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von Anke Klaaßen, 13.03.2024

Der lange Weg zu sich selbst

Der lange Weg zu sich selbst
Filmemacher Robin Oswald | © Jessica Moravec

Im vergangenen Jahr hat Robin Oswald den Roxy-Award beim Movie Day gewonnen. Wie geht es dem jungen Filmemacher heute? Ein Porträt. (Lesedauer: ca. 5 Minuten)

Ein junger Mann wacht auf, rast mit dem Snowboard den Berg hinunter, rennt, rennt, rennt bis zu einem kleinen Kino, ein weiterer junger Mann taucht auf, will scheinbar dasselbe, ein Kampf beginnt… In Robin Oswalds Trailer zum Movie Day spielt er selbst die Hauptrolle und man könnte meinen, der kurze Film verkörpert auch sinnbildlich die enorme Energie und Vielseitigkeit, die den jungen Filmemacher antreibt. 

Selbst bezeichnet er sich als Allrounder: „Ich mache gern mehrere Sachen.“ Geboren ist er in Rüthi, viele Umzüge führten ihn zu verschiedenen Wohnorten in der Schweiz. Wegen seiner Liebe zu den Bergen lebt und arbeitet er im Moment in Saas-Fee, wo auch der Trailer entstand. 

Dass Oswald den Trailer für die elfte Ausgabe des Festivals (Termin: Samstag, 23. März) produzierte, hat einen Grund: Der junge Filmemacher hat mit seinem Kurzfilm „White Wolves“ im vergangenen Jahr den „Roxy-Award“ gewonnen. Als Förderpreis erhält der Gewinner des Preises die Möglichkeit, den Trailer für die kommende Ausgabe zu produzieren und damit im Kino Roxy als Vorfilm zu zeigen. Ein Jahr nach diesem Erfolg und im Vorfeld des diesjährigen Festivals, habe ich mit Robin Oswald gesprochen. Dabei erzählte der 27-Jährige davon, wie er zum Filmemachen kam. 

Video: Trailer zum Movie Day 2024

Vom Steinmetz zum Schauspieler 

Nach einer Lehre als Steinmetz entdeckte Oswald das Schauspielen für sich – vor allem durch seine Schwester, die schon viel früher damit angefangen hatte und seit längerer Zeit professionell im Filmbereich arbeitet. Robin Oswald liess seine Arbeit als Steinmetz hinter sich und ging nach Berlin an die Transform-Schauspielschule. Dort studierte er zwischen 2018 und 2020. 

Im Studium sei es sowohl um Theater- als auch um Filmschauspiel gegangen – Oswald habe sich aber von Anfang an für das Filmschauspiel interessiert. Schon während des Studiums arbeitete er als Schauspieler für Musikvideos und Kurzfilme, 2020 spielte er bei der Serie Young Hearts mit, unter anderem zu sehen bei Amazon Prime. 

Zu Fuss von Berlin in die Schweiz – der Weg zu den „White Wolves“ 

„White Wolves“, der Film, mit dem der Schauspieler letztes Jahr den Roxy-Award gewonnen hat, war der erste Film, bei dem er auch Regie führte – zusammen mit dem Filmemacher Tim Rohrbach. In „White Wolves“ versucht der junge depressive Emil seine Alkoholsucht zu finanzieren, indem er auf noblen Luxusveranstaltungen als Security arbeitet.

Als er eines Tages einen Wutausbruch hat, der ihn nicht nur den Job sondern auch seinen Ruf kostet, steht er vor dem finanziellen Bankrott. Den einzigen Ausweg bietet ihm das Jobangebot seines guten Freundes Jou. Zusammen sollen sie nach einem verschwundenen Mädchen in den Bergen suchen. Doch genau in dieser Gegend verschwand schon seine Mutter spurlos… Gedreht in Graubünden, Seon und Baden fing das Filmteam die innere Gefühlslandschaft des Protagonisten in eindrücklichen Naturaufnahmen ein. 

Auch in Oswalds Leben hatte die Natur in der Zeit vor dem Dreh eine grosse Rolle gespielt. Als die Coronakrise in Berlin begann, erwachte in dem Schauspieler der Wunsch, zurück in die Schweiz zu gehen „Das war einfach die ganze Situation in Berlin, Berlin war sowieso ein Riesenkäfig“, erzählt er. Zudem habe ihm die Ausbildung in der Schauspielschule zu dem Zeitpunkt keine neuen Impulse mehr gegeben. Und so löste er alles auf, Wohnung und Studium. Zusammen mit seiner Mutter, die gerade zu Besuch war, lief er dann los – zu Fuss zurück in die Schweiz. 

Das Gefühl fürs Wesentliche

Drei Monate waren die beiden unterwegs, mit wenig Geld, oft schliefen sie draussen. Diese Zeit habe Oswald stark geprägt: „Ich bin da in Situationen gekommen, wo ich wirklich Hunger spüren musste oder wie es mal ist, nicht alles zu haben. Und das war, glaube ich, das Beste, was mir passieren konnte“, meint er rückblickend. Vorher habe er das Gefühl für gewisse Dinge nicht gehabt. 

Als er schliesslich in Schaffhausen ankam, nahm er eine Arbeit an, legte Geld zur Seite und finanzierte damit den 15-minütigen Kurzfilm „White Wolves“. Mit dem Film habe er das Ziel erreichen wollen, mit sehr wenig etwas sehr Professionelles zu schaffen. Er habe die Beobachtung gemacht, dass, obwohl viele Filme und Serien extrem viel Geld zur Verfügung haben, die Filme oftmals nichtssagend seien und die Charaktere würden dem Publikum gleichgültig bleiben, „Es ist so wie Luft - es hat keine Bedeutung.“ meint Oswald. 

Video: Das ist der Roxy-Award-Gewinnerfilm «White Wolves» von 2023

Die Lust an den menschlichen Abgründen 

Eine weitere Motivation war das Schauspiel. Seine bisherigen Rollen hätten ihm schon Spass gemacht, „aber ich bin nie dazugekommen, das zu spielen, was ich spielen wollte und da hab‘ ich mir gesagt, jetzt mach ich meinen eigenen Film. Mit dem was ich wirklich spüre, was ich spielen will und nicht das, was mir Leute vorschreiben.“, so Oswald. 

Dabei habe er sich selbst kennenlernen wollen, in gewissen Situationen, in denen die anderen ihn nicht gerne sehen. Es sind die Abgründe, die tieferen psychologischen Schichten, die den Schauspieler interessieren – die er spielen und auch schreiben wollte. „Das Thema war eigentlich Angst“. Mit dem Film habe er aussagen wollen, dass man nicht vor seiner Angst davonlaufen kann – man müsse sich ihr stellen. 

Was er heute über den Gewinnerfilm denkt 

Betrachtet er sein Erstlingswerk heute, dann sieht er da nicht nur Licht. Mit manchem ist Oswald unzufrieden in „White Wolves“, manches habe er unterschätzt. Es war alles sehr spontan und schnell geschrieben, was er auch so gewollt habe. Für das Grundgerüst des Drehbuchs habe er sich nur zwei Tage genommen und auch während des Drehs noch neue Szenen geschrieben. Dadurch gäbe es im Film einige dramaturgische Schwächen. 

Das Statische, Langwierige des Schreibens würde ihm schwerfallen. Bei einem neuen Projekt würde er sich von jemandem Professionellen aus dem Drehbuchbereich unterstützen lassen. Fünf Tage hat das kleine Filmteam gedreht. „Also dafür, dass es so spontan war, ist es ein megacooler Film geworden.“, sagt Oswald. 

 

Beim Dreh von «White Wolves». Bild: Nico Juchli

 

Im Schnitt habe er dann noch einmal alles versucht aus dem Film herauszuholen, was möglich ist. Dabei sei dann sogar noch eine Szene hineingekommen, die er gar nicht für den Kurzfilm, sondern auf seiner Rückreise aus Berlin in die Schweiz gedreht habe – nämlich, wie er durch die Berge rennt. Wieder – das Rennen. 

„Du musst durch die Charaktere durchsehen können wie durch Fensterscheiben.“

Robin Oswald, Filmemacher 

Dass Oswald und sein Team mit „White Wolves“ letztes Jahr den Roxy Award gewonnen hatten, war ein toller Moment, so der Schauspieler. Was Oswald den jungen Filmemachern mit auf den Weg geben würde, die beim diesjährigen „Movie Day“ ihre Filme auf dem Festival zeigen? „Man muss sich öffnen und auch die Seiten an sich angucken, die man halt nicht gerne hat, um einen guten Film machen zu können oder schreiben zu können.“ 

Man spürt, Oswalds Faszination liegt auf mehrdimensionalen Charakteren: „Im Endeffekt ist keiner besser als der andere, weil jeder seine Geheimnisse hat“, sagt er. „Alle sind 3D, wir sind vielfältig, eigentlich sind alle Menschen Allrounder. Und jeder kann alles, man muss einfach sich gewisse Dinge angewöhnen oder machen.“ Robin Oswald ist überzeugt: „Wenn man versucht, einen Charakter 2D zu gestalten, dann ist es einfach nicht mehr spannend, also da kann man sich wirklich den Kopf kaputtdenken bei der Gestaltung von Charakteren.“ 

Herausforderung Mensch 

Gleichzeitig sieht Oswald in der Vielschichtigkeit von Menschen auch die grösste Herausforderung beim Filmdreh: „Menschen sind schwierig.“ sagt er und gerade beim Filmdreh sei es gar nicht so einfach, im Stress trotzdem zu berücksichtigen, dass jeder die Welt aus seiner Perspektive sieht. 

Als Kind habe sich Robin Oswald noch gar nicht so sehr für das Filmemachen interessiert. Er schrieb in seiner Jugend vor allem Raptexte, um eigene Themen zu verarbeiten, in denen er sich „ausleben“ konnte. Das reizt ihn auch besonders am Filmemachen: „Dass man seine Phantasie ausleben kann“ und eben auch Seiten an sich, die sonst keinen Platz finden. 

Nach dem Kampf kommt der Film 

Im Moment sind Robin Oswalds Tage zwischen den Bergen von Saas-Fee dicht gefüllt mit seiner Arbeit im Housekeeping eines 5 Sterne-Hotels, mit der Vorbereitung auf die Autoprüfung, Sport, Rennen, Lernen von Englisch und Zehnfingersystem - und vor allem mit seinem Kampf-Training. 

Sein Hauptfokus liege derzeit auf dem Muay Thai, einer thailändischen Kampfsportart: „Ich möchte einen Kampf machen, weil, ich spüre gerade, ich brauche das, um mich selbst weiterzuentwickeln“. Sein Ziel ist ein Wettbewerbskampf mit jemandem, der auf seinem Level kämpft und dafür trainiert er jede freie Minute. Für den Film bleibt da gerade kaum Zeit. Allerdings wächst schon eine neue Idee für ein Projekt. „Etwas mit Kampfsport“, verrät Robin Oswald. Und über einen Protagonisten, mit zwei sehr konträren Charakterseiten.

 

Das Team beim Dreh zu «White Wolves». Bild: Nico Juchli

 

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