von Judith Schuck, 06.09.2023
Das Schloss ins Rampenlicht rücken
Im 2026 soll das Schloss Frauenfeld, in dem sich das Historische Museum Thurgau befindet, saniert werden. Eine Herausforderung für die Architekt:innen stellt der Erhalt der originalen Bausubstanz für eine zeitgemässe Nutzung.
(Lesezeit: ca. 3 Minuten)
Marie hiess die Tochter des ehemaligen Besitzers von Schloss Frauenfeld; Marie heisst auch das Siegerprojekt, dass die Jury für die Sanierung und Optimierung des Schlosses ausgewählt hat. Johann Jakob Huldreich erwarb Schloss Frauenfeld 1867. Durch den Kauf bewahrte er es vor dem Abbruch. Ihm war es ein Anliegen, schonend mit der vorhandenen Bausubstanz umzugehen und das Kulturgut möglichst original zu erhalten. Seine Tochter Marie vermachte das Schloss 1958 dem Kanton, der 1960 darin das Historische Museum installierte, unter dieser Prämisse.
„Marie“ ist der Projektentwurf des Zürcher Architekturbüros Schmidlin, der sich gegen 14 weitere Vorschläge durchsetzte. Da künftig die neuere Geschichte ab 1798 in Arbon gezeigt werden wird, soll mit der Sanierung der Bestand der Sammlung in Frauenfeld den Besucher:innen attraktiver präsentiert werden. Für die Darstellung der „älteren Thurgauer Geschichte“ steige der Platzbedarf, heisst es im Wettbewerbsprogramm, „da unter diese Epochenklammer ebenso das Früh- und das Hochmittelalter fällt“.
Völlig veraltetes Flickwerk
Ausserdem besteht „dringend Handlungsbedarf bei der Gebäudetechnik und bei der Erfüllung der Vorgaben bezüglich der Barrierefreiheit und des Brandschutzes“, sagt Kantonsbaumeister Roland Ledergerber. Seit den 1960er Jahren wurde zwar immer mal wieder repariert und ausgebessert, doch die Leitungen seien alle völlig veraltet, ein Flickwerk, sagt Museumsleiterin Gabriele Keck. Auch beim Heizsystem gibt es Handlungsbedarf. „Hier weiss niemand so richtig, wo die Heizungsrohre verlaufen“, sagt sie. Und auch die Sicherheitstechnik mache Fortschritte, die bisher am Historischen Museum vorbeigingen.
Die Sanierung und Optimierung betreffen vordergründig die Remise und den Ostteil, der ein Anbau aus dem 19. Jahrhundert ist. Zwischen ihm und der Remise soll eine vertikale Verbindung hergestellt werden, also ein unterirdischer Gang, der barrierefrei zu passieren ist. Bisher ist das Schloss für Rollstuhlfahrer:innen kaum zugänglich. Die Remise, die bereits für Veranstaltungen genutzt wird, trage das Potenzial in sich, ausserdem als Empfang, Shop, Garderobe, für sanitäre Anlagen sowie für Feiern und Vermittlung genutzt werden zu können.
„Wir haben vorab ganz genau definiert, was wir brauchen“, sagt Gabriele Keck. Im Raumprogramm ist bis ins kleinste Detail aufgelistet, was wo einen Platz braucht: vom Staubsauger, über Stauraum für didaktische Materialien oder den Unterstellplatz für den Grüncontainer. Da im Museum Handtücher, aber auch Handschuhe, die zum Schutz des Archivmaterials getragen werden, selbst gewaschen werden, gibt es eine eigene Waschmaschine. „Wir führen hier einen kleinen Haushalt“, erklärt die Schlossherrin. Und alles braucht einen Platz.
Ein wenig dankbares Projekt
Sie ist sich sehr bewusst, dass die Anforderungen ein sehr starres Korsett vorgeben, an das sich die Architekt:innen zu halten haben. „Alte Bausubstanz zu ertüchtigen, ist immer schwierig.“ Die Schlosssanierung sei kein dankbares Projekt, an dem sich die Architekt:innen austoben könnten. „Aber ich finde es gleichzeitig eine sehr reizvolle Aufgabe, mit diesen Vorgaben etwas anzustellen“, bemerkt Gabriele Keck. Da das Schloss unter Bundesschutz steht, war von Anfang an die Denkmalpflege involviert.
Die Jury wählte nach den drei Hauptkriterien aus: Was passt am besten zur Nutzung? Welches Projekt ist am nachhaltigsten? Und wie sieht es mit den Kosten und der betriebswirtschaftlichen Bedeutung aus. „Unser Ziel ist es, das Schloss langfristig zu erhalten“, so die Museumsleiterin. Bei den Projekteinreichungen habe es viele spannende Ansätze gegeben. Was ihr am Siegerprojekt besonders gut gefalle, sei der behutsame Umgang mit der bestehenden Bausubstanz und der Einbindung des Mauerwerks sowie Stadtmauerteile. Der Architekt Chasper Schmidlin könne als gebürtiger Bündner gut mit Stein, sagt Keck. „Wir wollen zum Beispiel ein Maximum an Turm freilegen.“ Die Bausubstanz aus dem 13. und 14. Jahrhundert soll rausgeschält werden und das Innen mit dem Aussen eine Harmonie eingehen.
Es gehe nicht darum, mit auffälliger Architektur oder eindrucksvoller Gartenanlage zu punkten. „Das Gebäude als Hülle für mittelalterliche Kulturgüter aus dem Thurgau soll im Vordergrund stehen. Das ist doch eine noble Aufgabe: Das ältestes Gebäude Frauenfelds ins Licht zu rücken“, findet Gabriele Keck.
Das richtige Mittelmass der Grenzen
Bei der Nutzung des Aussenraums und der Remise muss berücksichtigt werden, dass dort Mittelaltermärkte, Kindergeburtstage, Hochzeiten, Vorträge und Apéros stattfinden können müssen. Das bedeutet auch, das richtige Mittelmass an Öffnung zur Stadt hin und Abgrenzung als Einheit zu finden.
Die Kosten für die Sanierung trägt der Kanton. Nach aktuellen Schätzungen belaufen sie sich auf 25 Millionen Franken. Kantonsbaumeister Roland Ledergerber geht von einem Beginn der Bauarbeiten Anfang 2026 aus. Die Bauzeit wird sich wahrscheinlich auf zwei Jahre belaufen. „Für die Inbetriebnahme und das Einrichten einer Ausstellung ist zusätzlich mit einem halben Jahr zu rechnen“, sagt Ledergerber. Während dieser Zeit werde kein Museumsbetrieb im Schloss möglich sein. „Es wird an Lösungen gearbeitet, wie das Historische Museum während dieser Zeit weiterhin für die Bevölkerung präsent sein kann.“
Dies ist auch ein wichtiger Punkt für die Museumsleiterin Gabriele Keck. „Wir können ja nicht einfach zwei Jahre schliessen und dann wieder beginnen. Darum werden wir temporär den Ausstellungssaal im Alten Zeughaus nutzen.“ Dafür sollten die Büros während der Bauzeit auch nah am Ausstellungsort angesiedelt sein, damit alles personell stemmbar bliebe. „Natürlich werden dort nur Objekte ausgestellt werden, die konservatorisch vertretbar sind.“ Die Ausstellung im Schloss muss während der Bauphase geräumt werden. Staub und Erschütterung könnten den Kulturgütern schaden.
Gabriele Keck ist gespannt, auf das Ergebnis. In der Remise soll ein Teil der Stadtmauer freigespielt werden, ein optisches Highlight. Und wie letztlich mit den drei Fenstern der Remise verfahren wird, die künftig den Zugang zum Historischen Museum Thurgau bilden werden, ist auch noch nicht in Stein gemeisselt.
Pläne zum Download:
WBW_Erdgeschoss.pdf
WBW_Längsschnitt 100.pdf
Von Judith Schuck
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