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Kritiker fordert Entschuldigung von der Kulturstiftung

Kritiker fordert Entschuldigung von der Kulturstiftung
Alex Bänninger war eine der härtesten Kritiker der Kulturstiftung vor zwei Jahren. Durch die Entscheidungen des Regierungsrats fühlt er sich bestätigt. | © zVg

Ende 2016 stand die Kulturstiftung massiv in der Kritik. Kantonsräte stellten vor allem ihre Fördermittelvergabe-Praxis in Frage. Jetzt hat die Politik Änderungen auf den Weg gebracht. Sie gelten ab 1. Januar 2019. Die Kritiker zeigen sich zufrieden. Einer fordert aber mehr.

Von Michael Lünstroth

«Kulturstiftung des Kantons Thurgau - ein Selbstbedienungsladen?» lautete der Titel einer Interpellation, die zahlreiche Kantonsräte auf Initiative von Urs Martin (SVP) im Mai 2016 unterzeichnet hatten. Danach folgten Monate der Auseinandersetzung über die Stiftung und die Vergabe ihrer Fördermittel inklusive ausführlicher Debatte im Grossen Rat. Auch als eine Reaktion darauf, darf man wohl die Änderungen verstehen, die die Politik nun vorgenommen hat. In einer Medienmitteilung der Staatskanzlei heisst es etwas nebulös formuliert, dass der Regierungsrat «die Änderung der Stiftungsurkunde der Kulturstiftung des Kantons Thurgau genehmigt» habe. 

Dahinter stecken vor allem drei Neuerungen. Erstens: Mitglieder des Stiftungsrats dürfen ab 1. Januar 2019 während ihrer Tätigkeit im Stiftungsrat keine eigenen Gesuche einreichen. Dass Stiftungsräte bislang eigene Gesuche stellen durften, war in der Debatte 2016 einer der Hauptkritikpunkte gewesen. Zweitens: Die Amtszeit der Stiftungsratsmitglieder wird auf acht Jahre begrenzt, zuletzt waren es 12 Jahre gewesen. Lediglich bei Übernahme des Präsidiums kann nun noch auf 12 Jahre verlängert werden. Drittens: Die Aufsicht durch den Regierungsrat wird in der Stiftungsurkunde jetzt ausdrücklich erwähnt. Bei den Kritikern kommen die Massnahmen gut an. Auf Anfrage von thurgaukultur.ch erklärt Urs Martin: «Indem Stiftungsräte der Kulturstiftung selber keine Gesuche mehr stellen dürfen, hat der Thurgauer Regierungsrat meinem 2016 geäusserten Hauptvorwurf, wonach die Stiftung ein Selbstbedienungsladen ist, weil Stiftungsratsmitglieder über Jahre mehrere hunderttausend Franken an Beiträgen aus der Stiftung erhielten, nachträglich rechtgegeben. Es ist höchste Zeit, dass Corporate Governance auch im Kulturbereich Einzug findet. Damit wird die Glaubwürdigkeit der Kulturpolitik gestärkt.»

Wird es jetzt schwieriger, Stiftungsratsmitglieder zu finden?

Für Renate Bruggmann, Präsidentin der Kulturstiftung, sind die Anpassungen nicht nur eine Reaktion auf die Kritik an der Stiftung. «Eine Überprüfung der Stiftungsurkunde war schon länger geplant. Sie ist inzwischen 27 Jahre alt und da waren einige Änderungen - zum Beispiel im Hinblick auf die Richtlinien des Regierungsrats zur Public Corporate Governance - fällig.» Die weiteren Anpassungen hätten sich aus der Diskussion in der Stiftung und mit dem Regierungsrat ergeben, so Bruggmann weiter. Vor allem die Regelung zu Gesuchen von Stiftungsräten sei oft ein Kritikpunkt aus der Politik gewesen. Deshalb habe man dies jetzt geändert.

«Was die Änderungen für die Stiftungen bedeuten,  ist jetzt noch nicht abzusehen.» Renate Bruggmann, Präsidentin der Kulturstiftung, zu den Anpassungen bei der Kulturstiftung.«Was die Änderungen für die Stiftungen bedeuten, ist jetzt noch nicht abzusehen.» Renate Bruggmann, Präsidentin der Kulturstiftung, zu den Anpassungen bei der Kulturstiftung. Bild: Michael Lünstroth

Was das für die Kulturstiftung bedeute, könne sie jetzt noch nicht genau sagen, erklärte Renate Bruggmann. «Da müssen wir ein paar Jahre in der Praxis abwarten», so die Stiftungspräsidentin. Eine Befürchtung, die sie allerdings hat: «Es könnte sein, dass es nun schwieriger wird für uns aktive Kulturschaffende aus dem Kanton zu finden, die bereit sind in das Gremium zu gehen, weil sie sich als Mitglieder künftig nicht mehr um Gelder bewerben können.» Eine Konsequenz daraus könnte laut Bruggmann sein, dass in der Zukunft mehr Stiftungsratsmitglieder aus anderen Kantonen in das Gremium kommen.

Für den Publizisten Alex Bänninger, er war 2016 einer der massgeblichen Kritiker der Vorgehensweise der Stiftung, waren diese Änderungen überfällig: «Mit den Neuerungen folgt die Kulturstiftung des Kantons Thurgau endlich Regeln, die für eine transparente Fördertätigkeit zeitgemäss und notwendig sind. Für diesen Schritt verdienen Regierungsrat und Stiftungsrat Dank und Anerkennung. Die Kulturschaffenden und Kulturvermittler werden gestärkt», so Bänninger auf Nachfrage. Eine erfreuliche Klärung in den Zuständigkeiten bringe auch die geänderte Verordnung zum Gesetz über die Kulturförderung und die Kulturpflege, erklärt er weiter. Ganz abgeschlossen mit dem Thema hat er indes noch nicht: «Rückblickend wundere ich mich nur, weshalb ich wegen meiner Kritik von Personen, die der Kulturstiftung nahestehen, unflätig und ohne jeden Sachbezug angegriffen wurde. Eigentlich wären jetzt Entschuldigungen angebracht.»

Über das Budget der Kulturstiftung entscheidet neu der Grosse Rat

Die Neuerungen bei der Kulturstiftung stehen auch im Zusammenhang mit einer anderen Meldung aus dem Regierungsrat: Die Neuregelung der Finanzkompetenzen bei Beiträgen aus dem Lotteriefonds ist nun auch offiziell genehmigt. Neu entscheidet der Grosse Rat über einmalige Beiträge von über drei Millionen Franken und über wiederkehrende Beiträge ab einer Million Franken. Damit ist neu der Grosse Rat unter anderem auch zuständig für die Finanzierung der Kulturstiftung, die für eine Laufzeit von vier Jahren mit insgesamt 4,4 Millionen Franken (1,1 Mio. Franken pro Jahr) alimentiert werden soll. Das bedeutet, dass die Kulturstiftung in diesem Jahr erneut Thema im Grossen Rat wird. Ohne klar erkennbare Konsequenzen aus der Debatte 2016 hätte das für die Stiftung wohl eine schwierige Sitzung werden können.

Hinweis: thurgaukultur.ch wird von der Kulturstiftung unterstützt. Die Stiftung ist Aktionärin der thurgau kultur AG

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