Seite vorlesen

von Doris Burger, 30.08.2024

Was Amriswil und Radolfzell verbindet

Was Amriswil und Radolfzell verbindet
Die Fotofreunde Blende20 auf dem Balkon des Aquaturms in Radolfzell: Jörg Michaelis, Kulturamtsleiterin Christiane Steiert, Fachbereichsleiter Erik Hörenberg, Klaus Mandrella und Hans Noll (von links) | © Doris Burger

Zur 4. Amriswiler Kulturnacht können Bürgerinnen und Gäste eine Fotoausstellung studieren, die in der Partnerstadt Radolfzell entstanden ist. Sie zeigt „Radolfzell von 0 auf 100“. Der Clou: In jedem Foto sind Zahlen oder etwas Zählbares zu entdecken. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Es ist das grösste Projekt , das sich die Fotofreunde Blende20 aus Radolfzell je vorgenommen haben. Selbst eine Machbarkeitsstudie haben sie vorgeschaltet, erklärt Klaus Mandrella. Er ist einer der zwanzig „Mitmacher“ des Clubs, Mitglieder haben sie keine, sagt er. Denn sie seien kein Verein. Aber eine Gruppe von engagierten Fotografinnen und Fotografen, die zeigen wollen, was Bilder können. Teils kunstvoll und mit grossem Aufwand inszeniert, teils als glückliche Schnappschüsse entstanden. 

Für das Amriswiler Projekt fotografierten die Fotofreunde von März 2023 bis März 2024, alle vier – genauer fünf – Jahreszeiten sollten abgebildet werden. Die fünfte Jahreszeit, die Fastnacht, hat im katholischen Radolfzell einen hohen Stellenwert. Sie ist nahezu so wichtig wie das Hausherrenfest am dritten Juliwochenende, bei dem die drei Schutzpatrone der Stadt geehrt und gefeiert werden.

Am Hausherrensonntag werden die Kirchenschätze aus dem Münster mit einer beeindruckenden und sehr feierlichen Prozession durch die Stadt getragen, Bild 67 zeigt eine Szene. Doch zunächst ragt der Münsterturm in Bild Nummer eins aus einem Nebelmeer heraus. „Er ist nicht nur die eins in der Stadt, sondern auch der höchste Kirchturm am gesamten Bodenseeufer“, so Mandrella. 

 

Eines der ausgestellten Fotos. Bild: zVg

Es gibt viel zu entdecken

Für die Zahlen eins bis zwanzig hatten die Fotofreunde jede Menge Auswahl, die hätten sie mehrfach belegen können, erzählt Mandrella. „Ab siebzig wurde es zäh“. Aber mit vereinten kreativen Kräften kam man, klar doch, auf 100. Die Hundert ist in Radolfzell eh eindeutig besetzt, mit dem Jahrhundert-Bau, einer ehemaligen Produktionsstätte der Firma Schiesser, heute ein Ärzte- und Geschäftshaus. Die Firma Jaques Schiesser gehört ebenfalls zum wichtigen Inventar der Stadt, eine Ausgründung aus der Schweiz, so versteht sich. 

Es gibt viel zu entdecken, und nicht alle Motive erschliessen sich auf den ersten Blick. Da zeigt sich denn die Fotokunst: Der Aqua-Turm beispielsweise, ein zum Plusenergie-Hotel umgebauter ehemaliger Wasserturm des Milchwerks, wurde in einer so stark gekippten Perspektive aufgenommen, dazu ohne das auskragende Obergeschoss, dass er kaum zu erkennen ist. Der Blick fällt damit auf die Hausnummer 15, die man bisher nicht bemerkt hat. 

 

Aus der Ausstellung. Bild: zVg

Ausstellung im Gang des Stadthauses

Der Besitzer, Jürgen Räffle, erhält einen gerahmten Abzug in Originalgrösse. Als Dankeschön für die luftige Location im 11. Stock, den Ort des Pressegesprächs vorab. In Amriswil wiederum wird die Ausstellung bereits am 17. und 18. August aufgebaut, die Fotofreunde waren schon mehrfach im Stadthaus, um die Hängung zu planen. Denn arrangiert werden Bilder-Gruppen, die zusammen passen. Keinesfalls geht es von 0 bis 100, das wäre ihnen zu einfach. Ergänzt wird die Ausstellung im Gang, die seit der ersten Amriswiler Kulturnacht „Kunst in Gang“ genannt wird, von einem Flyer, der die Bilder chronologisch erklärt. Auch die Radolfzeller werden ihn wohl brauchen.

Sie sollen für die Ausstellung zahlreich nach Amriswil gelockt werden, offizielle Partnerstadt seit 1999, seit 25 Jahren also. Doch die Freundschaft begann schon viel früher, im Jahre 1945, als die Amriswiler für eine Schulspeisung von Radolfzeller Kindern aufkamen. Später wurde der Austausch intensiver und lebt gerade auf kulturellem Gebiet.

Zur Kulturnacht in Radolfzell, seit fast 20 Jahren stets am 2. Oktober, reist regelmässig ein Bus mit Besuchern von Amriswil um den See. Auch Kunstprojekte aus Amriswil, wie das gelbe Kulturtaxi toMa 2016, kommen nach Radolfzell. Genauso Künstler wie Cornel Hutter, der beim Bildhauersymposium 2019 die Steinsäge schwang und den „Musik-Virus“ schuf. Im Folgejahr glaubte man, er habe den Corona-Virus geahnt.

 

Cornel Hutter aus Amriswil schwang beim Bildhauersymposium 2019 in Radolfzell die Steinsäge und schuf den „Musik-Virus“. Bild: Doris Burger

Bis August 2025 bleiben die Fotos in Amriswil

Nun also reist die Fotokunst nach Amriswil, die Vernissage findet am 14. September 2024 im Rahmen der Kulturnacht statt. Aber damit sich der Aufwand auch lohnt, bleibt die Ausstellung bis August 2025 bestehen. Wer also den Weg zur Kulturnacht nicht schafft, hat in der Folge noch ausgiebig die Gelegenheit, immer zu den Öffnungszeiten des Stadthauses. 

Doch wer dabei die Namen der einzelnen Fotografen sucht, wird sie nicht finden. Gerade bei der Auswahl, oft auch beim Arrangement für ein Foto, waren viele beteiligt. Alle zwanzig Fotofreunde haben mitgearbeitet und sei es beim Rahmen der Bilder, betont Mandrella. Fotofreund Jörg Michaelis fügt noch hinzu: „Der Stellenwert der Fotografie ist während der letzten Jahre stark gesunken. Wir wollen zeigen, dass Fotos mehr sind als Handyfotos“. In der Tat, das lässt sich leicht erkennen. 

 

Aus der Ausstellung. Bild: zVg

 

Die Ausstellung

„Radolfzell von 0 auf 100“, 101 Fotografien der Fotofreunde Blende20 im Stadthaus Amriswil, Arbonerstrasse 2, CH-8580 Amriswil. Vernissage am 14. September 2024 um 17 Uhr, im Rahmen der 4. Kulturnacht von Amriswil. Die Laudatio hält Erik Hörenberg, Leiter des Fachbereichs Kultur der Stadt Radolfzell am Bodensee. Mehr zu den Fotofreunden unter www.fotofreunde-radolfzell.de

Mehr zur Kulturnacht in Amriswil unter www.kulturnacht-amriswil.ch

 

 

Kommentare werden geladen...

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Kunst

Kommt vor in diesen Interessen

  • Vorschau
  • Fotografie

Werbung

Fünf Dinge, die den Kulturjournalismus besser machen!

Unser Plädoyer für einen neuen Kulturjournalismus.

Unsere neue Serie: «Wie wir arbeiten»

Unsere Autor:innen erklären nach welchen Grundsätzen und Kriterien sie arbeiten!

Was bedeutet es heute Künstler:in zu sein?

In unserer Serie «Mein Leben als Künstler:in» geben dir acht Thurgauer Kulturschaffende vielfältige Einblicke!

„Der Thurgau ist ein hartes Pflaster!“

Wie ist es im Kanton für junge Musiker:innen? Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen!

Eine verschleierte Königin

Einblicke ins Leben der Künstlerin Eva Wipf: Hier geht's zu unserer Besprechung der aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau.

Kultur für Klein & Gross #22

Unser Newsletter mit den kulturellen Angeboten für Kinder und Familien im Thurgau und den angrenzenden Regionen bis Ende Januar 2025.

#Kultursplitter im November/Dezember

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

«Kultur trifft Politik» N°I

Weg, von der klassischen Podiumsdiskussion, hin zum Austausch und zur Begegnung. Bei der ersten Ausgabe am Mittwoch, 27. November geht es um das Thema "Räume".

15 Jahre Kulturkompass

Jubiläumsstimmen und Informationen rund um unseren Geburtstag.

"Movie Day": jetzt für 2025 bewerben!

Filme für das 12. Jugendfilm Festival können ab sofort angemeldet werden. Einsendeschluss der Kurzfilme für beide Kategorien ist der 31.01.2025

Ähnliche Beiträge

Kunst

Alte Mauern, neue Gedanken

Beim grenzüberschreitenden Festival „Heimspiel“ wird ab 15. Dezember die Arboner Webmaschinenhalle erstmals als Kunstort bespielt. Wie gut kann das funktionieren? Ein Baustellenbesuch. mehr

Kunst

Erinnerung an Hans Danuser

Hans Danuser, der Wegbereiter der modernen Fotografie in der Schweiz, ist 71-jährig gestorben. arttv.ch erinnert mit einer Reportage von 2017 an ihn. mehr

Kunst

Die magische Grenze

Der Dokumentarfilmer Friedrich Kappeler hat sein Leben lang auch fotografiert, diese Bilder aber kaum je ausgestellt. Jetzt öffnet das Buch «Im tiefen Thurgau» Einblick in sein Bilduniversum. mehr