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Was wir vom Landleben lernen können

Was wir vom Landleben lernen können
«Wir wollen eine Brücke bauen.» Carmen Aliesch, neue Kuratorin am Schaudepot St. Katharinental über ihre Pläne mit der volkskundlichen Sammlung des Kantons. | © Michael Lünstroth

Carmen Aliesch ist die neue Kuratorin im Schaudepot St. Katharinental. Sie will das Haus und die Sammlung mit neuen Vermittlungsangeboten weiter entwickeln. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Wenn man so will, dann schliesst sich für Carmen Aliesch gerade ein Kreis. Die 38-Jährige ist in ihrer Heimat im Bündner Land auf einem Bauernhof aufgewachsen und jetzt ist sie neue Kuratorin der volkskundlichen Sammlung des Kantons Thurgau im Schaudepot des Historischen Museums in St. Katharinental. „Das ist schon etwas Besonderes. Für mich ist das nicht irgendeine Sammlung. Ich kehre damit auch zu meinen Wurzeln zurück“, sagt Aliesch im Gespräch mit thurgaukultur.ch

Seit dem 1. Dezember 2021 ist sie offiziell die Nachfolgerin von Peter Bretscher. Der hatte die Sammlung über Jahre aufgebaut und zu dem gemacht, was sie heute ist - eines der beliebtesten Ausflugsziele im Thurgau.

Wir treffen Carmen Aliesch an einem Dienstag im April im Diessenhofener Schaudepot im früheren Kornhaus des Klosters St. Katharinental. Gemeinsam mit einem Zivildienstleistenden arbeitet sie an der Inventarisierung und Digitalisierung der mehr als 12’000 Exponate umfassenden Sammlung. „Das ist eine der grossen Aufgabe gerade“, erklärt Aliesch, „für die Fortentwicklung brauchen wir einen Überblick über das, was alles da ist und über die Digitalisierung wollen wir die Sammlung langfristig auch Forscher:innen zugänglich machen.“

 

„Es gibt immer mehr Menschen, die keinen Bezug mehr zu einem bäuerlich geprägten Leben haben, das Wissen über deren Wertvorstellungen und Lebensweisen nimmt ab. Wir wollen eine Brücke bauen und dafür braucht es gute Vermittlungskonzepte.“

Carmen Aliesch, Kuratorin am Schaudepot St. Katharinental

Neu ist das Schaudepot für Camen Aliesch nicht. Schon 2016 hat sie Schulführungen für die Zweigstelle des Historischen Museums konzipiert. Das passte auch deshalb gut, weil sie zunächst als Primarlehrerin gearbeitet hat, ehe sie ein Geschichts-Studium an der Universität Bern aufsattelte.

Sie ist also Historikerin und Lehrerin. Nicht die schlechteste Mischung für ein Museum: „Die Arbeit hier verbindet die beiden Welten: Es geht um wissenschaftliches Arbeiten, aber auch um die Vermittlung von Inhalten“, sagt Aliesch.

Besonders die Vermittlung will sie in Zukunft ausbauen und stärken. „Es gibt immer mehr Menschen, die keinen Bezug mehr zu einem bäuerlich geprägten Leben haben, das Wissen über deren Wertvorstellungen und Lebensweisen nimmt ab. Wir wollen eine Brücke bauen und dafür braucht es gute Vermittlungskonzepte“ erklärt die Historikerin. Wichtig ist ihr dabei, dass alle Führungen auch einen Bezug zur Gegenwart und der Lebenswelt der Menschen heute haben.

Ein Ziel: Vergangenheit und Gegenwart verknüpfen

Aktuelles Beispiel dafür: Sie hat eine neue Erwachsenenführungen erdacht, die sich um die Beziehung zwischen Mensch und Tier kümmert. Dabei geht es darum, wie wir heute beispielsweise mit Hunden umgehen und wie es in früheren Zeiten mit Wölfen war.

Dahinter steckt ein Prinzip: Fragen der Gegenwart mit einem Blick in die Vergangenheit diskutieren. Nicht ausschliesslich, aber doch die Perspektive aus vergangenen Tagen mit einfliessen zu lassen - das ist eine der Methoden, die die neue Kuratorin anwenden will.  „Manchmal können wir heute auch etwas davon lernen, wie es damals gemacht wurde“, findet Carmen Aliesch.

Digitale Vermittlung? Nicht geeignet für die Sammlung, findet Aliesch

Derlei Geschichten schlummerten noch an manchen Stellen der Sammlung, sagt Aliesch. Diese wolle sie nun Stück für Stück herausarbeiten und in thematischen Führungen erzählen.

Hör-Stationen oder 3D-Brillen werde es auch weiter nicht geben im Schaudepot. Das sei zum einen eine finanzielle Frage, aber nicht nur: „Die Qualität der Sammlung ist ja gerade, dass man sie anfassen und begreifen kann. Wir sind ein Haus ohne Vitrinenglas und ohne digitale Vermittlungsformen. Wir setzen auf den Wert der Direktheit der Sammlung, das macht ihr Alleinstellungsmerkmal und ihre Authentizität aus“, sagt die Historikerin.

 

Das Schaudepot soll auch unter Carmen Aliesch ein Ausstellungsort zum Anfassen bleiben: Hier erleben Besucher:innen Leben und Arbeit vor 100 Jahren hautnah. Bild: Historisches Museum Thurgau

Feuerschutztreppe wird eingebaut

Bleibt also alles, wie es ist? Das, was Peter Bretscher aufgebaut hat, will die neue Kuratorin im Prinzip fortführen. Hier und da werde sie eigene Schwerpunkte setzen, aber es müsse jetzt auch nicht alles anders gemacht werden.

Der Ort funktioniere sehr gut als das, was er ist - ein Schaudepot zur ländlichen Geschichte des Thurgaus. In den nächsten Monaten stehen ein paar Umbauten an - das Haus bekommt eine Feuerschutztreppe. „Auch das wird einige Änderungen mit sich bringen“, sagt die Kuratorin.

Museumsarbeit verständlich erklären

Was sie sich zudem vorstellen könnte - den Depotcharakter des Hauses weiter auszuspielen. „Das könnte man noch sichtbarer machen und so auch zeigen, was Museumsarbeit eigentlich bedeutet. Was alles dazu gehört, ist ja noch nicht jedem so klar. So könnten wir unsere Arbeit transparenter machen und ihren Wert nochmal klarer vermitteln“, sagt Carmen Aliesch.

Der Ort als solcher ist jedenfalls fest etabliert. Das hatte auch der Regierungsratsbeschluss aus dem Juni 2020 gezeigt, in dem St. Katharinental als dritter Standort - neben Frauenfeld und irgendwann Arbon mit dem Neuen Historischen Museum - explizit genannt wurde.

Wie der Museumsbau in Arbon auch das Schaudepot betrifft

Mit dem neuen Museum in Arbon könnten sich vielleicht auch interessante neue Möglichkeiten für das Schaudepot ergeben. Warum zum Beispiel nicht besondere Exponate auch mal dort ausstellen? Das sei möglich, sagt Carmen Aliesch. Aber bis es soweit ist, werden noch einige Jahre vergehen.

Eine Volksabstimmung über das neue Museum könnte im Frühjahr 2025 stattfinden. Sagt das Volk „Ja“, dann dürfte eine mögliche Eröffnung des neuen Hauses nicht vor 2027 realistisch sein. Aber klar, sagt Aliesch, die weitere Entwicklung des Schaudepots stehe ohnehin im Kontext der Gesamtentwicklung des Historischen Museums Thurgau.

Die für die neue Kuratorin wichtigsten Aufgaben in den ersten beiden Jahre: Inventarisierung und Digitalisierung der Sammlung, das Feuerschutzbauprojekt im Haus und die Entwicklung neuer Vermittlungsformate. „Damit sind wir für den Anfang gut ausgelastet“, sagt Carmen Aliesch.

 

Einblick in eine original getreu wieder aufgebaute Werkstatt im Schaudepot in Diessenhofen. Bild: Historisches Museum Thurgau

 

Mehr zur Geschichte des Schaudepots

In einem Beitrag zur Pensionierung des ehemaligen Schaudepot-Kurators Peter Bretscher, haben wir auch einen Blick in die Geschichte des Schaudepots geworfen. Den Text gibt es hier.

 

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