von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 31.07.2019
Zwei Ausstellungen, zwei Welten
Wie macht man heute eigentlich gute Ausstellungen? Zwei Beispiele aus Konstanz zeigen anschaulich was moderne von gestrigen Ausstellungen unterscheidet. Und warum Interaktion für das Verständnis so wichtig ist.
Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es in Konstanz eine Diskussion zum Thema „Welche Ausstellungskultur braucht eine Stadt?“. Wurde damals noch theoretisch darüber diskutiert, wie Ausstellungen denn heute aussehen müssen, um ein Publikum zu finden, so liefern jetzt gerade zwei Ausstellungen rund um das Kulturzentrum am Münster praktisches Anschauungsmaterial dafür, wie unterschiedlich man Themen inszenieren kann.
Da ist zum einen die Ausstellung „Der gefährliche See“ vom städtischen Rosgartenmuseum im Richentalsaal des Kulturzentrums. Sie widmet sich, wie der Name schon sagt, den gefährlichen Seiten des Bodensees. Die Schau berichtet von Überschwemmungen, Schiffsunglücken und ein bisschen auch von den Folgen der Klima-Krise und des Over-Tourism in der Region. Erzählt wird das Ganze in verschiedenen Themeninseln. Die Vermittlungsinstrumente dafür sind eher konventionell: Vitrinen, inszenierte Exponate, Erklärtexte.
Ausstellungsdesign als kluge Fortführung der Inhalte
Nur wenige Schritte vom Richentalsaal entfernt, im Turm zur Katz, zeigen die beiden Hochschulen der Stadt, Universität und HTWG, wie das auch ganz anders gehen kann. „Link - zur Künstlichen Intelligenz (KI)“ heisst die Ausstellung und sie will einen Überblick geben, wo wir bei dem Thema heute stehen. Es geht um gesellschaftliche und soziale Auswirkungen von KI und die Frage, inwieweit wir all das noch steuern können. In vier Räumen wird man Stück für Stück durch das Thema geführt: Vom Blick von aussen auf KI, zu den Entwicklungen der Technik in den vergangenen Jahrzehnten über aktuelle Anwendungen in verschiedenen Bereichen bis hin zur „Cloud“, in der die Besucher selbst mit einer eigens für die Ausstellung programmierten KI in Kontakt treten können. Das Ausstellungsdesign ist hier kein Selbstzweck, sondern eine kluge Fortführung der Inhalte auf anderer Ebene
Es ist wirklich bemerkenswert, wie sehr sich die beiden Ausstellungen in Konzeption, Haltung, Dialogbereitschaft, Interaktivität, Anschlussfähigkeit und Offenheit unterscheiden. Besucht man beide Ausstellungen an einem Tag kommt es einem vor wie eine Zeitreise: Während das Rosgartenmuseum inzensatorisch und erzählerisch in den 1990er Jahren stehen geblieben wirkt, zeigen Universität und HTWG, was in diesen Punkten heute tatsächlich möglich ist. Besonders auffällig wird der Unterschied bei den Interaktionsmöglichkeiten. Bei der KI-Ausstellung wird der Besucher oft einbezogen, er kann zum Beispiel sein Urteil zu Rechtsfällen rund um KI abgeben oder selbst testen, ob er ein von einem Menschen verfasstes Gedicht von einem von einer KI konstruierten Gedicht unterscheiden kann. Bei der Schau des Rosgartenmuseums beschränkt sich die Interaktivität im Wesentlichen darauf, dass der Besucher am Ende der Ausstellung noch ein paar Videos anklicken kann.
Aktive Auseinandersetzung vs. passiver Wissens-Konsum
Diese unterschiedlichen Konzeptionen haben natürlich auch Einfluss auf die Wahrnehmung und Verarbeitung der Inhalte beim Publikum. Während die Besucher bei der KI-Ausstellung sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen können, bleiben sie in der See-Ausstellung weitgehend Konsumenten. Dreimal dürfen Sie raten, welche Inhalte so besser im Kopf bleiben werden.
Vielleicht ist es auch das was die Ausstellungen so unterscheidet: Die KI-Ausstellung erschliesst und eröffnet das Interesse am Thema, die See-Ausstellung schliesst das Interesse an ihrem Thema ab. Die eine eröffnet den Raum für neue Diskussionen, die andere scheint sich gar nicht für das zu interessieren, was nach dem Ausstellungsbesuch passiert. Das wiederum hat mit den unterschiedlichen Erzählhaltungen zu tun: Während in der See-Ausstellung ein über den Dingen schwebender Kurator, gleichsam dem auktorialen Erzähler in der Literatur, den Besuchern alles aus seiner Sicht Wichtige mitteilt, sind es bei der KI-Ausstellung die Besucher selbst, die sich ihr Bild zum Thema zimmern. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Einer, der sich im Übrigen auch nicht über Verweise auf unterschiedliche Ausstellungsbudgets oder technische Möglichkeiten wegwischen lässt.
Wer so inszeniert, wird langfristig sein Publikum verlieren
Wohl gemerkt: Es geht hier nicht darum, Inhalte gegeneinander auszuspielen. Thematisch haben beide Ausstellungen ihre Berechtigung. Es geht hier vielmehr darum, Ausstellungskonzeptionen zu hinterfragen: Wie erzähle ich ein Thema und wie schaffe ich es, den Besuchern ein Erlebnis zu ermöglichen, das sie wiederkehren lässt oder dass sie zumindest so sehr beeindruckt, dass sie ihren Freunden davon berichten?
Nüchtern betrachtet ist die KI-Ausstellung der See-Ausstellung in all diesen Punkten um etliche Längen voraus. Und selbst wenn die Besucherzahlen beim „Gefährlichen See“ jetzt noch gut sein sollten: Wer so inszeniert, wird langfristig sein Publikum verlieren. Nicht unbedingt, weil langweilige Geschichten erzählt würden, aber weil das Publikum von morgen, nein, eigentlich sogar schon das von heute, andere Erwartungen an Ausstellungen hat. Dem müssen sich alle Museumsmacher stellen, wollen sie über den Tag hinaus relevant bleiben.
Termine: Die Ausstellung «Link zur Künstlichen Intelligenz» läuft noch bis 8. September im Turm zur Katz in Konstanz (Wessenbergstrasse 43). Die Ausstellung «Gefährlicher See» ist bis zum 29. Dezember geöffnet.
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