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von Jana Mantel, 03.09.2025

Sinnliche Erlebnisse im Shed

Sinnliche Erlebnisse im Shed
Die St. Galler Künstlerin Morena Barra übersetzt in der Ausstellung «Elixir» die Methode des Waldbadens in eine künstlerische Praxis, die auf sinnlicher Wahrnehmung basiert. | © Mirjam Wanner

Die St. Galler Künstlerin Morena Barra übersetzt die Methoden des Waldbadens in eine künstlerische Praxis, die auf sinnlicher Wahrnehmung basiert. Dabei erkundet sie Naturräume und erforscht, wie Landschaft, Körper und Raum zusammenwirken können. (Lesezeit ca. 4 Minuten)

Den Eingang zur Shedhalle im Eisenwerk sieht man nicht sofort. Man hört ihn dafür umso deutlicher. Es plätschert und raschelt, es knistert und summt. Schnell ist man mit dem ersten Fuss über die kleine Eingangsgrenze gestiegen, die mittels Blüten und Pflanzen am Boden gekennzeichnet ist. Noch schneller fühlt man sich ganzheitlich abgeholt und in einem Naturraum wieder, der bei geöffnetem Auge eine alte Industriehalle ist, die tagsüber eher kahl unsinnlich wirkt. 

 

Morena Barra bezieht den Raum in ihre Ausstellung Elixir mit ein. Bild: Jana Mantel

 

Methoden des Waldbadens werden in künstlerische Praxis übersetzt

Abends dann werden die Töne zu bewegten Bildern, tauchen die Shed Ausstellungshalle in ein besonderes Licht und lassen die gezeigten Videos zu eindrücklichen Erlebnissen werden. Anders gesagt, bei dieser Ausstellung übersetzt die St. Galler Künstlerin Morena Barra die Methoden des Waldbadens in eine künstlerische Praxis, die auf sinnlicher Wahrnehmung basiert. Dabei erkundet sie Naturräume und erforscht, wie Landschaft, Körper und Raum in einer achtsamen Kunstpraxis zusammenwirken können.

Morena Barra hat in Zürich an der Schule für Kunst und Design die Fachrichtung Film studiert. „Seit dem Abschluss 2019 mache ich Filme“, sagt sie inmitten ihrer Installation, die mehr als nur ein Abbild der Natur mithilfe von Ton und Bild ist. „Ich liebe Dokumentarfilme“, erzählt sie und ergänzt, dass es ihr dabei immer um mehr ginge, denn sie wolle die Wirklichkeit abbilden. „Ich möchte Räume bespielen und mit meinen bewegten Bildern Menschen einladen, in eine andere Welt einzutauchen.“ Inspiriert wurde sie vor ein paar Jahren von einer Ausstellung von Pipilotti Rist, die sie nachhaltig beeindruckt hat.

 

Morena Barra beschäftigt sich in der Ausstellung Elixir mit den Räumen um uns herum. BIld: Jana Mantel

 

Nachspüren und lauschen in den Wäldern in und um Frauenfeld

„Elixir“ lautet der Titel der Ausstellung, die noch bis 18. September im Shed zu sehen – oder besser zu erleben – ist. Im Rahmen des Sommerateliers hat sich Morena Barra mit verschiedenen Verbindungen zur Natur auseinandergesetzt. Gemeinsam mit den Kunstschaffenden Fiammina Catti und metafaune begab sie sich in die Wälder in und um Frauenfeld. Spürte nach, lauschte und bewegte sich in und mit ihnen.

Diese Verbindungen zur Natur, oder wie sie selbst sagt „zur Mitwelt“, kann man in der Ausstellung nacherleben. „Natur ist für mich ein Teil von uns, denn wir Menschen sind schliesslich auch Natur“, erklärt Barra ihren Ansatz, der den Begriff Naturschutz hinterfragt. Dieser klinge so, als müsse man die Natur vor den Menschen schützen, was absurd erscheint, denn wir Menschen seien ja ein Teil der Natur. 

 

Morena Barra bietet in der Ausstellung „Elixir“ im Eisenwerk Frauenfeld auch Elixir an. Bild: Jana Mantel

 

Der Wald als Lebenselixir

Sie selbst empfindet den Wald als Lebenselixir und erinnert sich auch an die Coronazeit, in der die Natur für sie ein Lebensretter war und sie eine innige Beziehung zum Wald aufbaute. Besonders mag sie, da sie sich als Sommermensch erlebe, kleine und grosse Lichtungen in Nadelwäldern. Achtsam tauchte sie in die Wälder ein, badete in der Atmosphäre inmitten der Bäume und verband sich mit der Natur. Sie sammelte Töne und Geräusche. Zugleich spürte sie auch Fragen nach, wie zum Beispiel: „Was will ich eigentlich im Wald, wenn meine Themen dort eigentlich gar nicht sind?“ 

„Ich habe beim Erspüren einer Baumrinde spontan angefangen zu summen und eine ganz grosse Dankbarkeit in mir gespürt“, erinnert sie sich und beantwortet damit diese laut gedachte Frage.

„Natur ist für mich ein Teil von uns, denn wir Menschen sind schliesslich auch Natur.“

Morena Barra, Künstlerin

 

Diesen Prozess, des Nachspürens und der Achtsamkeit, übertrug sie auf den Ausstellungsraum. „Diesen kahlen Industrieraum konnte ich auf einmal anders wahrnehmen“, erklärt Barra, denn sie habe Wände mit ihren Rissen erkannt, Unebenheiten am Boden und das Licht in der Halle neu entdeckt. „In den letzten Wochen habe ich mich mit dem Ausstellungsraum immer mehr verbunden und bin sicher, dass das erst der Anfang eines langen Prozesses ist, von dem ich das Ende noch nicht kenne.“

So hat sie sich bewusst entschieden, die zwei entstandenen und in Dauerschleife laufenden Videoarbeiten über Eck zu projizieren, so dass die Säulen, die mitten im Raum stehen, im Video integriert sind. 

 

Videoprojektionen in der Ausstellung Elixir. Bild: Mirjam Wanner

 

Verbindung von aussen nach innen durch riesige Videoinstallationen

Am Ende gelingt ihr mit der Rauminstallation eine Verbindung von aussen nach innen, oder wie Mirjam Wanner in der Begrüssung meinte: „Die Arbeiten schmiegen sich in den Raum, breiten sich aus und berühren zart die Wände und unsere Körper, wenn wir eintreten.“ 

Mit ihrer Ausstellung „Elixir“ lädt uns Morena Barra ein, unsere Sinne zu öffnen und uns auch im Alltag und zukünftig auf ein bewussteres Miteinander mit der gesamten Mitwelt einzulassen, dazu gehören Natur, Mensch, Tiere und Pflanzen. 

Ausstellung „Elixir“ im Shed / Eisenwerk Frauenfeld

Öffnungszeiten: Do / Fr 19-21 Uhr

Sa 16-20 Uhr

 

Am Dienstag, 9. September gibt es eine sinnliche Waldbegegnung mit Morena Barra und Flammina Catti im Ittinger Wald. Zu. „Kiss for the Forest“ kann man sich anmelden unter m.barra@gmx.net oder über www.eisenwerk.ch

 

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