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von Jana Mantel, 07.04.2025

Marktplatz der Möglichkeiten

Marktplatz der Möglichkeiten
Wie wäre es mit einem Foto, Video oder Podcast - hier probieren sich Ilan und Stefan Selmani bei Patricia Spuler aus. | © Jana Mantel

Im Talenticum in Romanshorn können Menschen ab sechs Jahren ihre eigenen Fähigkeiten und Vorlieben kennenlernen. Ein Besuch an einem Ort, der sich gerade selbst erfindet. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Lust auf Bauen, aber daheim gibt es nicht genug Platz oder das richtige Werkzeug? Lust auf was Kreatives, aber keine Idee, ob Malen, Drucken oder Modellieren das Richtige ist? Lust darauf, einen Podcast zu produzieren, aber keine Ahnung wie und wo man damit anfängt?

Diese Liste liesse sich sicherlich beliebig fortführen, doch das ist gar nicht nötig, denn für Fragen dieser Art gibt es nun eine Antwort. Oder besser gesagt, einen Ort: Das Talenticum in Romanshorn.

 

EIn Lageplan der Möglichkeiten hängt im Flur des Talenticums. Bild: Jana Mantel

Keine Konkurrenz zu Sport- oder Musikverein

Hier ist genau der Ort für Menschen ab sechs Jahren, an dem man fündig werden kann, wenn man etwas machen möchte und nicht so richtig weiss, was und wie. „Wir füllen mit dem Talenticum eine Lücke“, sagt Yves Zellweger, der die Projektleitung seit einem Jahr innehat. „Wir wollen weder dem Sportverein noch der Musikschule Konkurrenz machen“, erklärt er das Konzept, „Wir sind eher wie ein Marktplatz der Möglichkeiten und wollen dann von der Talententdeckung bei Kindern und Jugendlichen zur Talententfaltung kommen.“ 

Somit richtet sich das Talenticum an alle die, die noch nicht so richtig wissen, in welche Richtung sie sich weiter entwickeln möchten oder können. Will heissen, dass man sich vielleicht für textiles Gestalten interessiert und dann im Talenticum zufällig auf dem Weg in diese kreative Ecke an der Bauecke, der Experimentierwerkstatt oder dem Tonstudio vorbeikommt und sich denkt, dass man das ja eigentlich auch mal ausprobieren könnte. 

Damit will der Romanshorner Bildungsort auch eine Ergänzung zur Schule sein: „Wofür im engen Zeitplan eines Klassenzimmers oft keine Zeit bleibt und oft auch die Infrastruktur nicht gegeben ist, soll hier vertieft erforscht, untersucht und behandelt werden können“, heisst es auf der Internetseite der Einrichtung.

 

Yves Zellweger, Marietta Ochsner, Peter Fratton tauschen sich über den Ablauf an dem Tag aus. Bild: Jana Mantel

Zwölf Bereiche, in denen man sich selbst entdecken kann

„Man muss sich nicht im Vorfeld für etwas entscheiden, bevor man einen Ort wählt, zu dem man hingeht, sondern man kann sich locken lassen vom vielfältigen Angebot hier im Talenticum“, so Zellweger. Tatsächlich spielt er auf die derzeit zwölf Bereiche an, die in dem Mietobjekt in der Nähe des Bahnhofs Romanshorn ihr zuhause gefunden haben. 

Sie heissen: Film und Foto, Digitale Welt, Labor, Schreiben, Robotik, Kunst und Design, Startup, Erfinden, Tonstudio, Sternenstaub, Textiles und darstellende Künste. Somit sind sie wie ein Kaleidoskop der Möglichkeiten für alle diejenigen, die noch nicht fest verwurzelt in einem Verein sind und ihr eigenes Talent womöglich noch suchen. 

 

Hier am Tisch kann gemalt, gedruckt und gebastelt werden. Bild: Jana Mantel

2028 geht es in einem Neubau weiter

„Diese Talentwerkstätten, die wir derzeit anbieten, haben sich in einem längeren Prozess und der Erfahrung herauskristallisiert“, sagt er, wohlwissend, dass es noch viele weitere interessante Bereiche wie zum Beispiel Garten oder Kochen gäbe, die die derzeitigen Räume jedoch momentan nicht hergeben. 

Wie gut, dass es im Januar 2028 mit einem Neubau weitergeht, erzählt Peter Fratton, Verwaltungsratspräsident. „Zugrunde liegt dem talenticum die Regula und Fredy Lienhart Stiftung und Romanshorn ist derzeit das Vorzeigeprojekt in Sachen Talenticum“, so Fratton, der in Romanshorn geboren wurde. Das Talenticum will ein Ort für alle Kinder sein. Entsprechend fördert die eigens dafür gegründete Talenticum Stiftung Kinder und Jugendliche, deren Eltern ihnen aus finanziellen Gründen den Besuch des Talenticum nicht ermöglichen könnten.

Welchen der vielen Räume würde Verwaltungsratspräsident Peter Fratton besuchen? „Ich persönlich würde wohl in einen naturwissenschaftlichen Raum gehen, wenn ich heute als Kind hier wäre“, sagt er, schmunzelt und entscheidet sich schliesslich in Gedanken für die Talentwerkstatt Robotik. 

 

Mauro Dux hat seinen Roboter über mehrere Wochen lang selbst zusammengebaut. Bild: Jana Mantel

Die Zeit? Kann man hier gut vergessen

Dort sitzt gerade Mauro Dux und baut seinen Roboter zu Ende. Der 15-Jährige war schon häufiger hier zu Gast und mag die Herausforderung, eine gestellte Aufgabe zu lösen. Mit seinem vor ihm stehenden Fahrzeug scheint er zu dem Zeitpunkt recht zufrieden, denn es sammelt, wie von Mauro Dux gewollt, kleine Klötze auf. „Man kann sich hier richtig in seine Sache hinein vertiefen und die Zeitvergessen“, sagt er. 

Ebenso vertieft in seine Arbeit, die aber eher kreativer Natur ist, ist der neunjährige Kai Schick. Er ist zum ersten Mal mit seiner Mutter im Talenticum und ist entschlossen, aus der vor ihm liegenden Knetmasse einen Blumentopf oder ein Trinkglas zu formen. 

Ganz in der Nähe sieht man Selina Rotach immer wieder im Austausch mit drei Mädchen, die Textilien bemalen. Die Schneiderin und Modedesignerin steht in dem hintersten Bereich hilfsbereit zur Seite und gibt Tipps. „Hier kann man sich wirklich kreativ ausleben“, kommentiert sie gutgelaunt.

 

Kai Schick ist zum ersten Mal hier mit seiner Mutter Memie, er möchte ein Trinkglas oder einen Blumentopf gestalten. Bild: Jana Mantel

Konzentrierte Zwiegespräche und ein 3D-Drucker

Gute Laune haben auch ein Vater-Sohn Gespann. Noray Altun hat seinen Vater Mustafa mitgebracht und gemeinsam bauen sie eine Kugelbahn und scheinen genau zu wissen, was sie tun. Konzentriert hört man sie nur kurze Absprachen miteinander machen und weiterhämmern, schrauben und sägen. Dahinter probiert sich Roman Lozovyi an einem Pappauto aus und lässt sich von seiner Mutter Anastasia dabei helfen. 

Ein sehr beliebter Ort ist eine abgetrennte Ecke gleich dahinter, in der zwei 3D-Drucker stehen. Michael Staab, im wahren Leben Lehrer für Informatik, beaufsichtigt den Bereich und schafft es, den Andrang mit Ruhe unter Kontrolle zu halten und den Kindern Geduld abzuverlangen, immerhin sind die 3D Drucke mitnichten in ein paar Minuten fertiggestellt. 

 

Noray (vorn links) und sein Vater Mustafa Altun (rechts vorn) bauen gemeinsam eine Kugelbahn, hinten hilft Anastasia Lazova ihrem Sohn Roman beim Bau eines Autos. Bild: Jana Mantel

Entspannung inklusive: Auf Sofas, dem Trampolin oder mit Büchern

Etwas entspannter geht es dagegen im Fotostudio auf der anderen Seite des grossen Raumes zu. Dort probiert Patricia Spuler mit den beiden interessierten Jungs Stefan und Ilan Selmani verschiedene Hintergründe für eine mögliche Video oder Fotoaufnahme aus. 

Wer sich in all dem Trubel und Intensität der Eindrücke einmal kurz ausruhen möchte, kann sich in einem Küchenbereich stärken oder auch immer wieder auf Sofas pausieren, Trampolin springen, in Büchern blättern, den anderen zusehen und sich dann wieder neu inspirieren lassen. 

Auch die Initiator:innen lernen ständig dazu

„Wir haben neben den freien Werkstätten auch Kurse und Workshops, für die man sich anmelden kann“, ergänzt Ivo Zellweger mit Blick auf das Schauspieltraining für verschiedene Altersgruppen oder die Schreibwerkstatt. Zudem könne man auch nur konkret mit einem Anliegen ins Talenticum kommen, zum Beispiel wenn man einen Podcast machen möchtem aber noch nicht weiss wie das geht, erklärt er noch. 

„Wir lernen auch immer weiter dazu, sozusagen mit jedem Talententdeckungsnachmittag und mit den Rückmeldungen der kleinen und grossen Besucher“, sagt Zellweger. Aber das macht das Talenticum auch wieder sehr sympathisch. 

Mehr Informationen zu allen Angeboten gibt es unter talenticum.swiss 

 

Selina Rotach ist Schneiderin und Modedesignerin, sie betreut die Kinder im Bereich Textiles Arbeiten. Bild: Jana Mantel

 

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