von Inka Grabowsky, 01.12.2023
Wonach es uns verlangt
Jana Kohler ist die 20. Trägerin des Adolf-Dietrich-Förderpreises der Thurgauischen Kunstgesellschaft. Die 25-Jährige zeigt im Kunstraum Kreuzlingen noch bis zum 23. Februar 2024 vier ihrer Videoarbeiten in einer verbindenden Installation. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
«Ich finde es grossartig, dass junge Kunstschaffende im Thurgau gefördert werden», sagt Jana Kohler, «aber im Augenblick bin ich etwas gestresst.» Die Frauenfelderin hat gerade ihre Installation im Kunstraum Kreuzlingen fertiggestellt. Die Einzelausstellung ist integraler Bestandteil des mit 15.000 Franken dotierten Adolf-Dietrich-Förderpreises.
Kohler zeigt nicht einfach ihre Videoarbeiten, sondern inszeniert sie aufwändig unter dem Titel «Is This Desire». Der Kunstraum ist mit schwarzen Wandbehängen abgedunkelt. Eine Lichtleiste gibt Orientierung. Neben einer grossen Leinwand auf einem plüschbespannten Sockel in der Raummitte gibt es drei Kabinen, die mit schwarzen Samtvorhängen abgeteilt sind.
Gegen rund 30 Mitbewerbende durchgesetzt
«Diese Raumwirkung der Installation gehört zu den Punkten, die mich für Jana Kohler eingenommen haben», sagt der Präsident der Jury, Kaspar Stokar. «Den Preis zu vergeben ist das Schönste, was man machen kann». «Das ist auch schmerzhaft», meint dagegen Ulrich Vogt - neben Reto Müller Kurator des Kunstraums und ebenfalls in der Jury. Eine Entscheidung für jemanden sei schliesslich automatisch auch eine Entscheidung gegen die anderen.
Knapp 30 Kunstschaffende hatten sich um den Adolf-Dietrich-Förderpreis beworben, der in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal vergeben wird. Nur einige fielen aus dem Raster, weil sie das Alterslimit von 40 Jahren überschritten hatten oder keinen Thurgau-Bezug hatten. «Wir konzentrierten uns auf das Potential von jenen jüngeren Leuten, die es ernst mit der Kunst meinen», so Reto Müller. «Jana Kohlers künstlerische Position hat uns neugierig gemacht. Die Jury war fasziniert von ihrer übergreifenden Herangehensweise.»
Video: Einblicke in Jana Kohlers Werk
Vampire als Metapher
Das spezielle an Kohlers Kunstschaffen ist die Kollaboration mit Musikern, Performern oder Lyrikern. «Ich habe durchaus Bilder im Kopf, bevor ich mit den Dreharbeiten beginne», sagt sie. «Es gibt aber kein Drehbuch, nur Kostüme und rudimentäre Rollenbeschreibungen. Ich bin darauf angewiesen, dass meine Kollegen Ideen einbringen.»
Beim jüngsten Werk, das im Kunstraum auf der grossen Leinwand läuft, waren zehn Personen beteiligt. Im Sommer hatten sie sich für vier Tage in der Komturei Tobel getroffen. Rémy Sax hat beispielsweise den Soundtrack geschaffen, Carmen Bossart einen Liedtext beigesteuert.
«Despite Our Gaze, No Visage Shows» setzt sich mit einem Augenzwinkern mit dem Genre des Vampirfilms auseinander. Lachen ist erlaubt, wenn sich die Vampirin sorgfältig ihre Zähne spitz feilt. Vordergründig kann man während der 26 Minuten Laufzeit mit viel Spass Film-Zitate suchen – von der «Rocky Horror Picture Show» bis zum «Tanz der Vampire». Kohler erklärt: «Im Hintergrund geht es um zutiefst menschliche Wünsche, um Sexualität und Genderfragen. Vampire sind eine perfekte Metapher dafür.»
Drei Kabinen für drei weitere Themenfelder
Auch in den Videoarbeiten, die in den Samt-Kabinen laufen, spielt Jana Kohler mit Klischees aus der Popkultur. Die eigene Performance zum Schlager «I never promised you a Rose Garden» widmet sich überstrapazierten Symbolen wie Herzchen oder Rosen. Im neun-minütigen «Dreaming of Ghosts and Strangers to Kill for» geht es auf recht abstrakte Weise um Doppelgänger.
Ausgesprochen kurzweilig sind die Musikvideos, die sie in der dritten Kabine präsentiert. Die Künstlerin ist Teil der Band «Bingo Hall River Boys». Unter anderem den Song «Mallorca 4-ever» kann man hier hören und sehen.
Das Kollektiv sorgt für das Rahmenprogramm
Als wären die rund 50 Minuten Video-Material nicht genug, wird die Ausstellung «Is This Desire?» noch monatlich mit einer zusätzlichen Performance ergänzt. Im Rahmen der ersten Kunstraum-Gala am 15. Dezember steht der Abend unter dem Motto «Is This a Date?». Nadia Guddelmoni lädt Autorinnen und Autoren ein, die in «Dating Booths» in Form eines Speeddatings ihre Texte vorlesen.
Am 12. Januar sollen Clara Corbella und Geena Gadient ihre Performance «Hochzeit à la Las Vegas Glamour» zeigen. Die Frage lautet dann «Is This a Wedding?». Logischerweise folgt «Is This a Honeymoon?» mit einem Wohnzimmerkonzert am 9.Februar. «Is This a Funeral?» gibt es zur Finissage am 23. Februar.
Von Inka Grabowsky
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