Seite vorlesen

von Barbara Camenzind, 27.09.2022

Klassik für Neueinsteiger

Klassik für Neueinsteiger
Energisch und mit vollem Körpereinsatz dirigierend: Gloria Isabel Ramos Triano und die Weltsaiten Sinfonietta. | © Barbara Camenzind

Eine Uraufführung und zwei alte Bekannte: Die Weltsaiten Sinfonietta präsentierte neue expressionistische Musik im Kloster Fischingen. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Die Pandemie war eine Herausforderung für so genannt „Nicht-Ständig-Zusammenspielende“. Wie schön, haben die „Weltsaiten“, die aus einem Pool von Berufsmusikern zusammengesetzt sind, es geschafft, sich wieder neu zusammenzufinden.

Dirigentin Gloria Isabel Ramos Triano gilt als Expertin für Musik aus dem Mittelmeerraum, sowie für die Musik des 20. Jahrhunderts. Mit dem Werk „El Pas del Temps“ des katalanischen Komponisten Jordi Capellas (*1962) präsentierte sie ganz frische, wenn auch nicht ganz so neu tönende Musik.

Mit vollem Körpereinsatz

Die drei Sätze „Mirant per la finestra“ (Ausblick aus dem Fenster), „Sol a l’estudi“ (Alleine im Studierzimmer) und „Retrobament“ (Wiedervereinigung) waren hübsche, leicht expressionistische Miniaturen, die solide gebaut in den achtsam agierenden Streichern sich stufenweise immer mehr vom konsonanten in den freitonalen Obertonbereich verschoben.

Die Dirigentin mit vollem Körpereinsatz die Übergänge gestaltend, die sehr bewusst und präzise durchgeführt werden mussten. Charmant die Pizzicato-Passagen in allen Streichergruppen, die trotz des mediterranen Flairs irgendwie an die „Simple Symphony“ des Engländers Benjamin Britten erinnerten.

Capellas’ Komposition ist lässige Wohlfühlmusik, harmonisch eher ungefährlich, aber auch solche Töne sind farbige Facetten der Zeitgenössischen Musik.

Papa Haydn unverzopft

Wem das schon zu viel neue Klangkost am verregneten Sonntag Nachmittag war, konnte sich darauf beim guten alten Papa Haydn erholen. Wobei: Pianistin Fabienne Romer sah das anders. Herrlich, wenn eine Musikerin spürt, dass die Wiener Klassik eine Liebschaft mit der ostalpinen Volksmusik pflegte. Der bodenständige Anschlag, die brillant gespielten Läufe, das Bewusstsein für Leicht und Schwer - wer Haydn so frisch, ungekünstelt und unverzopft spielt, hat eigentlich einen Orden verdient.

Das G-Dur-Klavierkonzert schrieb Joseph Haydn in seiner Zeit als Kapellmeister bei Fürst Esterházy, weist aber in der Gestalt des Klavierparts und der Interaktion mit dem Orchester schon voraus in die Zeit, als der Komponist in England weilte. Das ausgewogene Gleichgewicht zwischen der Stimme des Orchesters und der des Flügels mit seinen Koloraturen, kennen Liederfans von den englischen Canzonettas dieses Komponisten.

Tiefenentspannter Dvořák

Wirklich tiefenentspannt gestalteten die Weltsaiten die Serenade in E-Dur von Antonín Dvořák op. 22. Vielleicht etwas zu tiefenenspannt, in den langsamen Sätzen drohte hin und wieder der Faden zu reissen. Dafür hätte der Klangkörper wohl noch etwas mehr zusammengespielt sein müssen.

Sehr schön aber das Vivace, energisch geführt von Ramos Triano, ein zauberhaft geheimnisvolles Larghetto und die gewagten Tempowechsel im Schlusssatz machten Spass zuzuhören. Ein schönes Programm, schwungvoll präsentiert, eigentlich perfekt für zuhörende Klassik-Neueinsteiger.

Kommentare werden geladen...

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Musik

Kommt vor in diesen Interessen

  • Kritik
  • Klassik

Werbung

„Der Thurgau ist ein hartes Pflaster!“

Wie ist es im Kanton für junge Musiker:innen? Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen!

Was bedeutet es heute Künstler:in zu sein?

In unserer Serie «Mein Leben als Künstler:in» geben dir acht Thurgauer Kulturschaffende vielfältige Einblicke!

Eine verschleierte Königin

Einblicke ins Leben der Künstlerin Eva Wipf: Hier geht's zu unserer Besprechung der aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau.

Fünf Dinge, die den Kulturjournalismus besser machen!

Unser Plädoyer für einen neuen Kulturjournalismus.

Unsere neue Serie: «Wie wir arbeiten»

Unsere Autor:innen erklären nach welchen Grundsätzen und Kriterien sie arbeiten!

#Kultursplitter im November/Dezember

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

15 Jahre Kulturkompass

Jubiläumsstimmen und Informationen rund um unseren Geburtstag.

«Kultur trifft Politik» N°I

Weg, von der klassischen Podiumsdiskussion, hin zum Austausch und zur Begegnung. Bei der ersten Ausgabe am Mittwoch, 27. November geht es um das Thema "Räume".

Kultur für Klein & Gross #22

Unser Newsletter mit den kulturellen Angeboten für Kinder und Familien im Thurgau und den angrenzenden Regionen bis Ende Januar 2025.

"Movie Day": jetzt für 2025 bewerben!

Filme für das 12. Jugendfilm Festival können ab sofort angemeldet werden. Einsendeschluss der Kurzfilme für beide Kategorien ist der 31.01.2025

Kulturplatz-Einträge

Veranstaltende

Kultur Kloster Fischingen

8376 Fischingen

Ähnliche Beiträge

Musik

Die Musikerklärer

Hört man Musik anders, wenn man weiss, wie sie entstanden ist? Das Orchester Divertimento hat ein spannendes neues Musikvermittlungsprojekt gestartet. mehr

Musik

Schläft ein Lied in allen Dingen

Der Südtiroler Vollblut-Musiker Max Castlunger entwickelt Musikinstrumente aus Zivilisationsrückständen. „Upcycling Music“ ist ein brückenbauendes Projekt zwischen den Generationen. mehr

Musik

«Das ist eine unglaubliche Kraft!»

Wie ist es, mit einem grossen Orchester zu arbeiten? Der Thurgauer Schlagzeuger Fabian Ziegler erklärt es in einer neuen Folge seiner Serie «Zieglers Tournee-Tagebuch». mehr