15.07.2024
Ein ganzes Leben für eine Idee
Der Historiker, Anglist, Lehrer, Autor und Gründer des Kreuzlinger Seemuseums Hans-Ulrich Wepfer war Anreger und Pionier. Jetzt ist er mit 85 Jahren im Alterszentrum in Kreuzlingen gestorben. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
Von Urs Oskar Keller, Text und Bilder, Landschlacht TG
«In meinen Knabenjahren in Berlingen kam ich mit Gleichaltrigen gelegentlich in das kleine Haus des damals etwa 75-jährigen Adolf Dietrich, der nichts dagegen hatte, dass wir durch die Zimmer jagten und auf dem Dachboden herumsprangen. Ich war das dann bald einmal leid, ich blieb in Adolf Dietrichs Stube und fragte ihn, ob ich beim Malen zusehen dürfe. Ich durfte, und bald wurde er gesprächig und erzählte <vo früener>, und das faszinierte mich derart, dass ich immer wieder zu ihm ging. Ich durfte auch seine Schmetterlingssammlung betrachten und ihm beim Ausmisten des kleinen Stalles helfen, in dem Dutzende Meerschweinchen herumrannten», erinnert sich Hans-Ulrich Wepfer in meinem Buch «Adolf Dietrich – ein Künstlerleben am See» (2002). Er wuchs ja ganz in der Nähe auf. Die Familie Wepfer hat in den 1930er- und 1940er-Jahren im Berlinger Schulhaus gewohnt.
Von Zeit zu Zeit hat sich Wepfer auch als Vortragsredner angeboten. Sein Paradesujet war natürlich Adolf Dietrich. Seine Vorträge pflegte er – auch im Computerzeitalter – mit Dias zu untermalen.
Ein Jäger und Sammler
Hans-Ulrich Wepfer war ein Jäger und Sammler, dessen unermüdlicher Beharrlichkeit wir noch heute den Grundstock der Sammlungen im Seemuseum verdanken. Die Gründung und Betreuung des Fischerei- und Seemuseums, zunächst in Ermatingen (wo es hätte bleiben sollen), dann 1993 definitiv in Kreuzlingen, hat den Höhepunkt seines Lebens dargestellt. Schifffahrts- und Fischereigeschichte des gesamten Bodenseeraumes waren seine lebenslange Leidenschaft – sowie der Maler Adolf Dietrich.
Dazu gehörte auch die Reaktivierung des «Wöschhüslis» unweit des Seemuseum, wo er Anlässe organisierte, beispielsweise mit Schriftsteller Manfred Bosch zu den Bodenseebüchern. Wepfer, der engagierte Museumsmann, war auch ein Könner des Fundraising, der Geldbeschaffung. «Zweifellos sind auch seine Bücher <Damals bei uns im Thurgau> und <Postkartenschöner Thurgau> von bleibendem Wert», meint Verleger Bruno Oetterli aus Dozwil.
Wepfer steht stellvertretend für eine wohl heute aussterbende Generation, die ihr ganzes Leben einer Idee, einem Gedanken, einem Ziel gewidmet haben. Das auch mit einem hohen Mass an Bodenständigkeit, an Liebe zur Bodenseeregion – eine Liebe, die nie nur auf den Thurgau oder auf die Schweizer Seite beschränkt blieb.
In Berlingen aufgewachsen
Hans-Ulrich Wepfer wurde am 2. August 1938 in Berlingen geboren. Sein Vater, Otto Wepfer (1905-1984), stammte aus Oberstammheim ZH, war von 1937 bis 1954 Primarlehrer in Berlingen, seine Mutter, Greti Eggmann, aus Uttwil. Er wirkte drei Jahre als Sekundarlehrer und studierte anschliessend an der Universität Zürich Geschichte und Englische Literatur. Promotion 1968 mit einer Biografie des Thurgauer Historikers und Politikers Johann Adam Pupikofer (1797-1882). Dr. phil. Hans-Ulrich Wepfer wurde vom Regierungsrat des Kantons Thurgau am 17. März 1970 zum Hauptlehrer für Geschichte und Englisch am Lehrerseminar Kreuzlingen (heute Pädagogische Maturitätsschule Kreuzlingen) gewählt und am 31. Januar 2003 pensioniert.
Er war von 1972 bis 1990 Präsident des Thurgauer Heimatschutzes (unter anderem Rettung und Schenkung von Schloss Roggwil) sowie Initiant und bis 2012 erster Leiter des 1993 eröffneten Seemuseums in der Kornschütte in Kreuzlingen (Schifffahrts- und Fischereigeschichte des gesamten Bodenseeraumes). Und allein dafür gebührt ihm Anerkennung, Dank und Memoria. Hans-Ulrich und Gundel Wepfer-Köhler lebten in Kreuzlingen und haben drei erwachsene Söhne.
«Adolf Dietrich», sagte Hans-Ulrich Wepfer, «hat mir damals viel geben können. Vor allem verdanke ich ihm mein frühes Interesse für die einmalig schöne Umgebung von Berlingen, von der ich heute noch immer wieder träume, und in der ich häufig wandere. Unterwegs fällt mir dann auch das Wort wieder ein, mit dem Adolf Dietrich Superlative auszudrücken pflegte. Es lautet: <Suusiecheschöö!>»
Die Abdankung findet am Freitag, 19. Juli, 14 Uhr, in der evangelischen Stadtkirche, Bärenstrasse, in Kreuzlingen statt.
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