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Licht ist immer. Irgendwo.

Licht ist immer. Irgendwo.
Was sind wir füreinander, wenn nicht alles? Eine Tanztheaterinszenierung in Konstanz stellt eine grosse Frage. | © Helmut Bär

Was uns zusammenhält: Eine Performance des interkulturellen Tanztheaters in Konstanz gibt einem ein schon fast vergessenes Gefühl zurück – Zuversicht. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Jung sein war auch schon mal leichter. Die Klimakrise lässt Zukunftshoffnungen zu Existenzsorgen schmelzen. Rassismus und Mobbing sind Alltag auf vielen Schulhöfen. In den sozialen Medien wollen Rechtspopulist:innen einem verblüffend einfache Antworten auf verdammt komplizierte Fragen als Lösung aufschwatzen. Überhaupt die sozialen Medien: Längst ein Ort, an dem man nur lernt, sich selbst zu verkaufen, aber nicht einfach nur man selbst zu sein.

Tatsächlich ist die instabile Lage junger Menschen ein weltweites Phänomen. Im globalen Norden ebenso wie im globalen Süden. Zuletzt kursierten Schlagzeilen über eine neue Protestbewegung in den afrikanischen Metropolregionen. Das Schlagwort: „Jugendbeben“ (nach dem Titel eines 2021 erschienenen Buchs). In Südafrika, Senegal und Kenia gehen gerade viele junge Menschen auf die Strasse. Sie wollen damit auf eine grosse Jobkrise aufmerksam machen, die ihnen die Zukunftsperspektive raubt.

Wohin mit der Wut und der Angst?

Wie jetzt mit all dem umgehen? Wohin mit all dem Frust, der Wut und der Angst? Eine Gruppe internationaler junger Menschen hat sich um die Konstanzer Theaterpädagogin Tanja Jäckel und die Choreograf:innen Marvin Paulo-Muhongo, Charlotte Lott und Sarah Domitille Jehle zusammengefunden. Sie sind zwischen 16 und 34 Jahren alt, stammen aus zehn unterschiedlichen Ländern und haben gemeinsam vor drei Jahren ein interkulturelles Tanztheater gegründet. Der Kern des Ganzen: der gemeinnützige Verein Hope Human Rights.

Das Ziel hat der Konstanzer Verein auf seiner Website klar formuliert: „Vor Ort und international fördern wir den Dialog der Kulturen. Durch den Einsatz von künstlerischen Methoden wie Tanz, Theater und bildende Kunst schaffen wir wertvolle Begegnungen. Wenn wir lernen, unsere künstlerischen Fähigkeiten zu entdecken, ist das der erste Schritt zu innovativen Lösungen. Uns verbindet ein gemeinsames Ziel: das kulturelle Miteinander im aktiven Austausch.“

 

Stehen wir noch unter demselben Himmel? Szene aus der Tanztheaterperformance "under the same sky" des interkulturellen Tanztheaters aus Konstanz. Bild: Helmut Bär

Die Suche nach dem gemeinsamen Horizont

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Inszenierungen und Tanzperformances zu aktuellen Themen und Krisen unserer Zeit. Die neueste Produktion „under the same sky“ (Regie: Tanja Jäckel; Choreografie: Marvin Paulo-Muhongo, Charlotte Lott und Sarah Domitille Jehle) versucht nochmal einen neuen Ansatz. Es geht um die Untersuchung des „Menschseins mit all seinen Facetten“, schreibt das Ensemble in der Ankündigung. Die Prämisse des Stücks: Wenn wir doch alle unter demselben Himmel wandeln, müsste es dann nicht auch gelingen, einen gemeinsamen Horizont zu schaffen?

An einem Freitagabend ist Premiere in Konstanz. Draussen hat ein Gewitter die Temperaturen heruntergekühlt, in der Spiegelhalle steckt die Hitze des Tages fest. Ausverkauftes Haus, aufgeregte Stimmung, im Publikum sitzen auch viele Freunde und Eltern der jungen Tänzerinnen und Tänzer. Einige der Akteur:innen stehen bereits vor Aufführungsbeginn auf ihren Positionen.

Der Körper ist hier die Sprache

Dann geht’s los. Mit Rebellion und Revolution. „Wir brauchen eine Revolution des Geistes und der Haltung“, sagt Lisper Nyawira, eine der Spielenden, nachdem sie verschiedene Krisenmomente unserer Zeit aufgezählt hat. Das Grundgefühl: Wir gehören schon irgendwie zusammen, aber es gibt auch immer wieder Momente, die uns auseinander treiben lassen. Die Choreografie (Ausstattung: Joachim Steiner) greift das auf und lässt einzelne Tänzer:innen immer wieder aus dem Gesamtensemble ausbrechen. Der Körper als Sprache – das Mittel funktioniert herausragend gut in dieser 40-minütigen Inszenierung. Für Ohnmacht, Angst, Freude, Ekstase braucht es keine Worte. Sie transportieren sich über Bewegungen.

Was ebenfalls gut gelingt, sind die Wechsel der Tempi in der Choreografie, die den verschiedenen Stimmungen Ausdruck verleihen. Zwischen die Tanzszenen fügen sich kurze Monologe aus berührenden Texten von Autorinnen wie Kae Tempest und Amanda Gorman sowie flammend-flehende Songs wie Celestes grossartiges „Hear my voice“ (umwerfend gesungen von Johanna Held und musikalisch begleitet von Gerrit Stenzel). Getragen wird der Abend vor allem von der Energie und der Entschlossenheit der jungen Menschen auf der Bühne. Fast möchte man sagen: Diese reine, überbordende und vor Glück und Euphorie nur so strotzende Energie, gibt es nur im Jungen Theater.

 

Körper als Sprache: Das Ensemble des interkulturellen Tanztheaters Konstanz. Bild: Helmut Bär

Was man als Zuschauer:in mitnimmt

Als Zuschauer:in nimmt man am Ende vor allem drei Kernbotschaften des Stücks mit: 1. Wir müssen mehr auf die Stimme junger Menschen im gesellschaftlichen Diskurs hören („Hear my voice“!). 2. Was sind wir füreinander, wenn nicht alles? 3. Licht ist immer. Irgendwo. Man muss es nur finden.

Und bei allem Dunkel da draussen: Das Licht ist ja tatsächlich auch noch da. „Zukunft wird aus Mut gemacht“ war 2017 mal ein Wahlkampf-Slogan der Grünen. „Liebe wird aus Mut gemacht“, hat die Neue-Deutsche-Welle-Diva Nena mal gedichtet. Beides findet sich auf wunderbare Weise in der Inszenierung des interkulturellen Tanztheaters wieder. Das ist nicht naiv. Zuversicht ist eine schlichte Notwendigkeit, wenn man von Krisen umzingelt ist und nicht kampflos untergehen will. Stark.

Weitere Vorstellung: 21. September (Theaterfest Theater Konstanz)

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