von Tabea Wick, 07.11.2023
Frei von der Leber und direkt ins Herz
Die Hagenwiler Songwriterin Selina Schildknecht hat kürzlich ihr erstes Album «Between Heart & Mind» veröffentlicht. Das Album überzeugt durch Ehrlichkeit und musikalische Vielschichtigkeit. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Vielleicht geht es der ein oder anderen Person ähnlich wie mir, wenn sie die Bezeichnung Singer-Songwriter hört. Ich zumindest denke dabei an Leute, die in einem Pub auf der Gitarre rumklimpern. Meistens Coversongs. Ihre eigens geschriebenen Lieder klingen dann bestenfalls ähnlich wie die Cover und so, als hätte man sie schon ganz oft gehört. An der leichten Unterhaltung ist an sich nichts falsch, nur wäre mir solche Musik etwas zu langweilig, um zu Hause aufzulegen oder an einem Konzert zu hören.
Das neue Album «Between Heart & Mind» der Singer-Songwriterin Selina Schildknecht überrascht mich da positiv. Sie live erleben und mich von ihrem Talent überzeugen lassen, durfte ich schon Anfang letzten Jahres beim Sing & Gin im Presswerk Arbon. Das Debütalbum der Hagenwilerin zeigt jedoch noch eine ganz andere Seite ihres musikalischen Könnens. Da sind nämlich nicht nur ihr bekanntes Gefühl und ihre soulige Stimme dabei, sondern auch ganz viel Kreativität und Abwechslung.
Da die Songs für die 23-Jährige einen ganz besonderen Stellenwert haben, beschloss sie – anders als bei den zuvor veröffentlichten Singles – mit einer Band und sogar mit einem Orchester zusammenzuarbeiten. Natürlich würden sich viele Barbesucher:innen freuen, wenn Selina Schildknecht dort ihr Album zum Besten geben würde, nur würde ihr das kaum gerecht werden. Es wäre fast schade, die auf dem Debüt erschienenen Lieder nur als Hintergrundmusik anzuhören. «Between Heart & Mind» lädt zum aufmerksamen Zuhören ein.
Ehrliche Ausdrucksweise und warme Stimme
Ich erlaube mir an dieser Stelle, eine weitere Kritik am Klischee «Singer-Songwriter» anzubringen: Die immer wieder ähnlichen Texte über das Leben und Gefühle langweilen mich. Vieles daran kommt mir vor, als müssten sie beweisen, dass sie das Leben begriffen haben, obwohl sie nicht viel Tiefsinniges besingen. Auf mich wirkt das jeweils etwas gewollt.
Auch die 23-jährige Selina besingt ihre Gefühle und verschiedene Herausforderungen, die das Leben stellt. Der Albumtitel verrät das bereits. Der wichtige Unterschied, den sie aber macht, sind ihre ehrliche Ausdrucksweise und ihre warme Stimme, die einem das Gefühl gibt, dem Rat, aber auch dem Kummer einer Freundin zuzuhören. «Ich will anderen Menschen durch meine Musik eine Botschaft vermitteln», verrät die angehende Pflegefachfrau im Interview: «Trotzdem lasse ich stets genug Interpretationsspielraum, sodass sich jede:r in meinen Texten wiederfinden kann.»
Mit Crowdfunding zum Studioalbum
Die Idee fürs Album entstand in einer Zeit der intensiven Gefühle und Gedanken und der darauffolgenden Reflexion des inneren Konflikts, wobei die Songs zum Verarbeiten innerhalb kurzer Zeit geschrieben wurden. Quasi frei von der Leber weg. «Mir war es wichtig, daraus etwas Besonderes zu machen, sodass ich einen Produzenten gesucht und eine Band zusammengetrommelt habe, die mit mir die Songs aufnimmt», erzählt die Musikerin. So wichtig sogar, dass sie lange Zeit gespart und auf vieles verzichtet hat, um sich die Kosten für die Aufnahmen zu leisten. «Weil ich wusste, dass ich das alles für meine Musik mache, hatte ich noch nicht einmal das Gefühl, dass es mir an irgendetwas gefehlt hätte», ergänzt sie.
Mit einem zusätzlichen Crowdfunding ermöglichte sich Selina ihren Traum vom eigenen Studioalbum. Die Investition hat sich gelohnt. Die verschiedenen Instrumente unterstreichen Selinas Botschaften. Ein weiterer Grund, warum das Zuhören nie langweilig wird. Regelmässige Tempo- und Stilwechsel nehmen einen mit auf Selinas Gefühlsreise. So wollte Selina den Schmerz ihres Rückschlags im Song «Twice» durch den Klang von Streichinstrumenten ausdrücken. Eingängige Gitarrenmelodien geben hingegen den Eindruck von Leichtigkeit. «Das Album beginnt an einem emotionalen Tiefpunkt, führt zur Hoffnung, verkörpert einen Rückschlag und endet wieder im Friedvollen», erklärt sie.
«Twice»: Schmerz mit Streichinstrumenten ausdrücken
Am 10. November feierte Selina Schildknecht in der Grabenhalle St.Gallen, unterstützt durch ihre Band, die Plattentaufe. Seit sie im Sommer erstmals mit einer Band aufgetreten ist, ist für sie klar, dass sie im nächsten Jahr mehr mit einer Band arbeiten möchte, um ihrer Musik mehr Dimensionen geben zu können.
Von Tabea Wick
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