweile ein Clown - Lob oder Beleidigung für Sie?
Für mich ist das keine Beleidigung, weil ich mich da gar nicht angesprochen fühle. Der Begriff Clown ist in dem von Ihnen genannten Zusammenhang nur ein Synonym für Narr oder Dummkopf, das berührt mich dann nicht, weil es nur auf eine Seite des Clowns anspielt. Was man indes an der Formulierung beanstanden könnte ist, dass das nicht kritisch genug ist. Es verharmlost die Situation. Trump ist eigentlich auch kein Clown. Dazu ist er viel zu berechnend mit seinen Sprüchen. Was zum Clown passt, ist der Überraschungseffekt, aber das Gefahrenmoment, was das Ganze birgt, ist immens. Wenn ich stolpere als Clown oder eine Ohrfeige bekomme, tut das nie weh, das Publikum weiss immer, mir passiert nichts. Aber beim Trump tut es natürlich weh. deshalb ist es bei ihm keine Clownerie mehr, insofern ist es nicht ganz der richtige Ausdruck.
Kann ein Clown die Welt besser machen?
Nein. Wobei: Kommt auch darauf an, was man unter Welt versteht. Wenn man unter der Welt einen gewissen Teil der Menschheit versteht, dann vielleicht schon. ich kann zunächst mal meine eigene Welt besser machen, weil ich das Glück habe, das machen zu können, was ich gerne mache und auch davon leben kann. Meine kleine Welt kann ich also schon mal besser machen. Dann hat das eine Ausstrahlung auf mein Publikum. Ich kann die Welt dieser Menschen, die mich auf der Bühne erleben, denen kann ich eine Freude machen und da kann ich die Welt für die in dem Moment verbessern. Was die dann daraus machen, sei dann wieder dahin gestellt.
So hat Olli Hauenstein geschaut als er von der Auszeichnung mit dem Thurgauer Kulturpreis erfahren hat.
Mehr davon: Ein Interview in Bildern finden Sie auf unserer Facebook-Seite. Und zwar hier
Der Mensch
Olli Hauenstein ist 1953 in Zürich geboren und lebt seit 1992 in Sommeri. Nach der Matura absolvierte er eine Pantomimenausbildung am Teatro Studio di Roma, danach studierte er 1973 bis 1978 Schauspiel, Zirkuskünste, Puppentheater und Regie an der staatlichen Theater- und Zirkusakademie in Budapest sowie an der staatlichen Puppentheaterschule des Nationalen Puppentheaters in Budapest. 1978 bildete er zusammen mit der Ungarin Illi Szekeres das gemischte Clownduo Illi & Olli; Tourneen in Europa, Kanada und Japan folgten. 1992 startete Olli Hauenstein sein erstes Soloprogramm. Seine Tourneen gingen quer durch Europa; er spielte an internationalen Festivals von Paris bis Tokyo, Singapur bis Caracas, Wien bis Barcelona. Als Star gastierte er beim Schweizer National-Circus Knie, beim Circus Roncalli in Deutschland und beim Cirque du Soleil in Kanada. Olli Hauenstein gewann zahlreiche Preise, unter anderem 1998 den 1. Preis beim Clown Planet International in Riga und 1999 den «Golden Nose Award» beim Clownfestival Kopenhagen. Er vertrat den Thurgau und die Schweiz mit seiner sprachunabhängigen Kunst an internationalen Grossereignissen wie der Expo in Sevilla 1992, der Expo.02 in der Schweiz, den Olympischen Spielen 2004 in Athen und der Expo in Saragossa 2008.
Der Thurgauer Kulturpreis
Mit dem Thurgauer Kulturpreis, der seit 1986 ausgerichtet wird, spricht der Regierungsrat seinen Dank und seine Anerkennung aus für ausserordentliche kulturelle Leistungen von Privaten und von Institutionen, welche das kulturelle Leben im Kanton in besonderer Weise bereichern. Er ist dotiert mit 20 000 Franken. Eine Auswahl möglicher Trägerinnen und Träger des Kulturpreises wird dem Regierungsrat jeweils von der Kulturkommission des Kantons Thurgau vorgeschlagen. Eine Liste aller bisherigen Preisträger gibt es hier
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