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Neue Töne

Neue Töne
Engagiert, ambitioniert, hochtalentiert: Die Pianistin Simone Keller. | © Lothar Opilik

Die Pianistin Simone Keller ist bekannt für ihre engagierten Projekte. Jetzt bringt sie 13 Musikerinnen und Musiker mit Fluchthintergrund zusammen – und gibt ihnen eine Stimme. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Es gibt so Menschen, die bewundert man um ihre Kraft. Die reissen ein Projekt nach dem anderen runter und lassen dabei niemals in ihrer Intensität und Energie nach. Es riecht nie nach Fliessbandproduktion, sondern immer nach echter Leidenschaft. Die in Weinfelden aufgewachsene Pianistin Simone Keller ist so ein Mensch.

Folgt man ihr auf den sozialen Medien, dann staunt man, was sie alles auf die Beine stellt und vor allem wie klug sie ihre Projekte auswählt. Neben der Passion für Musik ist da auch eine grosse soziale Ader, ein bewusstes Gerechtigkeitsstreben sowie die Überzeugung, dass mit Musik alles besser werden kann.

Diese Haltung findet sich auch in einem neuen Projekt, das Simone Keller für die Internationale Bodensee Konferenz (IBK) gerade leitet, zusammen mit dem Künstler San Keller. Auserwählt wurde sie dafür vom Kulturamt Thurgau, das die regelmässig stattfindende Künstlerbegegnung für 2021/2022 durchführt.

Video: Simone Keller im SRF-Porträt

Begegnungsplattform für professionelle Musikerinnen und Musiker

„18 solos & 18 sights“ heisst das Ganze nun und es versteht sich als Begegnungsplattform für professionelle Musikerinnen und Musiker mit einem Fluchthintergrund. „Wir wollen MusikerInnen aus unterschiedlichen Ländern, mit unterschiedlichen Instrumenten und ganz unterschiedlichen Backgrounds zusammenbringen“, erklärt Keller ihr Konzept. Sie wird dabei unterstützt vom Künstler San Keller, Regisseur Erik Altorfer und Schriftsteller Usama Al Shahmani.

Es ist ein alle herausforderndes Projekt: Die beteiligten Kulturämter und Institutionen der IBK standen vor dem Problem, dass sie erstmal gar nicht wussten, wie sie an die Zielgruppe herankommen sollten. Es gibt ja keine Listen von Musikerinnen und Musikern mit Fluchthintergrund, die man hätte abtelefonieren können. Für die Musikerinnen und Musiker stellte sich die Frage, wie weit sie sich exponieren wollen und wie sehr sie sich eigentlich über das Fluchtmoment definiert sehen wollen und die Projektleitenden wussten lange nicht, was und vor allem wer auf sie zukommt.

Ist auch Teil des IBK-Projektes: Der Frauenfelder Schriftsteller Usama Al Shahmani. Bild: Beni Blaser

 

Die Musik steht im Vordergrund, nicht die Fluchtgeschichten

Spricht man nun mit Simone Keller über die Anfangsphase des Projekts, dann ist sie sehr zuversichtlich: „Es ist super-spannend, dass das gerade jetzt stattfindet. Es ist eine spannende Gruppe zusammengekommen mit ganz wunderbaren Musikerinnen nd Musikern“, erklärt die Pianistin. Statt der ursprünglich geplanten 18 Teilnehmenden, sind es nun nur 13. Aber am Verlauf des Projektes ändere dies nichts, so Keller. In verschiedenen Workshops und bislang vor allem digitalen Treffen soll das Projekt über die kommenden Monate wachsen.

„Die MusikerInnen sollen sich mit ihrer Rolle als KünstlerInnen auseinandersetzen, ihre Position wie ihre Kunst reflektieren und mit verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen experimentieren“, heisst es im Dossier zum Projekt. Ermöglicht werden soll das über verschiedene Workshops wie jenem von Usama Al Shahmani, in dem es um die Verbindung von Musik und Sprache gehen soll.

Ziel: Ein grosser Konzerttag mit 13 Solos in Frauenfeld

Tatsächlich steht die Musik im Vordergrund. Es geht nicht darum, Fluchtgeschichten aufzuarbeiten, sondern die Künstlerinnen und Künstler in ihrem Schaffen voranzubringen und zu inspirieren. Mit dem Ziel, dass an einem grossen Konzerttag (Datum ist noch nicht bekannt) 13 verschiedene Solos an 13 verschiedenen Orten in Frauenfeld aufgeführt werden. Die Form des Solos sei bewusst gewählt, erklärt Simone Keller: „Es ist eine Form des sich Exponierens, eine Stimme erhalten, als emanzipatorisches Moment der Selbstermächtigung.“

Und noch bevor man nachfragen kann, sagt Simone Keller schon, dass dies im Übrigen explizit kein Integrationsprojekt sei: „Es geht um das Unterstützen einer selbstbewussten Setzung einer eigenen Position und des eigenen Fremd-Seins“, betont die Pianistin. „18 solos & 18 sights“ verstehe sich als Plädoyer für kulturelle Diversität und wolle auch den Diskurs über die Förderung von kultureller Diversität anstossen.

Fand bislang vor allem digital statt: Die IBK-Künstlerbegegnung 2021 mit Simone Keller. Bild: zVg

 

Coronabedingt verschiebt sich vieles auf 2022

Der ursprüngliche Plan sah vor, dass das Projekt noch in diesem Jahr abgeschlossen wird, aber coronabedingt wurde es nun weitgehend auf 2022 verschoben. „Das ist für uns eigentlich gar nicht so schlecht, weil wir nun noch mehr Zeit haben, Dinge zu entwickeln“, sagt Simone Keller.

Termine: Auf thurgaukultur.ch informieren wir regelmässig über den Fortgang des Projektes. In den nächsten Wochen stellen wir unter anderem einige der TeilnehmerInnen in Porträts vor.

Video: Simone Keller beim Festival Breaking Boundaries

 

Künstlerbegegnung der Internationale Bodensee Konferenz

Die Künstlerbegegnung: Die Länder und Kantone der IBK wechseln sich in der Organisation der biennal ausgerichteten Künstlerbegegnungen ab. Ziel der Künstlerbegegnungen ist es, zwischen den Kulturschaffenden rund um den Bodensee einen künstlerischen Dialog über die Grenzen zu schaffen und neue Verbindungen zu initiieren. Im Austausch und im Zusammenspiel soll Neues entdeckt werden und die Öffentlichkeit erhält Gelegenheit, die kulturelle Vielfalt und die Gemeinsamkeiten der Bodenseeregion unmittelbar zu erleben. 


Die Internationale Bodenseekonferenz: Die IBK ist ein kooperativer Zusammenschluss der an den Bodensee angrenzenden und mit ihm verbundenen Länder und Kantone Baden-Württemberg, Schaffhausen, Zürich, Thurgau, St.Gallen, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Fürstentum Liechtenstein, Vorarlberg und Bayern. Die IBK hat sich zum Ziel gesetzt, die Bodenseeregion als attraktiven Lebens-, Natur-, Kultur- und Wirtschaftsraum zu erhalten und zu fördern sowie die regionale Zusammengehörigkeit zu stärken.

 

 

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