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von Inka Grabowsky, 11.11.2024

Wissen macht glücklich

Wissen macht glücklich
Der Routine-Funktions-Check der Kamera vor jedem Termin gibt Anlass für Selbstbildnisse im Spiegel. | © Inka Grabowsky

«Wie wir arbeiten» (2): Kaum jemand schreibt schon so lange für uns wie Inka Grabowsky. Für sie ist das Gefühl, wenn der Groschen fällt, unbezahlbar. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Ich muss mit einem Geständnis beginnen: Jedes Mal, wenn ich ein Honorar für das Verfassen eines Artikels für die Rubrik «Wissen» verlange, habe ich ein schlechtes Gewissen. Jedes Mal beschleicht mich das Gefühl, dass ich für das Privileg der Privat-Führung, des Privat-Vortrags oder der Konferenzteilnahme Geld bezahlen sollte, statt dafür welches einzufordern. 

Und dann erinnere ich mich an die Stunden am Computer, in denen ich aus den mir geschenkten Informationen eine Geschichte giesse, und stelle die Rechnung.

Die Begeisterung des Direktors

Gehen wir vom einfachsten Fall aus: Das Naturmuseum zeigt eine neue Ausstellung. Die Presse – drei bis fünf Kollegen – bekommt vor der Vernissage eine Einführung. Dann muss man sich nur noch von der Begeisterung des Direktors anstecken lassen (er ist immer begeistert – darauf kann man sich verlassen) und brav mitschreiben. Das allerdings ist eine Kunst für sich.

So bequem ist es nicht immer. Ich erinnere mich an eine Exkursion mit dem Archäologischen Museum, bei der ich trotz Regenausrüstung nass bis auf die Haut wurde. Gut, dass Bleistifte auch auf nassem Papier schreiben. Kugelschreiber versagen irgendwann. Aber dafür weiss ich jetzt, was sich unter dem Hochplateau von Toos verbirgt.

 

Nein, es ist kein Steno, sondern meine eigene „Geheimschrift“. Bild: Inka Grabowsky

Intrinische Motivation ist wichtig

«Agenda-Journalismus» heisst es, wenn man Themen bearbeitet, die sich durch Veranstaltungen aufdrängen. Mitunter aber will man selbst etwas herausfinden. Das ist naturgemäss aufwändiger, als wenn man Informationen auf dem Silbertablett serviert bekommt. Hier hilft intrinsische Motivation: Bei thurgaukultur.ch wird man pro Artikel bezahlt, nicht pro Arbeitsstunde oder gefahrenem Kilometer. 

Es lohnt sich trotzdem – nicht nur wegen des unbezahlbaren Wissenszuwachses, sondern weil aus einem zeitintensiven Artikel manchmal später der Auftrag für eine Serie erwächst .

Wie berichtet man von einer ganztägigen Konferenz?

Richtig fleissig muss man sein, wenn man von Experten-Konferenzen berichtet. Entgegen der landläufigen Annahme sind Journalisten nicht allwissend. Ich bin Expertin für Sprache, nicht unbedingt für Geschichte oder für Kunst oder für Astronomie oder für den frühen Fischfang auf dem Bodensee. 

Da heisst es also sich vorzubereiten. Auf welchen Aspekt der Konferenz will ich mich konzentrieren? Welcher Vortrag ist für die Lesenden auf thurgaukultur.ch so interessant, dass sie an meinem Bericht hängenbleiben? Und dann kommt der schwierigste Teil: Welche Erkenntnisse lasse ich weg, auch wenn sie noch so faszinierend waren?

 

Eigentlich nicht zum Veröffentlichen geeignet, aber um beim Schreiben einen Überblick über die Orte zu behalten, ist nützlich, was Dominik Gügel hier präsentiert. Ich fotografiere es für mich als Erinnungersstütze. Bild: Inka Grabowsky

Die Kunst des Weglassens

Das war jüngst besonders augenfällig, als ich über die Eröffnung der Grossen Landesausstellung zu 1300 Jahren Kloster Reichenau berichten durfte. Die Journalistenschar wurde zunächst über die Insel geführt. Wir sahen die neu gestaltete Ausstellung im dortigen Museum, wir bekamen eine Führung durch das Münster und dessen Schatzkammer. Dort stand uns die Restauratorin mit ihrem Team Rede und Antwort. Das allein hätte Stoff für einen Artikel gegeben. Doch die Hauptattraktion mit der Ausstellung im ALM in Konstanz folgte ja noch. 

Bei einer Pressekonferenz erklärten viele Beteiligte, warum das Projekt so grossartig ist. Und es gab die private Führung vorab, bei der eine Koryphäe sich herabliess, uns im Schnelldurchgang auf die tollsten Exponate hinzuweisen. Selten war ich so dankbar, dass es auf thurgaukultur.ch keine Beschränkung der Zeichenanzahl gibt. Wäre ich für eine Tageszeitung unterwegs gewesen, hätte ich mich auf 3500 Zeichen beschränken müssen, so habe ich 9475 abgeliefert.

Nach der Recherche die Schreibarbeit

Es gibt immer einen Satz, eine Anekdote, eine unerhörte Begebenheit, die mir auf der Rückfahrt zum heimischen Schreibtisch besonders in Erinnerung bleibt. Das ist der Anfang meines Texts. Von hier entwickelt sich ein roter Faden, an dem ich die Geschichte aufhänge. Nach Entwurf, Ausformulierung und sprachlichem Schliff folgt die Kontrolle. Da meine Notizen nicht immer leserlich sind, fotografiere ich die Texttafeln in einer Ausstellung, um die gehörten Fakten später für mich abgleichen zu können. 

Museen liefern zusätzlich oft noch Hintergrundmaterial. An Möglichkeiten zur Überprüfung mangelt es also nicht. Man muss nur die Bereitschaft mitbringen, die eigene Wahrnehmung in Zweifel zu ziehen. Und man muss sich die Zeit nehmen, in Ausstellungs-Katalogen oder im Internet Fakten zu überprüfen, bevor man sie nach dem einmaligen Hören publiziert. Die Links zu weiterführenden Websites kann man bei der Gelegenheit gleich mitliefern. 

 

Texttafeln im Museum dienen zum Abgleich mit den Mitschriften. Bild: Inka Grabowsky

Die Fotoauswahl und die Bildunterschriften

Der Artikel ist geschrieben. Ein ahnungsloses Familienmitglied hat als Gegenleser die Logik bestätigt. Die Namen und Daten sind überprüft. Alles fertig? Weit gefehlt! Mit dem Mail an die Redaktion gehen diverse Fotos auf die Reise. Mitunter werden sie in perfekter Qualität zur Verfügung gestellt, mitunter sind die selbst geknipsten Eindrücke aussagekräftiger. 

Zwei bis vier Dutzend Bilder mache ich bei einem Termin für thurgaukultur.ch. Welche sechs schicke ich an die Redaktion? Muss ich sie gegebenenfalls am Computer noch verbessern (Schatten aufhellen oder Glanzpunkte nachträglich «abpudern»). Welcher Bildausschnitt liesse sich vergrössern? Und was sollte in der Bildunterschrift stehen? Seien wir ehrlich: Mitunter bleibt der Blick eines Lesers an einem «Eyecatcher» hängen. Die heissen schliesslich nicht umsonst so. Die Unterschrift dazu muss hilfreicher sein als: «So sieht Herr X aus». Das würde niemanden zum Lesen verführen. 

Immerhin brauche ich für die Rubrik «Wissen» nur selten Videos machen. Das lohnt sich bei Berichten über Tanz, Lesung oder Konzert viel mehr. Und nur dann investiere ich die Extra-Stunde, die das Schneiden der Clips verschlingt.

 

Ein Selfie musste ausnahmsweise sein beim Bericht über „Tandem im Museum“ im Schulmuseum. Bild: Inka Grabowsky

 

 

Die neue Serie „Wie wir arbeiten“

In der Serie „inside thurgaukultur.ch – wie wir arbeiten“ schreiben unsere Autor:innen über ihren Arbeitsalltag. Sie erklären, wie sie sich für ihre Termine und Texte vorbereiten, auf welchen Wegen sie recherchieren und welchen Herausforderungen sie dabei begegnen. Wir öffnen damit bewusst die Tür zu unserer Werkstatt, damit du besser nachvollziehen kannst, wie wir arbeiten und welche Kriterien uns in unserem Tun leiten.

Damit sollen einerseits unsere Autorinnen und Autoren sichtbarer werden, zudem wollen wir die Bedeutung von Kulturjournalismus damit herausstellen. Denn es stimmt ja immer noch, was Dieter Langhart im Mai für uns geschrieben hat: „Ohne Kulturjournalismus keine Abbildung und Einordnung von Kultur.“

Alle Teile der Serie bündeln wir in einem Dossier.

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Unsere Autor:innen erklären nach welchen Grundsätzen und Kriterien sie arbeiten!

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