von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 09.12.2024
Trübe Aussichten
Wenn die Einnahmen nicht steigen, müssen die Ausgaben sinken: Was das Ergebnis der Budgetberatungen des Kantonsparlaments für die Kultur im Thurgau bedeutet. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Die finanzielle Lage des Kantons Thurgau bleibt auch in den nächsten Jahren angespannt. Das ist eine der zentralen Botschaften, die man von den Budgetberatungen des Grossen Rats am vergangenen Mittwoch in Weinfelden mitnehmen kann. Die ohnehin schwierige Situation (der Regierungsrat schrieb von der schlechtesten finanziellen Lage seit 20 Jahren) verschärft sich dadurch, dass die Parlamentarier:innen sich nicht auf eine Steuerfusserhöhung von 109 auf 117 Prozent einigen konnten. Stattdessen soll die Regierung für das nächste Budget nochmal über die Bücher und weitere Einsparvorschläge für die kommenden Jahre erarbeiten.
Bereits bei der ersten Lesung des Budgets 2025 hatte der Grosse Rat eine generelle Kürzung der Globalbudgets aller Ämter um 2 Prozent beschlossen. Damit können rund 8,2 Millionen Franken eingespart werden. Der nun beschlossene Verzicht auf die Steuererhöhung verursacht laut Regierungsrat allerdings ein weiteres Minus von rund 54 Millionen Franken. In der Konsequenz bedeutet das: Wenn die Einnahmen nicht steigen, müssen die Ausgaben sinken. Die Spardebatten und Verteilkämpfe dürften auf der Basis in den kommenden Jahren noch schärfer werden.
Wie es bei den Museumsbauprojekten weiter geht
Aus Sicht der Kultur ist das Ergebnis der Budgetberatungen ambivalent. Einerseits ist es gelungen weitere Kürzungen (über die globale Kürzung für alle Ämter hinaus) zu verhindern. Dabei gab es in der vorberatenden Subkommission durchaus Versuche das Kultur-Budget des Kanton weiter einzuschränken. So wurde beispielsweise laut Kommissionsbericht der Personalaufwand im Kulturamt hinterfragt, ebenso der Kulturlastenausgleich an den Kanton St. Gallen (die 1,6 Millionen Franken ans Theater St. Gallen sollten um 500’000 Franken gekürzt werden) sowie der Nettoaufwand bei den kantonalen Museen. Keiner der Kürzungsanträge konnte sich am Ende durchsetzen.
Andererseits zeigen die Beschlüsse auch: Notwendige Investitionen in die Sanierung und Modernisierung der Museen werden verschoben und in die Zukunft gestreckt. Über die Verschiebung der Eröffnung des geplanten Themenhauses Werk Zwei in Arbon auf 2037 und den Halt bei der Sanierung des Schloss Frauenfeld wurde bei den Budgetberatungen gar nicht mehr diskutiert. Sie sind gesetzt. Das Historische Museum Thurgau bleibt damit weitere Jahre nicht barrierefrei. Der Verband Pro Infirmis hatte das bereits im Oktober 2024 kritisiert.
Finanziert ein Mäzen einen Ausstellungssaal?
Auch bei den anderen Museums-Bauprojekten wird es vermutlich langsamer vorangehen als ursprünglich gedacht. Beispiel Kunstmuseum und Ittinger Museum: Die mit 19,5 Millionen Franken kalkulierte Sanierung des Bestands ist aktuell erst im Finanzplan 2027 vorgesehen. Und das auch nur in Etappen. Für die Jahre 2025 und 2026 sind Planungskosten von 250’000 Franken vorgesehen. Für 2027 sind 600’000 Franken in die Finanzplanung eingestellt, für 2028 4,5 Millionen Franken.
Wie es danach weitergeht, ist offen. Der jetzt beschlossene Finanz- und Ausgabenplan bezieht sich nur auf die Jahre von 2026 bis 2028. Offen ist ebenfalls, was aus dem im Architektenentwurf angedachten, zusätzlichen und unterirdischen Ausstellungssaal wird. Die Hoffnung der Politik ist hier, dass sich ein privater Finanzier dafür findet. Bis Sommer 2025 soll dazu Klarheit herrschen.
Der Bericht der vorberatenden Subkommission des Parlaments dämpft jedenfalls die Erwartungen in das Sanierungs- und Erweiterungsprojekt in Ittingen. Die Realisierung erfolge „im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten“, heisst es dort. Und weiter: „Es geht darum, das Beste aus der jeweiligen Situation zu machen und mit kreativen Massnahmen und Schwerpunktsetzungen dennoch am Puls der Zeit zu bleiben.“
Erweiterung des Napoleonmuseums in weiter Ferne
Ähnlich sieht es am Arenenberg aus. Von den grossen Umbauplänen ist nur ein Bruchteil geblieben. Die vom Gewinnerentwurf des Architektenwettbewerbs vorgesehene unterirdische Erweiterung der Ausstellungsflächen des Napoleonmuseums ist bis 2028 kein Thema mehr. In den nächsten Jahren soll nun zuerst „eine zentrale Anlaufstelle als Informations- und Ticketverkaufsstelle, als Rezeption für die Hotellerie und als Shop umgesetzt werden“, heisst es in den Ratsunterlagen.
Daneben ist die Sanierung des Gästehauses geplant. Hier soll künftig die Museumsverwaltung und die Museumsbibliothek angesiedelt werden. So können im Hauptgebäude und im Prinzenflügel „die benötigten Flächen für die Rezeption, die Ausstellungsräume Museum und den Shop freigespielt werden“, heisst es in den Erläuterungen zum Budget des kantonalen Hochbauamts. Mittel hierfür sind ab 2025 (Planung) in den Haushalt eingestellt. Weitere Gelder stehen dann in den Jahren 2026, 2027 und 2028 bereit. Insgesamt rechnet der Kanton mit Kosten von 4,4 Millionen Franken.
Wie der Lotteriefonds gerade die Thurgauer Kultur rettet
Dass die Einschnitte für die Kultur in diesem Jahr nicht noch härter ausfielen hat auch mit einer Besonderheit der Thurgauer Kulturfinanzierung zu tun. Der Staatshaushalt (und nur um den ging es bei den jüngsten Budgetberatungen) ist dabei nur ein Puzzlestück. Denn: Nur ein Teil der Personalkosten des Kulturamts, der Betrieb der kantonalen Museen, der Kulturpreis des Kantons Thurgau und der Kulturlastenausgleich Ostschweiz werden aus Staatsmitteln finanziert.
Ein grosser Teil des Kulturlebens im Kanton wird daneben über den Lotteriefonds ermöglicht. Für die Jahre 2022 bis 2026 sind es laut Kulturkonzept mehr als 50 Millionen Franken.
Über diese Gelder entscheidet der Kantonsrat nur bei besonders hohen Summen. Sie liegen aktuell bei 1 Millionen pro Jahr oder 3 Millionen Franken einmalig. Alle Summen darunter entscheiden in einem abgestuften Verfahren Kulturamt, Departement für Erziehung und Kultur sowie der Gesamtregierungsrat. Die Kulturkommission wird ab einem Förderbeitrag von 200’000 Franken um Stellungnahme gebeten.
Die Entscheidungen über die einzelnen Gesuche um Beiträge für kulturelle, wissenschaftliche oder gemeinnützige Projekte werden je nach Höhe der bewilligten Summe auf verschiedenen Ebenen getroffen:
Bis 10’000 Franken entscheidet das Kulturamt Thurgau gestützt auf die Beratung durch Fachreferentinnen und Fachreferenten.
Bis 20’000 Franken entscheidet das Departement für Erziehung und Kultur (DEK) gestützt auf die Beratung durch Fachreferentinnen und Fachreferenten
Ab 20’000 Franken und bis einmalig 3 Millionen Franken (oder wiederkehrend 1 Million Franken) entscheidet der Regierungsrat
Ab 200’000 Franken ist hierzu auch eine Stellungnahme der kantonalen Kulturkommission einzuholen
Alles was darüber hinaus geht, obliegt zur Entscheidung dem Kantonsparlament.
Was im Kulturkonzept des Kantons geregelt wird
Im Kulturkonzept des Kantons Thurgau wird regelmässig erläutert, was genau mit den Lotteriefondsgeldern passiert. Das betrifft Institutionen mit mehrjähriger Leistungsvereinbarung, sämtliche Kulturprojekte und Kulturinfrastrukturprojekte, die gesamte Kulturvermittlung sowie die Begabtenförderung im Bereich Musik und Tanz. Sie sind allesamt aus Lotteriefondsmitteln finanziert. Mit der Förderung der regionalen Kulturpools wird auch die regionale Kulturförderung, die den Gemeinden obliegt, mit Lotteriefondsmitteln finanziell unterstützt.
Über die Verwendung der Lotteriefondsgelder wurde in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert. Besonders über die Frage, ob der Kanton die zur Verfügung stehenden Gelder nicht besser nutzen könnte. Aktuell steht der Fonds bei 55 Millionen Franken (wobei ein Teil davon jeweils für die bestehenden Leistungsvereinbarungen gebunden ist). Auf eine Anfrage aus dem Parlament dazu, hatte der Regierungsrat im Juli 2023 folgendermassen geantwortet: „Die Kultur ist in sehr hohem Masse vom Lotteriefonds abhängig. Gewisse Reserven im Lotteriefonds für die Kultur sind folglich unabdingbar.“
Klar ist: Der Spardruck bleibt hoch
Für den Moment profitiert das Thurgauer Kulturleben davon. Trotz dieser Besonderheit in der Thurgauer Kulturfinanzierung bleiben die Gesamtaussichten insgesamt aber eher trübe. Wenn der Spardruck überall zunimmt, wird das auch an der Kultur nicht spurlos vorbeigehen.
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