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von Inka Grabowsky, 15.11.2019

Was der Wald uns erzählen kann

Was der Wald uns erzählen kann
Aug in Aug mit der Wildsau. | © Inka Grabowsky

In der neuen Sonderausstellung «Wild auf Wald» zeigt das Naturmuseum Thurgau die aussergewöhnlichen Seiten des Waldes. Und blickt auch auf aktuelle Probleme: Seine Rolle als Biotop, Wirtschaftsfaktor und Erholungsraum verändert sich durch den Klimawandel. 

„Ich bin selbst wild auf Wald“, räumt Museumsdirektor Hannes Geisser ein. „Auf meine alten Tage hätte ich gern ein Stück Wald, um zu verfolgen, was dort passiert.“ Dementsprechend begeistert ist er von der Ausstellung, die das Naturama Aargau vor vier Jahren gestaltet hat und die nun Station in Frauenfeld macht.

Am ersten Raum der Ausstellungsfläche im dritten Stock des Naturmuseums werden Kinder besonders viel Freude haben. Im Halbschatten der Papp-Bäume müssen sie nämlich die ausgestopften Waldtiere selbst suchen, so als seien sie wirklich draussen auf der Pirsch. Das Wildschwein und den Uhu findet man schnell, aber damit der Blick auf Siebenschläfer, Baummarder oder Waldschnepfe fällt, muss man in jede Nische und jeden Wipfel blicken. Hat man gesehen, welche Tiere und Pflanzen zusammen das Biotop bilden, kann man sein Wissen vertiefen. Wie funktioniert ein Baum? Wie klingt er? Wie riecht der Wald? Wie sehen die genügsamen Moose und Flechten unter dem Binokular aus? Es gibt viel zu entdecken.

Museumsdirektor Hannes Geisser ist „Wild auf Wald“ - so der Titel der Ausstellung. Bild: Inka Grabowsky


„Den Farn zum Beispiel“, so Hannes Geissler. „Jedes Kind kennt ihn. Aber nicht jeder weiss, dass er ein lebendiges Fossil ist, das seit 300 Millionen Jahren auf der Erde wächst. Damit ist der Farn eine der erfolgreichsten Pflanzen.“ Überaus unscheinbar sind auch die Kotproben von Waldtieren hinter Plexiglas. „Das ist ein Biotop für sich“, erklärt der Biologe. „Hier legen Dungfliegen ihre Eier ab. Die Larven haben dann Nahrung im Überfluss und sind von Räubern geschützt. In der Scheisse leben, kann einen biologischen Vorteil haben.“

Zahlen und Fakten

Im zweiten Raum geht es etwas nüchterner zu. Der Kanton Thurgau hat mit nur 20 Prozent der Fläche vergleichsweise wenig Wald. Noch dazu sind grosse zusammenhängende Waldgebiete selten. „Die vielen Waldinseln haben auch einen Vorteil“, so Geisser. „Es gibt sehr viele Waldränder, an denen der Artenreichtum immer besonders hoch ist.“

40 Prozent aller Schweizer Tier- und Pflanzenarten lebten im Wald und seien auf Ruhezonen, nachhaltige Forstwirtschaft und auch auf herumliegendes Totholz angewiesen. Eine einzige Eiche könne das Zuhause von bis zu 600 Tierarten sein, eine Buche bringe es dagegen nur auf 300 Bewohner im nächsten Umfeld. Sollte Hannes Geisser es tatsächlich einmal zum eigenen Waldstück bringen, wäre er in guter Gesellschaft: 55 Prozent des Thurgauer Waldes befinden sich in Privateigentum. „Das sollte man bedenken, wenn man das nächste Mal durch den Wald spaziert.“

Auch das passiert im Wald: Uhu jagt Fuchs. Bild: Inka Grabowsky

Herausforderung Klimawandel

„Wenn der Mensch nicht eingegriffen hätte, dann stünde im Schweizer Mittelland ein riesiger Buchen-Mischwald“, erklärt der Museumsdirektor. Von solchen Verhältnissen sind wir bekanntlich weit entfernt. In den vergangenen Jahrzehnten hat insbesondere der Klimawandel, den Geisser für evident hält, Einfluss auf die Gesundheit des Waldes. „Seit den achtziger Jahren werden die Sommer immer heisser. Es ist zu trocken für unsere häufigsten Baumarten, die Fichte und die Buche.“ Die Fichte wird bei Wassermangel anfällig für den Borkenkäfer – ihr Holz könnte nach Jahrzehnten des Wachstums schnell wertlos werden.

Forstwirte müssten sich also heute schon überlegen, mit welchen Baumarten sie zukünftig noch Erträge erwirtschaften könnten. Die Esskastanie wird deshalb plötzlich auch nördlich der Alpen attraktiv. „Wer heute Marroni-Bäume anpflanzt, kann seinen Kindern und Enkeln wahrscheinlich reiche Ernten bescheren.“ Immerhin gibt die Ausstellung auch eine gute Nachricht. Bäume entziehen bei der Photosynthese der Atmosphäre das klimaschädliche CO2  – und der Wald in der Schweiz wächst! Seit der Jahrtausendwende sind 474 Quadratkilometer dazu gekommen.

Termine: Die Ausstellung ist bis zum 29. März 2020 im Naturmuseum Thurgau zu sehen. Der Eintritt ist frei. Die Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 14 – 17 Uhr; Samstag und Sonntag 13 – 17 Uhr. Das Museum im Internet: https://naturmuseum.tg.ch/ 

Die Ausstellung zeigt: Wald ist auch wirtschaftlich wertvoll. Bild: Inka Grabowsky

 

Das Rahmenprogramm zur Ausstellung

Die Waldbewirtschaftung der Zukunft wird am 18. Februar 2020 Thema eines Podiumsgesprächs zwischen Hannes Geisser und dem Kantonsforstingenieur Daniel Böhi.
 
Weitere Termine bis Jahresende:
 
17. November 2019, 10:30 Uhr
Lebensraum, Wirtschaftsfaktor, Kraftort
Führung durch die Sonderausstellung
 

10. Dezember 2019, 19:30 Uhr

Weltklasse! Archäologische Holzfunde aus dem Thurgauer Boden
Tischgespräch mit dem Archäologen Urs Leuzinger und Hannes Geisser
 
15. Dezember 2019, 10:30 Uhr bis 12 Uhr
Von Wunderpilzen, Holzbohrern und lautlosen Jägern
Familienführung

 

Wie tönt ein Baum? Museumsdirektor Hannes Geisser zeigt ein Exponat. Bild: zVg

 

 
 
 
 

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