von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 18.09.2020
Mit vereinten Kräften
Seit ein paar Monaten ist Jean Grädel Präsident des Trägervereins des Kreuzlinger Kulturzentrums Kult-X. Seine Erfahrung als Kultur-Ermöglicher soll dem Projekt zum Durchbruch verhelfen.
Nein, lange überlegen musste Jean Grädel nicht, als man ihn fragte, ob er nicht mithelfen wolle, in Kreuzlingen ein Kulturzentrum aufzubauen. „Ich habe mir angeschaut, was hier passiert ist und finde es ganz grossartig, was bereits alles gewachsen ist und mit welchem Engagement der Betrieb geführt wird. Es gibt hier die Chance, etwas Grosses aufzubauen, das wirklich Zukunft hat, deshalb habe ich gerne zugesagt“, sagt der Mann, der schon so viel in seinem Leben gemacht hat. Mehr als 180 Stücke hat er inszeniert, von Avantgarde bis Karl May, verschiedene Kleintheater in Zürich hat er geleitet, unter anderem das Theater an der Winkelwiese, bei Pro Helvetia war er Abteilungsleiter für Tanz und Theater. Seine Vita ist lang. Um es abzukürzen: Wenn es um Theater geht, kennt der Mann sich aus.
Jetzt also, im zarten Alter von 77 Jahren, wagt er sich nochmal an ein neues Projekt. Seit dem Sommer ist Grädel Präsident des Trägervereins des Kult-X und soll mit seiner Erfahrung als Kultur-Ermöglicher das Projekt endlich zum Fliegen bringen. Gemeinsam mit der Betriebsleiterin Christine Forster und ihrem Team will er dafür sorgen, dass 12 Jahre nachdem die Stadt das Gelände gekauft hat, doch noch etwas aus der Idee eines Kulturzentrums für Kreuzlingen wird. Neu ist das Projekt für Grädel nicht. Bereits 2011 hat er der Stadt eine Analyse geliefert und erklärt, warum Kreuzlingen ein Kulturzentrum braucht. Ein Jahr später startete Christine Forster ihr „Kultur-im-Shop“-Konzept auf dem Schiesser-Areal. Das kam gut an, trotzdem geschah dann erstmal jahrelang kaum etwas.
Die wesentliche Frage: Was will das Kult-X eigentlich sein?
Das soll nicht nochmal passieren. „Wir haben Jean bewusst dazu geholt als Theaterfachmann, der weiss, wie man so einen Betrieb erfolgreich aufbaut und dem Ganzen ein stimmiges Profil verpasst“, sagt Kult-X-Chefin Christine Forster. Bis Ende des Jahres will Jean Grädel nun erstmal „geklärte Verhältnisse schaffen“, wie er das nennt. Das bedeutet vor allem: Ein Betriebskonzept zu entwickeln, ein klares Ziel zu formulieren, was in dem Kreuzlinger Kulturzentrum alles geboten werden soll, und welcher Programm-Idee man eigentlich verpflichtet sein möchte. Also: Will man Durchgangsstation für allerlei Tourneetheater sein oder sollen eher die Bühnen aus der Region ein Zuhause im Kult-X bekommen? Wer Grädel kennt, der weiss, dass er eher zur zweiten Lösung tendieren wird.
All diese Fragen wird Jean Grädel freilich nicht alleine klären können. Er ist zwar Präsident des Trägervereins, aber alle am Kult-X beteiligten Einrichtungen, wie das Filmforum, die Musikschule, das Theater an der Grenze, sind auch im Vorstand vertreten. Es gilt, alle Interessen unter einen Hut zu bringen. „Ich ahne, dass das nicht einfach wird, aber ich bin zuversichtlich, dass wir es am Ende schaffen, weil doch alle dasselbe Ziel haben sollten: Dass das Kult-X als Begegnungs- und Kulturort funktioniert“, so Grädel.
Ins Alltagsgeschäft einmischen? „Nur wenn es sein muss“, sagt Grädel
Um das zu gewährleisten, brauche das Kult-X früher oder später eine Intendanz oder eine künstlerische Leitung. „Das ist wichtig, um ein klares Profil zu entwickeln“, sagt Grädel. Vorerst sieht er seinen Trägerverein als eine Art Verwaltungsrat für das Projekt. „Die Betriebsleitung ist dem Verein gegenüber rechenschaftspflichtig“, sagt der Vereinspräsident. Ins Alltagsgeschäft will er sich aber nicht einmischen. „Nur, wenn ich sehe, dass etwas schief läuft, werde ich mich einmischen. Ansonsten halte ich mich zurück“, verspricht Grädel. Christine Forster bleibe weiterhin erste Ansprechpartnerin für alle Veranstaltungen im Kult-X.
Was der 77-Jährige bis Ende des Jahres auch klären möchte: Das Verhältnis seines Vereins zur Stadt. Das müsse viel klarer definiert werden, findet er. „Mietverträge, Leistungsvereinbarungen - all das müsste eigentlich bis Ende 2020 stehen. Damit der Wildwest-Zustand behoben wird und die Chance auf konzentriertes Arbeiten geschaffen wird“, meint Grädel. Auch beim geplanten Millionenprojekt eines weiteren Saals, will der Trägerverein mitreden. Noch ist offen, ob ein Neubau in das Gebäude gesetzt wird, wie es die aktuellen Pläne vorsehen, oder doch nur der bestehende Raum saniert wird. So oder so: Die Stadt wird weiter in das Gebäude investieren müssen, wenn sie es ernst meint mit ihrem Bekenntnis zum Kulturzentrum in Kreuzlingen.
Die offene Millionenfrage: Neubau oder Sanierung?
Jean Grädel will dafür sorgen, dass es die bestmögliche Lösung für das Kult-X gibt. „Ich habe mein Leben lang für die Kultur gekämpft und das führe ich jetzt hier weiter“, sagt der leidenschaftliche Theatermacher. Drei Jahre will er sich engagieren. „Dann bin ich 80, dann wäre es an der Zeit, dass andere übernehmen“, sagt Grädel.
Weiterlesen: Einen Meinungsbeitrag zum ehrenamtlichen Engagement im Kult-X und der Verantwortung der Stadt, gibt es unter dem Titel „Gegen alle Widerstände“.
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