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Selbsterkenntnis

Selbsterkenntnis
Hier wird geprobt: Giuseppe Spina, Nicole Steiner und Wanda Wylowa. | © Michael Lünstroth

Leopold Huber inszeniert in der Theaterwerkstatt Gleis 5 den zeitgenössischen Klassiker „Der Gott des Gemetzels“. Er will den Stoff nicht neu erfinden, das schaffe der Text bei jedem Zuschauer ganz von alleine.  (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Es gibt vermutlich nicht viele zeitgenössische Theatertexte, die in den vergangenen Jahren weltweit so oft rauf und runter gespielt wurden wie Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels“. Das Kammerspiel, in dem zwei Paare aufeinander treffen und sich gegenseitig an den Rand ihrer Toleranz und damit des Wahnsinns treiben, haben zahllose Bühnen inszeniert. Die Uraufführung in Zürich 2006 (Regie: Jürgen Gosch) war so gut, dass sie den Nestroy-Preis erhielt. Roman Polanski machte 2011 einen erfolgreichen Kinofilm mit Starbesetzung (Kate Winslet, Christoph Waltz, Jodie Foster, John C. Reilly) aus dem Stoff.

Nach all diesen Bearbeitungen muss man sich wohl eingestehen: Richtig viel Neues wird man dem Text nicht mehr entlocken können. Aber darum geht es Leopold Huber auch gar nicht, wenn der See-Burgtheater-Intendant nun in der Frauenfelder Theaterwerkstatt Gleis 5 das Stück auf die Bühne bringt (Premiere sollte ursprünglich am 11. Dezember 2020 sein, das wurde pandemiebedingt verschoben, jetzt findet sie am 5. November 2021 statt). „Das Stück muss man nicht neu erfinden, es erfindet sich bei jeder Inszenierung selbst neu. Es blüht auf, wenn es durch die Mägen der SchauspielerInnen gegangen ist“, sagte Huber an einer Medienkonferenz Ende November 2020 vor der damals geplanten Premiere.

Proben für Der Gott des Gemetzels in der Theaterwerkstatt Gleis 5. Links im Dunkeln: Regisseur Leopold Huber. Auf der Bühne (von links): Giuseppe Spina, Nicole Steiner, Wanda Wylowa und Noce Noseda. Bild: Michael Lünstroth

Über die eigenen Unzulänglichkeiten lachen

Nicht Originalitätsstreben habe ihn an der Bearbeitung interessiert, sondern der brillante Text von Yasmina Reza und die Tatsache, dass die Autorin vier Menschentypen geschaffen habe, denen man zum einen sehr gerne zuschaut und die zum anderen, alle etwas von einem selbst in sich tragen. „Die ZuschauerInnen könne sich selbst auf der Bühne erkennen, sie bekommen aber keine Ohrfeige, sondern die Gelegenheit, über ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu lachen“, so Huber.

Tatsächlich ist der Text an sich eine Wucht. Reza gilt nicht umsonst als Meisterin in der Inszenierung von Streit und Eklat. Ihr Interesse gilt immer den Figuren und dem ständigen Wechsel unterworfenen Beziehungen zwischen ihnen. Dem Sog dieses immer klar auf die Katastrophe zusteuernden Textes kann man sich kaum entziehen.

Video: Trailer zum Stück in Frauenfeld

Der Ausgangspunkt: Ein handfester Streit unter 11-Jährigen

Dabei ist die Ausgangslage banal: Die beiden Paare kommen zusammen, weil der eine Sohn dem anderen Sohn zwei Zähne ausgeschlagen hat. Wie nun damit umgehen? Alle zeigen sich tolerant, offen, verständnisvoll und Stück für Stück bröckelt diese Fassade. Bis es am Ende fast gar nicht mehr um diesen handfesten Streit unter 11-Jährigen, sondern um den Ehefrust der beiden Paare, einen ausgesetzten Hamster, die Lage in Afrika und einen vertuschten Arzneimittelskandal geht.

Giuseppe Spina übernimmt in der Frauenfelder Inszenierung die Rolle des Alain Reille, Anwalt eines zwielichtigen Pharma-Konzerns und Vater des Jungen, der zugeschlagen hat. Im Polanski-Film spielte Christoph Waltz diese Rolle. Ob ihm das Respekt einflösst? Spina winkt ab, die Vorlage sei interessant, spiele für ihn aber keine grosse Rolle: „Um es überzeugend auf die Bühne zu bringen, muss ich die Rolle ohnehin zu einem Teil von mir machen. Ich stehe da ganz im Dienste des Stücks und will keine One-Man-Show liefern“, sagt der Schauspieler. In den weiteren Rollen zu sehen sind: Nicole Steiner, Wanda Wylowa und Noce Noseda.

Video: Worum es in dem Stück geht

Blick in die alltäglichen Abgründe der Menschheit

Regisseur Leopold Huber verspricht pandemisch betrachtet einen ungefährlichen Abend. Diese Harmlosigkeit will Huber aber nicht für alle Parameter des Abends gelten lassen. „Ästhetisch könnte es sehr wohl gefährlich werden, weil wir den ZuschauerInnen die alltäglichen Abgründe des Menschen zeigen.“

 

Termine & Tickets

Premiere ist am Freitag, 5. November, 20 Uhr, in der Theaterwerkstatt Gleis 5 in Frauenfeld. Weitere Aufführungen: 6./7.12./13./14. November.

 

Ticketpreise:
35 Franken/30 Franken für Vereinsmitglieder 
20 Franken für Studierende & Auszubildende
15 Franken Schüler bis 15 Jahren

 

Alle Tickets gibt es über die Website der Theaterwerkstatt.

 


 

 

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