Ein goldener Dachs findet seinen Bau

In Weinfelden eröffnet ein neues Kulturlokal. Es soll Bands, Autoren und Kleinkünstlern eine Bühne bieten und gleichzeitig ein Treffpunkt für alle Weinfelder und Weinfelderinnen werden. Dahinter stehen bekannte Kultur-Akteure der Stadt. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

In der Schulstrasse 1 im Stadtzentrum von Weinfelden befand sich bis Mai 2023 ein Kleidergeschäft mit Bistro-Betrieb, zuvor die Buchhandlung Klappentext, die Katharina Alder inzwischen an neuem Ort betreibt. «Ich habe hier vor zehn Jahren schon die Säulen und die Wände gestrichen», erzählt Dominik Anliker, der Mann von Katharina Alder. «Ich wusste um die Vorteile der Lage und die ideale Grösse. Deshalb habe ich mich sofort als Nachmieter beworben als klar war, dass das Kleidergeschäft schliessen wird.» 

Anliker will gemeinsam mit Jonas Schenk und der Praktikantin Meret Martin ein Kulturzentrum aufbauen. «Beim Namen haben wir lange überlegt. Dann fiel uns auf, dass es in der Schweizer Gastronomie lauter grosse Tiere gibt: Löwen, Hirschen, Ochsen… Und die bekommen auch immer einen goldenen Anstrich. Der Dachs ist nicht so pompös. Aber er baut Höhlen, die andere Tiere später mitnutzen können. Das passt zu uns. Deshalb heisst das Lokal ›Goldener Dachs›. Und wir sind der einzige Dachs weit und breit.» 

Anschubfinanzierung durch Crowdfunding 

Im Dezember bekamen die «Dachse» den Zuschlag vom Vermieter, seit Mai laufen die Umbauarbeiten. Es brauchte zum Beispiel zwei WCs im Erdgeschoss. «Wir mussten erreichen, dass niemand durch die kleine Küche muss, um auf die Toilette zu gehen.» Die Bar konnte das Team übernehmen, auch wenn sie nicht ganz zum Stil des Hauses passt. Die Tische und Stühle sind in Brockenstuben zusammengesucht. 

«Einen Flügel bekommen wir als Leihgabe», freut sich Dominik Anliker. Noch fehlt allerdings die Bühne, auf der er stehen soll. «Wir finanzieren die Umbauten mit Hilfe eines Crowdfundings. Wer heute schon 1000 Franken gibt, kann dafür demnächst den Saal für seinen eigenen Anlass nutzen.» 

Es geht aber auch kleiner: Für 50 Franken bekommt man einen Getränkegutschein im Wert von 25 Franken. Das Spendensammeln laufe recht gut. «Das ist der Vorteil in einer kleinen Stadt, wo man quasi konkurrenzlos ist», grinst Jonas Schenk.

Mit einem Bein im Dachsbau

Dominik Anliker hat ein Teilzeitpensum als Primarlehrer behalten, aber seine Verantwortung stark reduziert: «Ich habe ja noch zwei Kinder zuhause, nach denen ich schaue, während meine Frau arbeitet.» Jonas Schenk führt seinen Beruf als Klassenassistent weiter. Er mache mit, weil er etwas bewirken wolle: «Wir brauchen hier einen Platz für Kultur und einen Begegnungsort für Menschen. Davon gab es bisher zu wenig.» 

Seit die Genossenschaft «Frohsinn» sich 2021 aufgelöst hat und das Frohsinn-Haus an Pro Natura ging, fehlte dem Kulturverein Frohsinn ein Zuhause. Und nicht nur ihm, wie Anliker durch seine Agentur «Departement für alles und nichts» weiss: «Alle Vereine unseres ‹Departements für alles und nichts› haben in den letzten Jahren viel Miete für Kulturräume bezahlt. Die Weinfelden Buchtage fanden im Rathaussaal oder im Theaterhaus Thurgau statt. Mein 8570 Jazzclub hat auch schon im Foyer des Theaterhauses Konzerte organisiert», so Anliker, «aber weil es multifunktional eingerichtet ist, wirkt es auf mich nicht gleichzeitig einladend. Und im ‹eiszueis›, wo wir jeweils die Frühjahrsreihe machten, muss man jedes Mal alles Material bringen und hinterher wieder wegtragen. Das macht zusätzliche Arbeit.» 

Es gäbe in Weinfelden ausserdem keinen Raum, in den eine Band einfach kommen und spielen könne. Eine solches «Take the Stage»-Option, bekannt aus Frohsinnzeiten, soll der Goldene Dachs bieten. «Die Musiker melden sich an. Sie bekommen keine Gage, aber der Eintritt oder die Kollekte geht an sie. Wir leben im Gegenzug von den verkauften Getränken.» 

Für dieses Konzept gäbe es schweizweit viele Interessenten. «Bands, die auf Tour sind und noch eine Lücke im Tourneeplan haben, fragen schon jetzt bei uns an.» 

Eine Gastwirtschaft als Basis

Am 14. August wird der «Goldene Dachs» eröffnet. Während der Fussball-Europameisterschaft gab es bereits ein Pre-Opening für Sportfans, die die Spiele gemeinsam ansehen wollten. «Wir hatten schon bis zu 200 Gäste pro Abend», so der frischgebackene Wirt - das Patent hat er Anfang des Sommers bekommen. «In einem halben Jahr soll der Dachs so gut laufen, dass wir für Investitionen etwas zurücklegen können.» 

Dafür wird der Betrieb langsam hochgefahren, nicht mit einer grossen Party am Anfang. Mittwochs bis samstags von 16 bis 23 Uhr ist die Bar geöffnet. Die Küche bietet einfache Speisen: Panini und Salate etwa. «Denkbar ist, dass Gastköche hier mal Spezialitäten auftischen. Wenn man die Mahlzeiten vorbereitet, wird das funktionieren.» Wer die Räume für Familienfeiern oder Firmenanlässe mietet, kann seinen Caterer mitbringen (oder sich einen vom Dachs-Team organisieren lassen). 

Ein Monatsprogramm in Aussicht

«Die Kulturveranstaltungen werden auf dem jeweiligen Monats-Flyer publiziert», erklärt Jonas Schenk. Erste Programmpunkte stehen bereits. Im September haben sich sowohl Müslüm als auch die Jazz Formation «Claude Diallo Situation» angesagt. Im November kommen die Bubble Beatz und die achten Weinfelder Buchtage, die Katharina Alder verantwortet. 

Der Frohsinn Kulturverein, in dessen Vorstand Anliker ist, wird hier Veranstaltungen organisieren, ebenso sein Jazzclub. Die Camerata Aperta, die ebenfalls zu den Projekten gehört, für die sich das Ehepaar Anliker und Alder mit ihrem «Departement für alles und nichts» engagieren, wird genauso auftreten wie die Musikschule Weinfelden. 

Und wenn die Bühne nicht gebraucht wird, denkt das Trio aus Anliker, Schenk und Martin an ein Repaircafé, eine Tauschbörse oder einen Ping-Pong-Abend. An Ideen mangelt es ihnen nicht.