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von Inka Grabowsky, 27.04.2023

Imagekampagne für einen grünen Fürsten

Imagekampagne für einen grünen Fürsten
Ein Prinz auf Tour: So sah der Maler Felix Cottrau den jungen Prinzen Louis Napoleon. | © Napoleonmuseum Arenenberg

Das Napoleonmuseum auf dem Arenenberg widmet Kaiser Napolèon III. eine Sonderausstellung zu seiner Rolle als Landschafts- und Stadtbild-Gestalter. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

«Bevor Hortense den Beauharnais auf den Arenenberg kam, wurde hier Elbling angebaut», sagt Dominik Gügel, der Direktor des Napoleonmuseums grinsend. «Der Wein war – man möge mir meine Direktheit verzeihen - für die adeligen Gaumen ein wenig zu sauer. Die Familie führte also die süsse Chasselas de Fontainebleau-Trauben ein und veränderte damit den Weinbau in unserer Region.»

Doch das allein würde eine eigene Ausstellung wohl nicht rechtfertigen. Das Museum nimmt den 150. Todestag von Napoléon III. zum Anlass, im Rahmen der Kooperation «Grüne Fürsten am Bodensee» seinen Einfluss auf die Gartenarchitektur zu zeigen.

Die Liebe zur Natur

«Louis-Napoléon ist wie Obelix als Kind in einen Kessel voll Zaubertrank gefallen», sagt Christina Egli, die stellvertretende Museumsleiterin. «Nur dass er nicht mit übermenschlicher Kraft imprägniert wurde, sondern mit Liebe zur Natur.»

Der Neffe Napoléons I. war sieben Jahre alt, als er mit seiner Mutter Hortense ins Exil zunächst nach Konstanz und dann, 1817, auf den Arenenberg zog. «Hier verlebte er eine unbeschwerte Kindheit, hatte Freunde unter den bürgerlichen Kindern der Nachbarschaft und genoss die Freiheit, die ihm die Parkanlagen boten.»

 

Arenenberger Gartenwelt. Bild: Manuel Paul

Innen ein Blick nach Paris

Im Ausstellungsraum hinter dem Museums-Shop betreten Besucher einen Park in Paris. Vögel zwitschern, Zimmerpflanzen sorgen für dreidimensionales Grün, die Wände sind mit Parkansichten tapeziert. Die Ausstellung erklärt mit Texten, Fotos und Karten, wie Napoléon III. Paris begrünt hat. «Er hatte bei Besuchen in London gesehen, was möglich ist, wenn man eine Stadt wieder neu aufbaut», so Egli.

Nun war Paris zwar unstrittig modernisierungsbedürftig, aber anders als London, das einem grossen Brand zum Opfer gefallen war, gab es keine Freiflächen, die sich neu gestalten liessen.

Napoléon III. liess sie schaffen: «Er hat 20.000 Häuser abgerissen und im Laufe der Zeit durch 40.000 neue ersetzen lassen. Er liess die Strassen verbreitern, um Luft und Licht in die Stadt zu bringen. Und er liess diverse Parks und Grünflächen einrichten, um den Bewohnen Zugang zur Natur zu verschaffen.» Im Ausstellungskubus werden die einzelnen Projekte vorgestellt, illustriert von zeitgenössischen Zeitungsberichten.

 

Blick in die Ausstellung. Bild: Napoleonmuseum Thurgau

Imagepflege für einen Kaiser

Napoléon III. hat nicht überall einen guten Ruf. «Expansive Aussenpolitik» wird ihm attestiert – was im Klartext heisst, dass er Kriege führte, um das Territorium Frankreichs zu vergrössern. «Wir müssen ihm zugutehalten, dass er im Deutsch-Französischen Krieg 1870 bei Sedan kapitulierte, um ein unnötiges Blutvergiessen seiner Soldaten zu verhindern», meint Expertin Christina Egli.

22 Jahre zuvor, 1848, hatte sich Louis-Napoléon als Präsident wählen lassen, sich dann aber nach einem Putsch 1852 zum Kaiser gemacht. «Immerhin hat er sich das von Volk bestätigen lassen», so Christina Egli. «So viel Einfluss hat seine Jugend in der basisdemokratischen Schweiz wohl doch gehabt.»

In den 18 Jahren seiner Regentschaft modernisiert er nicht nur Paris, sondern die gesamte französische Wirtschaft. «Ich bin kein Fan», sagt die Kunsthistorikerin, «ich weiss, dass Napoléon III. Fehler gemacht hat, aber ihm wird bis heute nicht die Anerkennung gezollt, die er als Modernisierer Frankreichs verdient hätte.»

 

Christine Egli sitzt quasi in einem Park in Paris, wenn sie die Ausstellung auf dem Arenenberg besucht. Bild: Inka Grabowsky

Im Park 13 hölzerne Geschichtenerzähler

Die Ausstellung ist für zahlende Besucher zu den üblichen Öffnungszeiten zugänglich, den Park rund um den Arenenberg jedoch kann man jederzeit gratis bewundern. Und hier kann man im Vorübergehen vieles über Napoléon III. und die andern «Grünen Fürsten» lernen.

Auf 13 lebensgrossen Silhouetten echter und fiktiver Zeitzeugen stehen kurze Texte. «Wir haben bewusst auch jene Menschen zu Wort kommen lassen, die mit den praktischen Aspekten des Parks befasst waren, etwa der Rebmeister, ein Schäfer, Angestellte des Hofes oder ein Bauernpaar», sagt Dominik Gügel.

Auf besonderes Interesse könnte ein Liebesbrief stossen, auf den der Scherenschnitt von Louis-Napoléon und Betty von Mainau verweist. Den ersten Teil des historischen Schriftstückes bekommt man am Eingang des Arenenberger Parks zu lesen, für den zweiten Teil muss man den QR-Code am Lilienberg scannen und den Schluss des Briefs gibt es im Kreuzlinger Seeburgpark.

 

Den ersten Teil eines Liebesbriefs an Louis-Napoléon gibt es auf dem Arenenberg - verborgen unter dem QR Code. Bild: Inka Grabowsky

 

Baronin Barbara «Betty» von Mainau, geb. Mumb von Mühlheim (1818 – 1865) . Bild: Napoleonmuseum Arenenberg

Im Bistro das passende Menü

Der Arenenberg besteht nicht nur aus dem Napoleonmuseum und dem Park. Angeschlossen sind auch das Gut, das sich unter anderem dem Weinbau widmet, und der Seminarbetrieb mit eigener Gastronomie. Diese beiden Abteilungen beteiligen sich gern an der Sonderausstellung.

Die Winzer haben einen Pinot Noir zu einem Schaumwein ausbauen lassen. Und dem Titel «Cascade» - in Anlehnung an den Wasserfall im Park, der derzeit wieder hergerichtet wird - kann er die dekorative Vesperplatte begleiten, die das Bistro kreiert hat.

 

Eine Anekdote erklärt der Schinken auf der Wäscheleine. Ein Dienstmädchen hat Helfer beim Wäscheaufhängen in Naturalien entschädigt. Bild: Inka Grabowsky

Eine Station auf einer Museumstour durch die ganze Region

Museumsdirektor Dominik Gügel erhofft sich von der grenzüberschreitenden Kooperation «Grüne Fürsten am Bodensee» durchaus ein Mehr an Besuchern. «Es ist das erste Mal, dass wir ein so grosses Projekt gemeinsam stemmen. Und ich weiss nicht, ob der Plan aufgeht. Aber wir Museen stehen vor einem Generationenwechsel, was die Besucher angeht. Deshalb wollen wir unsere Art der Vermittlung spielerischer angehen und mit Hilfe digitaler Elemente wie der QR-Codes anpassen. Ich bin gespannt auf die Erfahrungen, die wir machen.»

Wer die Codes auf den Holz-Silhouetten mit seinem Smartphone öffnet, bekommt nicht nur Hintergrundinformationen, sondern auch Verweise auf weitere lohnende Stationen auf einer Tour durch die Museumslandschaft am Bodensee.

Die Zusammenarbeit hat für die Besucher nebenbei handfeste Vorteile. Wer etwa auf der Insel Mainau ein Eintrittsticket vom Napoleonmuseum vorlegt – egal von welchem Tag zwischen Anfang Mai und Ende Oktober – bekommt fünf Franken Rabatt auf den Eintritt. Umgekehrt gilt das natürlich genauso.

 

 Arenenberger Parkblick von Südwesten um 1834. Bild: Familienarchiv Gügel-Frank

 

Rahmenprogramm

9. Mai 2023, 19:00: «Napoleon III. – Ein grüner Kaiser», Vortrag von Christina Egli, stv. Direktorin Napoleonmuseum Arenenberg, Landratsamt Konstanz (grosser Saal)

 

12. Juni 2023, 19:00 Uhr: «Grüne Fürsten am Bodensee», Vortrag von Dominik Gügel, Direktor Napoleonmuseum Arenenberg, Landratsamt Konstanz (grosser Saal)

 

Im Juni werden ausserdem zwei Bücher von Dominik Gügel und von Christina Egli zum Thema veröffentlicht.

 

 

 

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