von Andrin Uetz, 23.05.2023
Die Rückeroberung des Sees
TKB-Projekte, Teil 6: In Romanshorn soll ein 400 Meter langer Steg mit Plattform entstehen. Auch Jazzkonzerte und Open-Air-Kino könnten dort stattfinden. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Ein 400 Meter langer Steg auf den See hinaus. Eine Plattform, welche einen Blick auf See und Land wie von einem Schiff ermöglicht. Die Stadt Romanshorn will mit einer Pier die Hafenpromenade erweitern.
Das Projekt darf nun auf zwei Millionen aus dem Erlös der Partizipationsscheine der TBK hoffen, über deren Vergabe am 18. Juni eine Volksabstimmung entscheidet. Ich habe mich gefragt, ob die Pier auch für kulturelle Nutzungen interessant sein könnte.
Demokratisierung des Seeblicks
Im Projektdossier „Pier 8590" schreibt der Stadtrat Romanshorn: „Eine öffentlich zugängliche, mehrere hundert Meter lange Pier mit Plattform oder Pavillon, die in der Verlängerung der Hafenpromenade die Innenstadt mit dem See verbindet, passte bestens zur Hafenstadt. Sie wäre ein überregionaler Anziehungspunkt an schönster Lage mit grosser touristischer Wirkung. Zumal die Hafenpromenade in den nächsten Jahren städtebaulich entwickelt werden soll.”
In erster Linie geht es also um städteplanerische und touristische Gedanken, weniger um Kultur im engeren Sinn.
Eine Hafenstadt mit Potential
Die Seepromenade und der Hafen bilden insbesondere im Sommer so etwas wie das Herz von Romanshorn. Bahn und Fähre reichen sich dort die Hand. Das gastronomische Angebot ist in den letzten Jahren mit Buvetten, Foodtrucks und Restaurants stark gewachsen. Autoposer:innen, Velofahrer:innen, Yachtbesitzer:innen und Spaziergänger:innen koexistieren relativ friedlich.
An sonnigen Tagen ist die Stimmung oft feierlich, manchmal gibt es Musik. Der See zieht Gäste aus Zürich, St. Gallen und der gesamten Region an. Mit einer Verlängerung der Seepromenade gewinnt die Stadt vierhundert Meter dieser begehrten Riviera.
Demokratisierung des Seeblicks
Für Roger Martin, Stadtpräsident von Romanshorn, macht die Pier mit einer Plattform vierhundert Meter vom Ufer entfernt einen ganz besonderen Blick auf den See und das Land einer breiteren Bevölkerung zugänglich. Soweit hinaus geht die Flachwasser-Zone, danach geht es steil die Halde hinab, der See wird tief und dunkelblau.
Von dem Punkt aus liesse sich der Sonnenuntergang so betrachten, dass die Sonne im Wasser vor Uttwil untergehe. Ein schöner Anblick, der bisher nur vom Boot aus möglich war. Nicht alle aber haben das Privileg mit einem Boot aufs Wasser hinausfahren zu können. Die Pier würde diesen besonderen Seeblick demokratisieren.
Drei verschiedene Projekt-Ideen
Die Stadt hat bei drei lokalen Ingenieurbüros Projektstudien in Auftrag geben. Es sind drei unterschiedliche Interpretationen der Idee einer Pier entstanden. Die Studien sind noch nicht juriert und sind als Grundlage für eine Diskussion, aber nicht als finale Idee gedacht.
Das Projekt „Hafenpier” schlägt eine schlichte Konstruktion mit Betonpfeilern und Brettschichtholz vor. Mittig ist eine kleine Bade- und Schwimmanlage vorgesehen, am Kopf der Pier ist eine etwas grössere Plattform, welche überdacht sein könnte.
Das Projekt „Flöss” setzt auf einen pragmatischen und kostengünstigen Vorschlag. Eine schlichte Konstruktion aus Stahl und Beton führt zu einer ovalen Plattform, welche einem Floss nachempfunden ist. Zudem ergänzen verschiedene Flösse als bewegliche Elemente, welche mit dem Wasserstand gehen, den Steg.
Das Projekt „Panta Rhei” schlägt eine wellenartige Pier mit drei ovalen Plattformen vor. Mit einem Gehbelag aus Lerchenholz, der auf einer verzinkten Stahlkonstruktion liegt, und einer grosszügigen Breite des Stegs, erinnert diese Variante etwas an den Luxus-Futurismus von Dubai.
Kulturelle Nutzung durchaus denkbar
Roger Martin kann sich eine kulturelle Nutzung der Pier durchaus vorstellen, etwa sei bei allen Skizzen eine gastronomische Nutzung der Plattformen angedacht, und da wären Jazz-Konzerte oder ein Open-Air-Kino durchaus denkbar. Gleichzeitig ist die Pier als eher ruhige und sanfte touristische Intervention konzipiert, und daher nicht per se ein Veranstaltungs- und Ausstellungsort.
Auch der Umweltschutz sollte nicht unbedacht bleiben, wobei der Schattenwurf der Pier für junge Fische gut sei. Einen kulturellen Mehrwert generiert die Pier insofern, als dass sie den Blick auf die Natur lenkt und Natur unter einem ästhetischen Gesichtspunkt inszeniert.
Pier als Teil eines Hafens mit grossem Potential
Das ambitionierte Projekt zeigt auch, dass eigentlich noch viel mehr möglich wäre in und um den Hafen Romanshorn. Wären die derzeit als Lagerhallen dahinschlummernden Gebäude beim Bahnhof nicht ein ausgezeichneter Standort für ein Kulturzentrum?
Warum gönnt sich der Kanton beispielsweise nicht einen so gut erreichbaren wie idyllisch gelegenen Standort für das Kunstmuseum Thurgau, anstatt die Sammlung in die abgelegene Karthause Ittingen zu verbannen?
Das Projekt „Pier 8590” mag an sich eher eine städtebauliche und touristische Intervention sein, doch sie zeigt, dass in Romanshorn gute Voraussetzungen da wären für mehr kulturelle Interventionen, Veranstaltungen, Austausch und Belebung.
Die Serie zum „127-Millionen-Paket“
In den nächsten Wochen bis zur Abstimmung am 18. Juni werden wir bei thurgaukultur.ch die Projekte mit Kulturbezug in einer redaktionellen Serie detaillierter vorstellen. Alle Beiträge bündeln wir im dazugehörigen Themendossier.
Bereits erschienen sind Beiträge zu:
Stiftung Drachenburg und Waagturm Gottlieben (2 Millionen Franken)
Die Projektidee umfasst den Kauf, die Renovation, den Umbau und die Modernisierung der historischen Gebäude Drachenburg, Waaghaus und Rheineck in Gottlieben, um diese und deren Umgebung wirtschaftlich zu beleben und als touristischen und gastronomischen Ort zu erhalten.
Schloss Luxburg (1 Million Franken)
Ziel hier ist die Sanierung des denkmalgeschützten Schlosses Luxburg in Egnach, um einen öffentlichen Ort für Aufenthalt und Begegnung im Sinne der regionalen Nachhaltigkeit zu schaffen
Vermittlungssteg Seemuseum Kreuzlingen (630.000 Franken)
Das Seemuseum Kreuzlingen möchte einen Vermittlungssteg bauen, um die Identifikation mit dem Lebensraum Bodensee zu stärken, das Verständnis für die Umwelt rund um den Bodensee zu fördern und um als generationsübergreifender Freizeit- und Lernort zu dienen.
Wasserschloss Hagenwil Sanierung (1,44 Millionen Franken)
Mit den Geldern soll die Sanierung des Wasserschlosses Hagenwil unterstütz werden, um den Erhalt dieses Kulturdenkmales auf Jahrzehnte hinaus zu sichern.
Schaufelraddampfer (3,13 Millionen Franken)
Bau eines eleganten, ökologischen und klimaneutralen, mit Pellets befeuerten Schaufelraddampfers für Untersee und Rhein. Damit will der Verein «Pro Dampfer» die Freizeit- und Ferienaktivität in dieser Region bereichern.
Pier 8590 Romanshorn (2 Millionen Franken)
Diese Idee beinhaltet die Erstellung eines Piers mit einer Plattform oder einem offenen Pavillon über dem Flachwasserbereich als Abschluss des Hafenboulevards, um den Oberthurgau und den öffentlichen Raum am Hafenbecken aufzuwerten.
Es folgen bis zum 18. Juni noch:
Thurgauer Kultur- und Erlebniszentrum Weinfelden (10 Millionen Franken aus dem TKB-Topf angefordert)
Ziel ist es ein Kultur- und Erlebniszentrum für den Thurgau zu schaffen. Mit einem Markt für Nahrungs-, Genuss- und Heilmittel aus dem Thurgau sowie einer Eventhalle für
kulturelle, wirtschaftliche und sportliche Anlässe für die Thurgauer Bevölkerung.
Markt Thurgau Frauenfeld (20 Millionen Franken)
Hier geht es um die Umnutzung des Kasernenareals in Frauenfeld. Dort soll der so genannte Markt Thurgau eingerichtet werden. Mit den Geldern aus dem TKB-Topf sollen nicht nur die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude als bauliche Monumente erhalten, sondern vor allem auch der öffentliche Zugang sichergestellt und der Ort für den ganzen Kanton belebt werden. Es sollen Betriebe angesiedelt und die frei werdenden Räume, Flächen und Plätze möglichst kostengünstig an Startups, Vereine, Marktbetreibende, Kleingewerbe und Veranstaltende sowie kreative Gastronomen abgegeben werden.
Kloster Fischingen Sanierung (20 Millionen Franken)
Die baudenkmalerische Substanz soll erhalten und belebt werden. Das Kloster soll ein Begegnungsort mit einem attraktiven Besucherzentrum und einer neuen Gartenanlage werden, die weit über den Kanton hinausstrahlen.
Zur gesamten Botschaft des Regierungsrats für die Abstimmung am 18.Juni geht es hier.
Weitere Beiträge von Andrin Uetz
- «Eine Knochenarbeit, die mich bereichert!» (22.11.2024)
- Der Boden, auf dem wir stehen (06.05.2024)
- Zu Unrecht fast vergessen (28.03.2024)
- Feinsinnige Klangfarben und packende Soli (21.02.2024)
- „Gute Vernetzung ist wichtig” (01.02.2024)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Kulturpolitik
Kommt vor in diesen Interessen
- Kulturförderung
- Architektur
- Bodensee
Ist Teil dieser Dossiers
Ähnliche Beiträge
Ohne Raum bleibt alles nur ein Traum
Vor welchen Herausforderungen steht Gemeinschaft heute? Und wie kann Kultur Gemeinschaft stiften? Diesen Fragen gaben den Impuls zur dritten Thurgauer Kulturkonferenz. mehr
Was hält uns zusammen?
Die dritte Thurgauer Kulturkonferenz begibt sich auf die Suche nach Zukunftsmodellen für unser Zusammenleben. Die grosse Frage dabei: Welche Rolle kann Kultur in Gemeinschaften spielen? mehr
«Falsch gespart»: Kritik am Sanierungs-Stopp
Pro Infirmis kritisiert den Entscheid des Regierungsrats, das Schloss Frauenfeld vorerst nicht barrierefrei zu machen. Damit würden Menschen mit Behinderung vom Historischen Museum ausgeschlossen. mehr